Guten Morgen!
Morgens um sieben auf dem Weg
zum Hauptbahnhof. Dutzende sind wie ich hier unterwegs. Die meisten gucken
ziemlich mürrisch. Ein Mädchen kommt mir entgegen. Mit schwerem Schulranzen. An
der Hand des Vaters rennt sie zu einem Gleis. Als wir aneinander vorbeilaufen,
guckt sie mir kurz in die Augen und lacht mir zu. Ich lächle zurück und merke,
wie mir ganz warm ums Herz wird. Das tut einfach gut. Ein Lächeln, ein gutes
Wort ganz unerwartet und unverhofft mitten im Alltag. Oder ein Lob von
unerwarteter Stelle. Immer schon hat eine Kollegin an allem, was ich tue etwas
auszusetzen. Dann ruft sie an und bedankt sich für den guten Impuls aus der
gemeinsamen Sitzung am Vormittag.
Besonders schöne gute Worte,
die runter gehen wie Öl und mein Herz erwärmen, sind Segensworte. Aber wo
werden sie noch gesprochen, mitten im Alltag? Wo ist er hin, der Segen? Im
Gottesdienst, ja, da bekomme ich ihn noch. Meist ganz am Ende und in geprägten
Worten: „Der Herr segne dich und behüte dich. …“ und so weiter. Aber hat Segen
nur im Gottesdienst einen Platz, frag ich mich?
In der Bibel gehört er mitten
hinein in den Alltag, der Segen; zu den Kranken und Gesunden, zu den Kindern
und Eltern, bei Tisch und bei Festen, beim Geborenwerden und beim Sterben.
Vielleicht überlassen wir den Segen heute viel zu oft den vermeintlichen „Profis“,
den Pfarrerinnen und Pfarrern.
Gott, der Herr, spricht: „Ihr
sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.“ (2. Mose
19,6) Heißt es in der Bibel. Dabei wird nicht unterschieden zwischen
Pfarrerinnen und Gemeindemitgliedern, zwischen Klerus und Laien. Auf den
Glauben kommt es an. Martin Luther nennt es die „Priesterschaft aller
Gläubigen“. Als Getaufter, bin ich berufen und beauftragt Priester zu sein, von
Gott zu erzählen und gute Worte zu sprechen.
Zu Abraham, dem Urvater der
Juden, sagt Gott: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“ (1.
Mose 12,2) Gott gibt mir seinen Segen immer so, dass ich ihn weitergeben kann.
Und das kann ich auf ganz unterschiedliche Weise, nicht nur sonntags im
Gottesdienst. Ein gutes Wort, hineingesprochen mitten in den Alltag, ein lieber
Gruß oder ein wertschätzendes Lob.
Das schöne dabei ist, dass
ein solches Wort gleich auf beiden Seiten etwas auslöst. Wenn mein Gegenüber
überrascht ist vom Segen, dann trifft das sozusagen wieder auf mich zurück. Ein
Lächeln wird erwidert, auf Lob folgt Dank, auf ein gutes Wort folgen meist
weitere gute Worte, auf Segen ein gesegnetes Miteinander.
Wo ist er hin, der Segen in
meinem Alltag. Verschwunden ist er sicher nicht. Ich kann ihn immer wieder entdecken
und ich kann ihn immer wieder verschenken.
Ein gutes Wort,
hineingesprochen mitten in den Alltag, ganz unerwartet und unverhofft.
Probieren Sie es doch mal
einmal aus.
Ihr
Pfarrer Oliver Mahn aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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