Guten Morgen.
Meine Frau hat mich kürzlich gefragt was Aufbruch heißt. Um ein Wort
richtig zu spüren, hilft manchmal die Übersetzung in ihre Muttersprache, ins
Englische. Bei Aufbruch kam ich ins Stocken. Ich sah nach und fand zwei Wörter:
„Departure“, die Abreise, wie am Flughafen. Und gleichzeitig „Start“, der
Anfang, der Beginn. Aufbruch ist loslassen, aber eben auch loslegen. Ja
„Bruch“, aber eben auch „Auf“. Aufbruch.
Vielleicht lässt sich Aufbruch besser erzählen als übersetzen. Und ich
habe eine Lieblingsaufbruchsgeschichte: Ein Junge ist fertig mit der Ausbildung
im Familienunternehmen und Hotel Mama. Er will sein eigenes Ding machen, geht
zum Vater und überzeugt ihn irgendwie, dass er schon jetzt seinen Erbanteil
bekommen soll. Der Vater lässt sich tatsächlich darauf ein, obwohl er sich so
fühlt, als ob sein Sohn ihn an diesem Tag für tot erklärt.
Der Sohn nimmt sich das Vermögen und geht. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Es ist weniger Aufbruch und mehr Abbruch. Die neuen Leute lieben ihn für seine
Großzügigkeit, und er liebt dieses Leben. Wo er ist, lassen sich alle es gut
gehen. Saus und Braus. Doch er kann das hohe Tempo nicht halten. Bald ist die
Kasse leer und sein Herz schwer. Er wird ignoriert, ausgeschlossen, geblockt.
Und langsam spürt er: Ich habe es verbockt. Die Freunde sind unzugänglich. Das
Elternhaus unerreichbar. Sein Aufbruch ist jäh gescheitert.
Er sucht einen neuen Job, aber findet viel Ablehnung. Als Hilfsarbeiter
heuert er in einem Schweinestall an. Die Tiere gelten ihm als unrein, aber er
hat mehr Hunger als Glauben. Und so sitzt der Stolze von einst, plötzlich in
der Gülle und wird angegrunzt. Es stinkt ihm. Unfassbar. – Aber dann erscheint
ihm dieser Gedanke: Ich will einen neuen Aufbruch wagen. Ich muss. Ich muss!
Er bricht die Zelte ab und bricht nach Hause auf. Zu dem Vater, der für
ihn wie tot war, zur Verwandtschaft, die er im Stich gelassen hat. Sein neuer
Traum ist klein: Arbeiter statt Chef, am Rande seines alten Lebens. Er fühlt
sich nicht mehr als Sohn. Er hat kaum Gepäck, aber es ist unendlich schwer. „Es
tut mir leid, es tut mir so leid…“ Seine Antrittsrede geht im tausend Mal durch
den Kopf.
Kaum ist er in Sichtweite seines alten Lebens, stürmt ein Mann auf ihn
zu. Der Alte rennt mit aller Kraft, traut seinen Augen kaum, aber sein Herz
spürt: Mein Sohn, er ist wieder da! – Und plötzlich stehen sie sich gegenüber.
Sehen sich in die Augen. Der Junge heult vor Reue. Der Alte heult – vor Glück.
Er kann es nicht fassen. Er hat gewartet, jeden Tag hoffnungsvoll in den
Horizont geblickt. Voller Liebe. Und er nimmt seinen Sohn in den Arm.
Der Sohn stinkt, doch es ist ihm egal: „Mein Sohn lebt wieder. Er war
verloren, doch er ist gefunden. Heute ist ein Feiertag!“
Ich liebe diese Aufbruchsgeschichte. Sie ist alt. Vor gut 2000 Jahren hat
sie Jesus erzählt. Über seinen Vater, über Gott. Als Einladung auch ins heute.
Es ist nie zu spät nach Hause zu kommen. Es ist immer gut aufzubrechen zu dem,
der dich liebt. Gott ist die Mutter, die dich in die Arme schließt. Der Vater,
der sich dir zuwendet und sagt: „Wie gut, dass du da bist! Mein geliebtes Kind,
wie gut, dass du wieder da bist.“
Lass dich öfter umarmen von Gott. Er kennt das Schwere. Und er kennt die
Hoffnung.
Einen wunder-vollen Tag, wünscht Ihnen Patrick Depuhl aus Alpen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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