Guten Morgen!
Bis 17:45 Uhr heute Abend hätten
Sie die Chance, online sogar bis eine Minute vor sechs. Die Chance, na klar, einen
Tippschein zu platzieren für die wöchentliche Lottozahlen-Mittwochsziehung. 22
Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger sind mindestens gelegentlich
dabei, jeder vierte spielt gern „6 aus 49“ oder eine Variante.
Wobei die meisten wissen: Die
Chance auf einen Hauptgewinn ist klein. Sechs Richtige zu tippen, das klappt in
einem von 14 Millionen Fällen. Und wer gar die Superzahl für den Jackpot knacken
will, braucht noch zehnmal mehr vom Glück. Bei 1 zu 140 Millionen liegt die
Wahrscheinlichkeit für das ganz große Los. Im Bild: In einer Schlange von
Menschen, die dreimal um die Erde reicht, müssten ausgerechnet Sie den Ball vor
den Kopf kriegen. Viel Glück.
TROTZDEM setzen Woche für
Woche Millionen Menschen ihre Kreuzchen auf den Schein. Und zahlen für jedes ausgefüllte
Feld 1,20 Euro. Denn es KÖNNTE ja DOCH sein. Es KÖNNTE. Irgendwer gewinnt ja schließlich. Immerhin 187 Lottospieler
sind im letzten Jahr in Deutschland mit einem Schlag zum Millionär geworden.
Und das ist der Traum. Das
ist der Reiz, der Kitzel, der manchmal zur Sucht werden kann. Diese Vision –
mit einem Schlag bist du reich. Und aller Sorgen ledig. Kannst deinem alten
Leben adieu sagen. Wenn’s gut geht, die Arbeit an den Nagel hängen. Bist
plötzlich dein eigener Herr. Unabhängig und frei. Ein neues Haus am neuen Ort, ein
neues Auto – oder auch mehrere, und nicht zuletzt nach Belieben Zeit – zum
Müßiggang, zum Reisen, zum Feiern, was immer, alle Zeit der Welt. Das wär’s.
Der Traum vom völlig neuen
Leben treibt jeden Mittwoch, jeden Samstag Millionen in den Lottoladen.
Meist ein harmloser Spaß.
Solange der Traum vom großen Glück, vom völlig anderen Leben nicht zur fixen
Idee, zum Wahn, zur Besessenheit mutiert. „Glücksspiel kann süchtig machen“ –
der Warnhinweis ergeht zurecht. Ergänzen müsste man: DU bleibst ohnehin der alte
Mensch. Ob mit oder ohne Glücks-Phantastillionen. Nur allzu viele Lottokönige und
-königinnen lernen das bald: Du nimmst dich immer mit, selbst auf die Bahamas. Schlägst
dich weiter rum mit deinen Macken und Schwächen, bist nicht plötzlich ein
perfekter Mensch, kämpfst weiter mit dem alten Unsinn in dir, mit Ängsten, Zweifeln
und Zerrissenheit, und kannst auch nach sechs Richtigen gehörig auf die Nase
fallen.
Die Glücksbotschaft des
christlichen Glaubens übrigens heißt: Gott weiß das alles. Und kennt dich, wie
du bist. Immer der alte Adam, der gleiche Mensch, ob du arm oder reich oder
neureichbist. Immer der oder die fragwürdige Alte. Aber du hast Glück, Mensch:
Gott liebt dich trotzdem. Dich – und deine Nächsten ebenso wie dich.
Weshalb für dich gilt: Du kannst
neu anfangen. Mit dir und deinen Nächsten. Immer wieder. Vielleicht wird da ein
völlig neues Leben draus. Ganz ohne Lotto. Aber geliebt. Was für ein Glück.
Es grüßt Sie, Ulf Schlüter
aus Bielefeld.
Quellen:
https://de.statista.com/themen/130/lotto/ (letzter Abruf 19.04.23)
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/657651/umfrage/grossgewinne-im-deutschen-lotto-und-totoblock/ (letzter Abruf 19.04.23)
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60996_WDR3520230503Schlueter.mp3