Gläubiger Politprofi (Lazarus Spengler)

Kirche in WDR3 | 07.09.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Politprofis brauchen wir an ganz verschiedenen Stellen.

Man wirft ihnen ja oft vor, ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen. Dabei ist

es manchmal klug, die eigenen Kräfte und die Machtverhältnisse richtig einzuschätzen.

Am Ende kann man dann sogar mehr bewirken, als mit bloßem Widerstand. Das zeigt

das Leben von Lazarus Spengler. Er unterstützt vor gut 500 Jahren die Ideen zur

Erneuerung von Kirche und Gesellschaft von Martin Luther. Lazarus Spengler

arbeitet als Ratsschreiber in Nürnberg und fällt schon bald durch seinen

ungewöhnlich scharfen Verstand und sein Organisationstalent auf. Es wird

erzählt: Spengler ist in der Lage, sechs Schreiber gleichzeitig mit ganz

verschiedenen Angelegenheiten zu beschäftigen. Dabei geht er von einem zum

anderen und diktiert ihnen in die Feder, ohne aus dem jeweiligen Gedankengang

herauszufallen.

Kaiser Maximilian wird auf diesen Mann aufmerksam und

hätte ihn gerne zu seinem Geheimsekretär ernannt. Der selbstbewusste Rat der

freien Reichsstadt Nürnberg widersetzt sich dem Anliegen des Kaisers und

befördert Spengler zum leitenden Mann in der Ratskanzlei. Schließlich wird er

sogar in den Rat selbst aufgenommen.

Als Ratsherr von Nürnberg nimmt Lazarus Spengler 1521

in Worms an der großen Versammlung aller entscheidenden politischen Kräfte des

Deutschen Reiches, dem sogenannten Reichstag teil. Hier soll sich Martin Luther

gegenüber allen dort versammelten Machthabern von Kirche und Staat

verantworten. Lazarus Spengler ist vom Auftritt Martin Luthers überzeugt. Und

schreibt in einem anschließend herausgegebenen Rechenschafsbericht: „Luther hat

sich in diesem Handel so tapfer, christlich und ehrbar gehalten, dass ich

meine, die Romanisten und ihre Anhänger sollen viel tausend Gulden darum geben,

dass sie ihn besser nie nach Worms einbestellt hätten.“ (1)

Nun hat sich Lazarus Spengler schon lange vor dem Wormser-Reichstag

mit der Luthersache identifiziert. Und ist genauso wie Martin Luther zwei Jahre

vor dem Reichstag in den Bann der Kirche getan worden. Das bedeutet: Jedermann

hätte ihn daraufhin gefangen nehmen und ausliefern können. Der Rat der Stadt

Nürnberg will seinen geschätzten Ratsherrn aber nicht verlieren und drängt ihn,

eine Unterwerfung unter den Kaiser zu unterzeichnen. Spengler willigt ein und

kann daher an den Verhandlungen in Worms teilnehmen. Neun Jahre später, beim

Reichstag in Augsburg von 1530 ist Lazarus Spengler erneut gefragt. Nun soll er

ein Gutachten schreiben: Sollen die politischen Kräfte, die sich Luthers

Anliegen zu Eigen gemacht haben, sich gegen den Kaiser verbünden und Widerstand

leisten? Natürlich denkt man jetzt, dass Spengler als Anhänger Luthers dazu ja

sagen wird. Doch er rät von diesem Widerstandsbündnis gegen den Kaiser ab – an

dieser Stelle ist er ein echter Politprofi. Manche meinen dagegen, er habe sein

Fähnlein nach dem Wind gehängt. Wie auch immer – auf jeden Fall weiß er die

Kräfte einzuschätzen.

Später wird er sich in seiner Heimatstadt Nürnberg für

die Neuorganisation des Schulwesens stark machen. Er weiß, wie wichtig Bildung

ist. Ganz gleich ob für das weltliche oder geistliche Leben einer Stadt.

Es sind also nicht immer die 150prozentig-Überzeugten,

die Wesentliches bewirken. Kluges Handeln, politische Erfahrung und nicht beim

Erreichten stehen bleiben – immer wieder brauchen wir Leute wie Lazarus

Spengler, die in ihrem Umfeld etwas erreichen. Im Evangelischen Namenskalender

wird heute an ihn erinnert.

Einen erfüllten Tag wünscht Ihnen Ihr Eberhard

Helling, Pfarrer aus Lübbecke.

Quellen:

Jörg Erb, Wolke der Zeugen, J.-Stauda-Verlag, Kassel,

1962, Bd. 3, S. 201 – 206

https://de.wikipedia.org/wiki/Lazarus_Spengler, zuletzt abgerufen am 26.08.22

(1) J. Erb, a.a.O., S. 203

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59118_WDR3520220907Helling.mp3

  • 7.9.2022
  • Eberhard Helling
  • © CCO (wikimedia)
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