Fehlerengel

Das geistliche Wort | 14.08.2022 | 00:00 Uhr

Autor: Gibt es eigentlich

Fehlerengel? Ja, richtig gehört, „Fehlerengel“, nicht „Fehlerteufel“. Den

Fehlerteufel kennen Sie bestimmt schon. Das ist der Typ, dem wir manchmal die

Schuld in die Schuhe schieben, wenn uns ein Missgeschick unterlaufen ist. „Oh,

da hat sich wohl der Fehlerteufel reingeschlichen!“ heißt es dann, zum Beispiel,

wenn man wieder mal bei einer E-Mail vergessen hat, den versprochenen Anhang

mitzusenden. Ganz so einfach wie mit dem Fehlerteufel ist es mit dem

Fehlerengel nicht. Der ist nicht nur ein ausgedachter Buhmann für unsere

Versäumnisse. Der Fehlerengel ist ein Bote Gottes. Seine Botschaften überbringt

er uns ausgerechnet dann, wenn wir einen Fehler machen oder wenn es mal nicht

so läuft, wie wir es gerne hätten. In der letzten Zeit ist mir der Fehlerengel

immer wieder mal begegnet. In meinem Alltag, in der Bibel und auch in einem

Lied.

Musik 1: Forever in my life

(Early Vocal Run-through) (Prince)

Titel: Forever in my life (Early Vocal

Run-through); Album: Sign o´ the times (Super deluxe edition) , Interpret:

Prince, Komposition/Text: Prince;

Verlag: NPG, Label: Warner Rec., LC: 00392; Bestell-Nr.: R2 628756

0:52-1:38

= 0:46

Autor (overvoice): Falls Sie in diesem Lied nach einem Fehler

suchen, muss ich Sie enttäuschen. Das ist der Song „Forever in my life“, so wie

der Musiker Prince ihn sich 1986 ausgedacht hat. Mit dieser Probe-Version im

Ohr geht Prince damals ins Studio, um das Lied für seine nächste Platte

aufzunehmen. Dabei passiert jedoch ein Missgeschick. Die Toningenieurin Susan

Rogers vergisst bei der Aufnahme, ein paar Tonspuren hochzufahren. Als Prince

sich den fertigen Song anhört, fehlen der Bass und auch eine Gitarre.

Musik 2

Titel: Forever in my life (2020

remastered); Album: Sign o´ the times (Super deluxe edition), Interpret:

Prince, Komposition/Text: Prince;

Verlag: NPG, Label: Warner Rec., LC: 00392; Bestell-Nr.: R2 628756

1:49-3:30 = 1:41

Autor (overvoice): Susan Rogers erbleicht. So ein Fehler ist ihr noch nie passiert! Was wird

Prince wohl dazu sagen? Das für seinen Perfektionismus bekannte Musik-Genie

hasst Fehler! Bei Konzerten muss seine Band für jeden falschen Ton hundert

Dollar Strafe zahlen. Als sie sich den irgendwie unfertig klingenden Song

anhören, rechnet Susan Rogers fest damit, von Prince gefeuert zu werden. Doch

der sagt nur: „Spiel es mir noch einmal vor!“

Musik 2 (Fortsetzung; freistehend)

Autor (overvoice): Das Ende vom Lied: Die Toningenieurin wird

nicht gefeuert, denn Prince gefällt die Fehlerfassung. Ohne Bass und ohne

Gitarre klingt der Song nicht so fröhlich, sondern viel ernsthafter. Das passt

besser zu seinem Text, der vom Erwachsenwerden und von wahrer Liebe handelt.

„Forever in my life“ kommt in der Fehlerversion auf das Album „Sign o the

times“, das die Musikjournalisten später als Meisterwerk bezeichnen. In vielen

Rezensionen wird „Forever in my life“ besonders erwähnt. Es sei ein Beispiel

für den Mut und die Genialität seines Machers. Als ich Jahre später von der

Entstehungsgeschichte des Liedes erfahre, muss ich schmunzeln. Ausgerechnet ein

Fehler ist dafür verantwortlich, dass das Lied so anders und so interessant

klingt! Vielleicht hatte Gott ja einen Fehlerengel ins Studio nach Minneapolis

geschickt, um Prince eine Lektion zu erteilen: Perfektionismus ist langweilig.

Fehler gehören zum Menschsein dazu und manchmal sind es unsere Fehler,

die

uns auf neue, spannende Wege führen.

