Gottes Name - Kosename

Das geistliche Wort | 11.09.2022 | 00:00 Uhr

Autorin: Loki – erinnern Sie sich? Das war der

Kosename von Hannelore Schmidt. Den hatte sie übrigens schon vor der Verbindung

mit Helmut Schmidt. Der frühere Bundeskanzler hat „Loki“ nicht nur zuhause so

genannt, sondern den Kosenamen auch öffentlich gebraucht und so quasi

salonfähig gemacht. Und er hat etwas Zweites damit getan. Wenn er sie so

nannte, hat er damit gezeigt: Wir beide gehören zusammen, wir sind verbunden.

Denn Kosenamen drücken eine besondere Zugehörigkeit aus. Paare, Eltern und

Kinder, Freundinnen und Freunde, ArbeitskollegInnen können damit sagen: Du

gehörst zu mir. Wir gehören zusammen.

Alle möglichen Menschen benutzen Kose- und Spitznamen, wenn sie miteinander

reden. Verniedlichungsformen wie Lenchen oder die Ergänzung mit einem -i wie

bei Rubi oder Mami gehören dazu, Tiernamen wie Bärchen und Hasi oder eben neue

Wortschöpfungen wie Loki.

Manche

Familie gibt auch ihrem Auto einen Kosenamen. Stadtvölker necken etwa ihre

Bauten zärtlich. So wie die Berliner, die die Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche liebevoll als Hohlen Zahn bezeichnen.

Diesen Kose-

und Spitznamen ist gemein, dass sie etwas schwer Fassbares in Buchstaben und Worte

fassen. Sie bilden einen Begriff für einen Teil der Wirklichkeit. Diese Titel

und Benennungen erzählen davon, dass es da eine Beziehung gibt. Zwischen Helmut

und Loki, zwischen Omi und ihrer Enkelin, zwischen den Berlinerinnen und ihrer

Gedächtniskirche. Übrigens auch zwischen Gott und Mensch. Auch das ist eine

Beziehung, und auch hier gibt es Namen.

Benutzen Sie

auch einen Kosenamen, wenn Sie jetzt beim Radio hören frühstücken und nach der

Butter fragen? Gab es jemanden, der Ihnen einen Kosenamen gegeben hat? Ein

Name, den nur er oder sie benutzt hat? Ein Name, der Sie beide jedes Mal

verbindet und deutlich macht: „ich bin froh, dass du da bist“?

Musik 1: The

Look of Love

Titel: The

Look of Love; Komposition: Burt Bacharach; Interpret: Chris Botti; Album: A

Thousand Kisses Deep; Label: Sony

Music Entertainment; LC: 02604

Autorin: Namen und Kosenamen: Wie mache ich das

eigentlich bei Gott? „Lieber Gott“ – so fangen die Gebete an, die ich mit

meinem Kind vor dem Einschlafen bete. „Vater unser“ bete ich in der Kirche –

oder am Grab. Wann spreche ich Gott überhaupt an? Und wie? Was sagt das über

unsere Beziehung? „Danke, guter Gott“, das geht mir leicht über die Lippen,

wenn ich erfüllt bin. Und wenn nicht? Was, wenn ich eine Krise durchmache und

Gott mir fremd wird?

In den

biblischen Schriften gibt es tatsächlich viele Kosenamen für Gott. Der Name

Gottes hingegen wird nicht ausgeschrieben. Aus Ehrfurcht und Demut. Dafür gibt

es jede Menge Umschreibungen, wie Gott für die Menschen ist und wie sie ihn

wahrnehmen. Im Gebetbuch der Bibel, den Psalm, wird Gott ganz unterschiedlich

angesprochen – etwa als Fels, Retter, Helferin, Mutter, Hirte.

Und diese

Worte sind ja auch so etwas wie „Kosenamen“ für Gott?

Wenn wir von

Gott sprechen und ihm Namen geben, treten wir dann mit ihm in Beziehung? In

eine Liebesbeziehung gar?

Im Islam hat

sich eine Tradition durchgesetzt, die von den 99 Namen Gottes spricht. Jeder

dieser Namen steht im Islam für eine Eigenschaft Allahs. Bezeichnungen wie der

Schöpfer oder der Barmherzige sind der christlichen Gebetssprache und Anrede

ganz nah. Wenn ich Gott im Gebet als Allmächtige oder Barmherzigen anspreche,

dann ist viel mehr enthalten als bloß die Anrede.

Gott, „der

du das Feinste in allen Dimensionen erfasst“, so einer der 99 Namen. Das

erzählt doch von Beziehungserfahrungen zwischen Gott und der betenden Person

(al-La??f Nr 30).

Diese Kosenamen

sind

Annäherungsversuche. In der jüdisch-christlichen Tradition gilt ein Vorbehalt:

Der Name Gottes wird nicht ausgesprochen. In der Schriftform steht das

Tetragramm JHWH. Diese vier Konsonanten, die in jüdischer Tradition mit

„Adonai“ ausgesprochen werden.

Es ist eine

interessante Tradition, dass es bei diesem Gottesnamen so eine Gespanntheit

zwischen Schrift und Aussprache gibt. Das Auge sieht und liest vier Konsonanten

J-H-W-H. