Guten
Morgen!
Es
sollen rund 300 000 Menschen gewesen sein, 1981 in Bonn. Wir, vier junge Männer
aus Düsseldorf, kommen mit einem klapprigen Käfer frühmorgens dort an. Von
überall strömen sie zusammen, alle Straßen sind voller Menschen. Viele haben
Fahnen und Transparente. Allen ist der Frieden ein wichtiges Anliegen. Unser Protest
richtet sich damals vor vierzig Jahren gegen den so genannten „Nato-Doppelbeschluss“.
Der sieht zum einen die Modernisierung der westlichen Atomwaffen vor und zum
anderen Gespräche zur Abrüstung. Aber bedeutet das nicht im Kern eine atomare
Aufrüstung? Gefährdet das nicht massiv den Frieden? „Aufrüstung tötet auch ohne
Krieg“ – das ist damals unser Kernsatz des Protestes. Diese Großdemonstration
am Bonner Hofgarten soll ein Zeichen zur Umkehr sein. Fort von den Waffen des
Todes hin zur Botschaft des Lebens. Von einem Denken, in dessen Kalkül der
Krieg gehört, zu einem Frieden für alle Menschen. „Umkehr zum Leben“ – das ist
unsere Parole. Es ist damals eine Zeit, die wie unsere Zeit heute durch Angst
vor einer nuklearen Bedrohung geprägt ist. Unser Ruf zur Besinnung ist ein
Bekenntnis zum Leben, zum Frieden, zur Zukunft. Was ist geblieben von dieser
Hoffnung nach mehr als vier Jahrzehnten? Es ist überall Ernüchterung
eingetreten. Die Schrecken des Unfriedens sind beileibe nicht Vergangenheit,
sondern in Gestalt des brutalen Vernichtungskrieges in der Ukraine seit fast
zehn Monaten erdrückende Gegenwart. Auch heute bleibt die Gefahr eines
Weltkriegs nicht im Bereich des Undenkbaren – vielleicht sogar mehr als in
früheren Zeiten. Und doch stellt sich in der heutigen Situation die bittere
Frage, ob wir nicht Waffen brauchen, um Leben, um friedfertiges und
unschuldiges Leben zu schützen. Als Christ und Pfarrer ist für mich Gott Anwalt
oder auch „Liebhaber des Lebens“. Und aus diesem Glauben folgt der Auftrag,
Leben zu schützen und zu verteidigen. Ein Fernsehbild aus den Anfangstagen des
Ukrainekriegs geht mir nicht mehr aus dem Sinn: Ein kleiner Junge mit einer
Stofftasche in der Hand, der allein und weinend eine Straße entlanggeht, vorbei
an verwüsteten Feldern. Möchte man da nicht Anwalt des Lebens sein – für dieses
Kind, für alle Kinder, die auf der Flucht sind? Aber was tun? Dem abscheulichen
Angriffskrieg mit Waffengewalt begegnen? Ja oder Nein? Was ist richtig? Ich
weiß es nicht. Ich habe keine Antwort, mit der ich gut leben kann. In Bonn
haben wir damals von einer Welt in Frieden geträumt, von Versöhnung und
Verständigung über Bündnis-Grenzen hinweg. Auch wenn dieser Traum noch nicht
endgültig ausgeträumt sein mag – er wird noch lange ein Traum bleiben. Ich
glaube nicht an ein Gleichgewicht des Schreckens. Ich glaube, dass wir einen
neuen Geist brauchen, Besonnenheit und Zuversicht. Ein neues Herz. Und vor
allem brauche ich die Hoffnung auf einen Gott, der nicht müde wird, seinen
Willen zum Frieden in die Herzen der Menschen zu gießen. Auch wir vier hatten
damals ein Transparent dabei. Darauf stand: „Es soll nicht durch Heer oder
Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht Gott, der Herr.“ (Die
Bibel Sacharja 4,6)
Einen
friedlichen Tag wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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