Musik 3: Mensch (Herbert Grönemeyer)

Titel:

Mensch (remastered 2016); Album: Mensch, Interpret: Herbert Grönemeyer,

Komposition/Text: Herbert Grönemeyer ;

Verlag: Grönland, Label: Universal Music, Bestell-Nr.: B00006F1RG

4:07-5:12

= 1:05

Autor: Dass zum Menschsein Fehler gehören und Perfektionismus

langweilig ist, sagt sich ja so leicht. Ich selbst musste so einen Fehler

erstmal selber machen und bewusst erleben, um zu lernen, dass es sich mit

gemachten Fehlern gut leben lässt. Wo mir als Pfarrer dieser Fehler passiert

ist? Natürlich in einer Kirche, am Ende eines Gottesdienstes vor richtig vielen

Leuten. Es ist einer der ersten Gottesdienste in meiner damals noch neuen

Gemeinde.

Da

will ich es besonders gut machen und am liebsten die ganze Predigt und die

gesamte Liturgie frei sprechen und nicht an meinem Konzept kleben. Geht alles

auch ganz gut, bis zum Segen, wo ich noch einen Liedruf singen muss. „Gehet

hin im Frieden des Herrn!“ „Ach“, denke ich mir, „diesen kleinen Vers werde

ich wohl ohne Textblatt singen können“. Also gehe ich von meiner Bank nach

vorne zum Altar. Dort angekommen ist es aber so, als ob jemand mich

„geblitzdingst“ hätte. Jedenfalls sind in diesem Moment alle Gedanken von

meiner geistigen Festplatte gelöscht und ich habe keine Ahnung mehr, wie der

kleine Liedvers lautet. So bleibt mir nichts anderes übrig, als zu

improvisieren und irgendwelche Worte über die Melodie drüber zu singen.

Irgendetwas mit „Segen“ fällt mir ein, und es klingt schrecklich. Mir wird auf

einmal heiß und kalt, doch als ich in die Gottesdienstgemeinde schaue, sehe ich

nicht in entzürnte oder vorwurfsvolle Gesichter.

Die

meisten Leute schauen mich mit einem fröhlichen Lächeln an. Da muss ich selber

über mein Missgeschick lachen. Auf jeden Fall ist die Stimmung am Ende des

Gottesdienstes viel lockerer und gelöster als vor meinem Fehler. Im Nachhinein

denke ich: Vielleicht war es ja ein Fehlerengel, der mich dazu brachte, auf

meinen Text zu verzichten und das Segenslied zu vergeigen. Denn ausgerechnet

dieser Fehler hat mich der Gemeinde nähergebracht.

Musik 4: Confessions (Badbadnotgood)

Titel:

Confessions; Album: III, Interpret: Badbadnotgood, Komposition: A. Sowinski, M. Tavares, C. Hansen;

Verlag: Round hill, Label: Innovative leisure Rec., LC: 51774; Bestell-Nr.: B00IWP8BZQ

7:17-8:08

= 0:51

Autor: Fehlerengel schenken uns neue Ideen. Sie bringen uns

Menschen näher und manchmal halten sie uns auch davon ab, die falschen Wege zu

gehen. So macht es in der Bibel ein „tierischer“ Fehlerengel. Dieser erscheint

einem Mann namens Bileam, der sich im vierten Buch Mose zu einer gefährlichen

Reise aufmacht.

Sprecherin: Lesung Numeri 22 22-31,

BasisBibel-Übersetzung

Gott geriet in Zorn

darüber, dass Bileam die Männer von Balakbegleitete. Darum stellte sich

ihm ein EngeldesHerrn als Gegner in den Weg. Bileam ritt auf seiner

Eselin und hatte zwei seiner Knechte dabei. Die Eselin sah den Engel

desHerrn, der mit gezogenem Schwert auf dem Weg stand. Die Eselin wich

vor ihm aus und lief vom Weg aufs Feld. Da schlug Bileam die Eselin, um sie auf

den Weg zurückzutreiben. Der Engel desHerrnaber ging zu einer engen

Stelle zwischen den Mauern der Weinberge. Die Eselin sah den Engel

desHerrn und drängte sich an eine der Mauern. Dabei klemmte sie Bileams

Fuß an der Mauer ein, und er schlug sie noch einmal. Der Engel

desHerrnging ein Stück weiter. Er stellte sich an eine noch engere

Stelle. Dort konnte die Eselin nicht mehr ausweichen, weder nach rechts noch

nach links. Als die Eselin diesmal den Engel desHerrnsah, legte sie

sich unter Bileam einfach hin. Bileam wurde wütend und schlug die Eselin mit

dem Stock.

