(Wiederholung vom 28.01.19)
Sicherlich kennen Sie das
auch. Sie treffen sich mit Ihrer Freundin im Café– alles ist ganz nett. Gut
siehst Du aus, sagt sie. Schöner Pulli! Ist der neu?
Und zu der Bedienung: Zwei
Cappuccino – bitte.
Sie sitzen und lächeln. Die
Freundin redet über das Wetter und die Arbeit und die Kinder. Alles im
Telegrammstil. Oder wie heißt das heute? Im Stil einer Kurznachricht. Sie werden
unruhig, rutschen auf ihrem Stuhl hin und her. Versuchen herauszufinden,
wieviel Platz ihre Freundin heute für sie hat. Ob sie wirklich da ist oder nur
halb oder gar nicht.
Ich meine, ist doch eine
berechtigte Frage. Manchmal trifft man sich mit Menschen, die sind gar nicht
da. Die sind irgendwo anders. Oder verschwunden im Nirgendwo. Und die kommen
auch gar nicht zurück. So viele Cappuccinos kann man gar nicht trinken, bis die
mal wieder auftauchen.
Natürlich kennen Sie das. Und
ich kenne es auch. Und dann frage ich mich:
Soll ich oder soll ich nicht.
Soll ich ihr wirklich heute von meinem Problem erzählen. Dann denke ich: Ok,
ich mache es. Ich gebe ihr noch eine Chance. Weil: Wir sind doch schon so lange
befreundet. Und dann tue ich es: Ich erzähle von meinem Problem. Es ist
wirklich was Ernstes. Nichts Lebensbedrohliches. Aber ich mache mir große
Sorgen.
Und was macht sie – die
Freundin? Könnte übrigens auch ein Mann sein. Das kenne ich auch von Männern. In
Sekundenschnelle schnappt sie ein Stichwort auf – zum Beispiel Kind oder Mutter
oder Ehepartner – Krankheit oder Arbeit – und beginnt zu erzählen und hört
nicht mehr auf. Rein assoziativ, was ihr gerade zu dem Stichwort einfällt. Es
kann auch ein Problem sein – sagen wir mal ein Problemchen.
Und was passiert mit mir? Ich
bin plötzlich raus und ärgere mich – natürlich am meisten über mich selbst. Warum
mache ich immer den gleichen Fehler, ich Idiot. Hätte ich es – das Problem –
doch für mich behalten. Hastig trinke ich meinen zweiten Cappuccino. Und will
nur noch weg.
Und manchmal ist es bei ihm
auch so – bei Gott. Er ist nicht da, weil ich nicht da bin. Weil ich unterwegs
bin im Irgendwo oder Nirgendwo. Was dann hilft ist anzukommen. Bei mir. Eine
Unterbrechung. Mitten im Alltag. Ein Gebet. Eine kleine Wahrnehmungsübung. Wo
bin ich. An meinem Schreibtisch, in der Schwebebahn, im Wartezimmer. Was ist um
mich herum. Wie würde ich es beschreiben. Wo bin ich inmitten von. Wie geht es
mir. Was sagt mein Körper, die Gefühle, was sagen sie. Und dann komme ich
zurück – ganz langsam – zu mir. Und bestenfalls zu Gott. Weil: Er ist da –
sieht mich – meine Falte auf der Stirn, die Augenringe. Mein schweres Herz. Er
nimmt mich, so wie ich bin. Ich fühle mich verstanden. Auch ohne Worte. Von
Gott.
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