Guten Morgen!
Politprofis brauchen wir an ganz verschiedenen Stellen.
Man wirft ihnen ja oft vor, ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen. Dabei ist
es manchmal klug, die eigenen Kräfte und die Machtverhältnisse richtig einzuschätzen.
Am Ende kann man dann sogar mehr bewirken, als mit bloßem Widerstand. Das zeigt
das Leben von Lazarus Spengler. Er unterstützt vor gut 500 Jahren die Ideen zur
Erneuerung von Kirche und Gesellschaft von Martin Luther. Lazarus Spengler
arbeitet als Ratsschreiber in Nürnberg und fällt schon bald durch seinen
ungewöhnlich scharfen Verstand und sein Organisationstalent auf. Es wird
erzählt: Spengler ist in der Lage, sechs Schreiber gleichzeitig mit ganz
verschiedenen Angelegenheiten zu beschäftigen. Dabei geht er von einem zum
anderen und diktiert ihnen in die Feder, ohne aus dem jeweiligen Gedankengang
herauszufallen.
Kaiser Maximilian wird auf diesen Mann aufmerksam und
hätte ihn gerne zu seinem Geheimsekretär ernannt. Der selbstbewusste Rat der
freien Reichsstadt Nürnberg widersetzt sich dem Anliegen des Kaisers und
befördert Spengler zum leitenden Mann in der Ratskanzlei. Schließlich wird er
sogar in den Rat selbst aufgenommen.
Als Ratsherr von Nürnberg nimmt Lazarus Spengler 1521
in Worms an der großen Versammlung aller entscheidenden politischen Kräfte des
Deutschen Reiches, dem sogenannten Reichstag teil. Hier soll sich Martin Luther
gegenüber allen dort versammelten Machthabern von Kirche und Staat
verantworten. Lazarus Spengler ist vom Auftritt Martin Luthers überzeugt. Und
schreibt in einem anschließend herausgegebenen Rechenschafsbericht: „Luther hat
sich in diesem Handel so tapfer, christlich und ehrbar gehalten, dass ich
meine, die Romanisten und ihre Anhänger sollen viel tausend Gulden darum geben,
dass sie ihn besser nie nach Worms einbestellt hätten.“ (1)
Nun hat sich Lazarus Spengler schon lange vor dem Wormser-Reichstag
mit der Luthersache identifiziert. Und ist genauso wie Martin Luther zwei Jahre
vor dem Reichstag in den Bann der Kirche getan worden. Das bedeutet: Jedermann
hätte ihn daraufhin gefangen nehmen und ausliefern können. Der Rat der Stadt
Nürnberg will seinen geschätzten Ratsherrn aber nicht verlieren und drängt ihn,
eine Unterwerfung unter den Kaiser zu unterzeichnen. Spengler willigt ein und
kann daher an den Verhandlungen in Worms teilnehmen. Neun Jahre später, beim
Reichstag in Augsburg von 1530 ist Lazarus Spengler erneut gefragt. Nun soll er
ein Gutachten schreiben: Sollen die politischen Kräfte, die sich Luthers
Anliegen zu Eigen gemacht haben, sich gegen den Kaiser verbünden und Widerstand
leisten? Natürlich denkt man jetzt, dass Spengler als Anhänger Luthers dazu ja
sagen wird. Doch er rät von diesem Widerstandsbündnis gegen den Kaiser ab – an
dieser Stelle ist er ein echter Politprofi. Manche meinen dagegen, er habe sein
Fähnlein nach dem Wind gehängt. Wie auch immer – auf jeden Fall weiß er die
Kräfte einzuschätzen.
Später wird er sich in seiner Heimatstadt Nürnberg für
die Neuorganisation des Schulwesens stark machen. Er weiß, wie wichtig Bildung
ist. Ganz gleich ob für das weltliche oder geistliche Leben einer Stadt.
Es sind also nicht immer die 150prozentig-Überzeugten,
die Wesentliches bewirken. Kluges Handeln, politische Erfahrung und nicht beim
Erreichten stehen bleiben – immer wieder brauchen wir Leute wie Lazarus
Spengler, die in ihrem Umfeld etwas erreichen. Im Evangelischen Namenskalender
wird heute an ihn erinnert.
Einen erfüllten Tag wünscht Ihnen Ihr Eberhard
Helling, Pfarrer aus Lübbecke.
Quellen:
Jörg Erb, Wolke der Zeugen, J.-Stauda-Verlag, Kassel,
1962, Bd. 3, S. 201 – 206
https://de.wikipedia.org/wiki/Lazarus_Spengler, zuletzt abgerufen am 26.08.22
(1) J. Erb, a.a.O., S. 203
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59118_WDR3520220907Helling.mp3