Zurück zu Gott (Wdh. v. 28.01.19)

Kirche in WDR2 | 07.05.2022 | 00:00 Uhr

(Wiederholung vom 28.01.19)

Sicherlich kennen Sie das

auch. Sie treffen sich mit Ihrer Freundin im Café– alles ist ganz nett. Gut

siehst Du aus, sagt sie. Schöner Pulli! Ist der neu?

Und zu der Bedienung: Zwei

Cappuccino – bitte.

Sie sitzen und lächeln. Die

Freundin redet über das Wetter und die Arbeit und die Kinder. Alles im

Telegrammstil. Oder wie heißt das heute? Im Stil einer Kurznachricht. Sie werden

unruhig, rutschen auf ihrem Stuhl hin und her. Versuchen herauszufinden,

wieviel Platz ihre Freundin heute für sie hat. Ob sie wirklich da ist oder nur

halb oder gar nicht.

Ich meine, ist doch eine

berechtigte Frage. Manchmal trifft man sich mit Menschen, die sind gar nicht

da. Die sind irgendwo anders. Oder verschwunden im Nirgendwo. Und die kommen

auch gar nicht zurück. So viele Cappuccinos kann man gar nicht trinken, bis die

mal wieder auftauchen.

Natürlich kennen Sie das. Und

ich kenne es auch. Und dann frage ich mich:

Soll ich oder soll ich nicht.

Soll ich ihr wirklich heute von meinem Problem erzählen. Dann denke ich: Ok,

ich mache es. Ich gebe ihr noch eine Chance. Weil: Wir sind doch schon so lange

befreundet. Und dann tue ich es: Ich erzähle von meinem Problem. Es ist

wirklich was Ernstes. Nichts Lebensbedrohliches. Aber ich mache mir große

Sorgen.

Und was macht sie – die

Freundin? Könnte übrigens auch ein Mann sein. Das kenne ich auch von Männern. In

Sekundenschnelle schnappt sie ein Stichwort auf – zum Beispiel Kind oder Mutter

oder Ehepartner – Krankheit oder Arbeit – und beginnt zu erzählen und hört

nicht mehr auf. Rein assoziativ, was ihr gerade zu dem Stichwort einfällt. Es

kann auch ein Problem sein – sagen wir mal ein Problemchen.

Und was passiert mit mir? Ich

bin plötzlich raus und ärgere mich – natürlich am meisten über mich selbst. Warum

mache ich immer den gleichen Fehler, ich Idiot. Hätte ich es – das Problem –

doch für mich behalten. Hastig trinke ich meinen zweiten Cappuccino. Und will

nur noch weg.

Und manchmal ist es bei ihm

auch so – bei Gott. Er ist nicht da, weil ich nicht da bin. Weil ich unterwegs

bin im Irgendwo oder Nirgendwo. Was dann hilft ist anzukommen. Bei mir. Eine

Unterbrechung. Mitten im Alltag. Ein Gebet. Eine kleine Wahrnehmungsübung. Wo

bin ich. An meinem Schreibtisch, in der Schwebebahn, im Wartezimmer. Was ist um

mich herum. Wie würde ich es beschreiben. Wo bin ich inmitten von. Wie geht es

mir. Was sagt mein Körper, die Gefühle, was sagen sie. Und dann komme ich

zurück – ganz langsam – zu mir. Und bestenfalls zu Gott. Weil: Er ist da –

sieht mich – meine Falte auf der Stirn, die Augenringe. Mein schweres Herz. Er

nimmt mich, so wie ich bin. Ich fühle mich verstanden. Auch ohne Worte. Von

Gott.

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58062_KircheinWDR220220507Steinwender.mp3

  • 7.5.2022
  • Sabine Steinwender
  • © CCO Pixabay
Downloads