Wo sind die Sanftmütigen?

Das aktuelle "Wort zum Sonntag" aus der Rundschau:

 „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“ (Matthäus, Kap. 5, Vers 5)

Weise, weil es die Hoffnung nährt, dass unser Leben auch ganz anders sein kann. Weltfremd, weil es immer wieder von der Wirklichkeit überrollt wird. Sprachlos sehe ich die Gewalt, die sich gerade in vielen Städten entlädt. Entsetzt erlebe ich einen Präsidenten, der die Gewalt in empathieloser Wildwestmanier befeuert. Wer Hass sät, der wird Hass ernten. Im Großen wie im Kleinen.

Selig sind die Sanftmütigen. Jesus hat diese Worte in seiner wunderbaren Bergpredigt gesprochen. Als Mutmachpredigt in eine Welt, die schon damals gespalten und zerrissen war. „Mit der Bergpredigt kann man nicht regieren“, hieß es in meiner Jugend, als wir heftig über Krieg und Frieden stritten.

Aber wie denn sonst, frage ich mich heute mehr denn je. Selig sind die Sanftmütigen. Ich sehe keine Alternative, wenn wir nicht im Rassismus und Nationalismus untergehen wollen.

Die Bilder aus Minneapolis verstören. Aber ich denke auch an Martin Luther King, an die vielen, die mit gewaltlosem Widerstand der Welt den Spiegel vorgehalten haben und viel erreicht haben. Gandhi in Indien, Nelson Mandela in Südafrika. Sie alle haben sich immer wieder an das Jesuswort von den Sanftmütigen erinnert. Es hat ihnen viel Kraft gegeben.

„Denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Die Seligpreisungen sind eine Verheißung. Aber sie sind zeichenhaft schon heute gegenwärtig. Überall dort, wo Menschen friedlich demonstrieren und sich für die Menschenwürde einsetzen. Und es sind viele und es werden hoffentlich immer mehr.
Joachim Gerhardt

Ein geistlicher Impuls zum Sonntag

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressesprecher des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das „Wort zum Sonntag“ in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de

  • 4.6.2020
  • EKiR.de