Da verlieh

derHerrder Eselindie Fähigkeit zu sprechen, und sie sagte zu

Bileam: »Was habe ich dir getan, dass du mich jetzt zum dritten Mal schlägst?«

Bileam antwortete der Eselin: »Nun, du hast mir übel mitgespielt. Wenn ich ein

Schwert in der Hand gehabt hätte, dann hätte ich dich getötet.« Die Eselin

sagte zu Bileam: »Bin ich nicht deine Eselin, auf der du schon dein Leben lang

reitest? Habe ich mich dir gegenüber jemals so verhalten?

«Er antwortete: »Nein!«

Da öffnete derHerrBileam die Augen, und Bileam konnte den

EngeldesHerrnsehen.

Musik 5: Wild Angels (Martina McBride)

Titel:

Wild angels; Album: Wild angels , Interpret: Martina McBride, Komposition: M. Mc Bride; Verlag: unbekannt,

Label: BMG, LC: 01413; Bestell-Nr.: B00064AGAO

10:10-11:09

= 0:59

Autor: Ziemlich wild, dieser biblische Fehler-Engel: Zuerst

erschreckt er einen Esel, damit sein Besitzer Bileam nicht länger in die

falsche Richtung reitet. Und als das noch nicht ausreicht, lässt Gott den Esel

sprechen. Klingt ein bisschen wie im Märchen, oder? Doch so wie die meisten

Märchen eine tiefere Wahrheit erzählen, so gibt es auch bei diesem Märchen aus

der Bibel eine Botschaft: Bileam erkennt den Engel Gottes erst in dem Moment,

als er seinen Fehler einsieht. Er hätte seine Eselin nicht schlagen sollen. Und

er hätte nicht immer weiter gehen sollen auf dem falschen Weg. Die eigenen

Fehler einsehen und zugeben öffnet die Augen und ist heilsam. Meistens braucht das

seine Zeit. Nicht jeder von uns hat einen sprechenden Esel, der einen so

schnell und so deutlich auf die eigenen Fehler aufmerksam macht! Und man will

sich ja auch nicht von jedem Esel seine eigenen Fehler vorhalten lassen.

Glücklich die Menschen, die einen Fehlerengel in ihrem Freundeskreis haben, der

sie behutsam und verständnisvoll auf Missgeschicke hinweist! Solche

persönlichen Fehlerengel sind gar nicht so leicht zu finden. Mir jedenfalls

fällt es schwer, den Menschen in meinem Umfeld auch mal etwas Kritisches zu

sagen. Ich habe Angst, sie zu verletzen. Schließlich sieht nicht jeder seinen

Fehler so schnell ein wie Bileam. Jedoch wäre Bileam noch lange in die falsche

Richtung geritten, wenn sich ihm niemand quer gestellt hätte. Das biblische

Märchen macht uns Mut, für andere Menschen ein Fehlerengel zu werden. Und es

lädt uns ein Fehlerengel an sich ranzulassen. Solche menschlichen Fehlerengel

hauen anderen ihre Missgeschicke nicht um die Ohren. Fehlerengel weisen ihre

Freundinnen, Bekannte oder Kollegen einfühlsam auf das hin, was sie falsch

gemacht haben; nicht, um ihnen eines auszuwischen, sondern um sie vor weiteren

Fehlern zu bewahren.

Musik 6: Angel (Jack Johnson)

Titel:

Angel; Album: Sleep through the static, Interpret: Jack Johnson, Komposition: J. Johnson; Verlag: unbekannt,

Label: Universal Music; LC: 97777; Bestell-Nr.: B01MG8EBJO

13:04-14:12

= 1:08

Autor: Fehlerengel zu merken ist ganz schön schwer.

Fehlerengel zu werden noch viel mehr.

Dass

das so ist, hat meiner Meinung nach auch etwas mit unserer Gesellschaft zu tun:

Mit

der Fehlerkultur oder sollte ich vielleicht lieber sagen „Fehler-Un-Kultur“,

die wir leben. Selbstoptimierung ist das Gebot der Stunde, sowohl im

Privatleben als auch im Beruf. Perfekt aussehen und perfekt performen werden

gelobt. Fehler werden entweder verschämt vertuscht oder im Internet in

gehässigen „Epic-Fail“-Zusammenstellungen veröffentlicht, wo man Menschen beim

Stolpern oder beim Unfallbauen zuschauen kann.

