Seit
zweieinhalb Jahren leben wir mit und in der Pandemie. Mit mal mehr, mal weniger
Einschränkungen und Auflagen. Wie schnell man sich gewöhnt hat.
Und
wie schnell man sich auch wieder umgewöhnt.
Und
wie schnell man manchmal die Übersicht verliert.
Mir
ist es an einem Sonntagvormittag in den Sommerferien am Fährhafen in Emden passiert.
Ich
habe das Auto geparkt, bin zum Anleger gegangen, wollte auf die Fähre nach
Borkum einchecken und sehe im letzten Moment das Schild:
„FFP2
Maskenpflicht am Terminal und auf der Fähre.“
Natürlich
habe ich keine Maske dabei.
Und
auch keine im Auto.
Ich
mache mich auf den Weg, eine Maske zu kaufen – Zeit genug habe ich noch.
Drei
Tankstellen und ein Büdchen später wird mir klar, dass ich nicht der Einzige
bin, der sonntags am Emdener Hafen noch schnell eine Maske kaufen muss.
Alles
ausverkauft, keine Chance.
Etwas
ratlos stehe ich wieder am Terminal, sehe vor meinem geistigen Auge schon das
Schiff ohne mich ablegen und meinen Urlaub ins Wasser fallen, als eine Gruppe
Männer in Trainingsanzügen ankommt. Sportler, denke ich. Die sind doch bestimmt
gut ausgerüstet.
Ob
die vielleicht eine Maske übrighaben und mir helfen können, das Schiff zu
erreichen?
Natürlich
haben Sie und natürlich können Sie.
Einer
von der Gruppe hat noch gestern in der Apotheke eine große Packung FFP2s
gekauft. Sogar die Farbe darf ich mir aussuchen.
Was
ich nicht darf: ihm die Maske abkaufen.
Er
will auf gar keinen Fall Geld dafür nehmen, er habe schließlich genug davon.
Als
ich abends auf Borkum den Sonnenuntergang am Strand genieße frage ich mich,
warum ich nicht sofort darauf gekommen bin, jemanden zu fragen und um Hilfe zu
bitten, statt die halbe Stadt abzuklappern. Zu wenig Vertrauen in meine
Mitmenschen?
„Es
müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel“ heißt es in einem Gedicht.
Ja,
manchmal tragen Engel auch Jogginghose. Ich hab’s erlebt.
Und
manchmal geben Engel sich erst zu erkennen, wenn man sie anspricht.
Ich
hab` mir vorgenommen, das in Zukunft öfter zu tun. Menschen anzusprechen, um zu
schauen, ob sie Engel sind. Und hoffentlich sprechen mich Menschen auch an.
Denn manchmal bin auch ich ein Engel.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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