In

einem solchen gesellschaftlichen Klima fällt es schwer, Fehler zuzugeben und zu

seinen Fehlern zu stehen. Immer muss man befürchten, auf seine Fehler reduziert

zu werden.

Im

Gegensatz dazu empfinde ich das christlich-jüdische Menschenbild als sehr

befreiend.

Die

Bibel zeichnet kein perfektes oder positivistisches Bild des Menschen.

Fehlermachen und Scheitern werden da nicht ausgeblendet. Der Mensch ist mit

seinen Licht- und Schatten-seiten ein geliebtes Kind Gottes. Gott reduziert

Bileam nicht auf seinen Fehler und verdammt ihn dafür, sondern er eröffnet ihm

die Möglichkeit, in eine neue Richtung zu gehen. Es wäre wundervoll, wenn wir

alle im Hinblick auf unsere Fehlerkultur in eine neue Richtung gehen könnten.

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der man seine Fehler zugeben und zu Ihnen

stehen kann ohne Angst haben zu müssen, dafür verteufelt bzw.

„ver-fehler-teufelt“

zu werden. Dann wäre vieles anders..

Musik 7: Attune (Alfa Mist)

Titel:

Attune; Album: Bring backs, Interpret: Alfa Mist, Komposition: Alfa Mist; Verlag: unbekannt,

Label: ANTI Records, LC: 23598; Bestell-Nr.: B08TFJ9V52

15:46-16:46

= 1:00

Autor: Nun habe ich Ihnen viel von Fehlerengeln erzählt.

Hoffentlich halten Sie mich nun nicht für einen „Fehler-Fan“, der

Dilettantismus gut findet! Das wäre ein Missverständnis. Denn ich bin da so wie

die meisten Menschen:

Ich

mag es, wenn die Dinge rund laufen und keine Missgeschicke passieren. Dafür

plane ich möglichst vorausschauend, auch wenn manche das etwas pedantisch

finden.

Manchmal bin ich im

Nachhinein aber auch dankbar, wenn die Dinge anders laufen, als ich sie geplant

hatte: Da war die Veranstaltung, für die ich mich versehentlich angemeldet

hatte und die ich eigentlich gar nicht besuchen wollte. Ausgerechnet da habe

ich nette Leute kennengelernt, mit denen ich immer noch im Kontakt bin. Da war

der unerwartete Regenguss, weswegen ich einmal einen Umweg zu Fuß nehmen

musste. Ausgerechnet auf diesem Weg begegnete mir ein Kollege, mit dem ich

ohnehin noch etwas Wichtiges besprechen wollte. Vielleicht fallen Ihnen ja auch

Situationen ein, bei denen Sie in der Rückschau dankbar sind, dass die Dinge

anders abgelaufen sind, als Sie es eigentlich gewollt hatten. Für diese

Situationen mache ich meinen Fehlerengel verantwortlich. Dieser kleine,

göttliche Bote erinnert mich daran, dass das Leben das ist, was einem

widerfährt, während man dabei ist, Pläne zu schmieden. Und das ist oft auch

ganz gut so! Es erinnert mich an eine Redewendung aus dem Alten Testament: „Ein Mensch denkt sich manches aus, aber das letzte Wort dazu

spricht derHerr.“ Oft sind die letzten Worte, die Gott zu unseren Plänen

spricht, überraschend gut. Deshalb wünsche ich Ihnen, dass nicht immer alles so

ausgeht, wie Sie es sich vorstellen. Gott hat manchmal noch etwas Besseres für

uns im Sinn. Möge er uns allen ab und zu einen Fehlerengel schicken!

Das

wünscht Ihnen Pfarrer Peter Krogull von der evangelischen Kirche in Düsseldorf

Musik 8: In your eyes

(Badbadnotgood)

Titel: In your eyes; Album: IV, Interpret:

Badbadnotgood, Komposition: A.

Sowinski, M. Tavares, C. Hansen; Verlag: Round hill, Label: Innovative

leisure Rec., Bestell-Nr.: B01FTI218Q

18:35-20:00 = 1:25

Redaktion: Landespfarrer

Dr. Titus Reinmuth

  • 14.8.2022
  • Peter Krogull
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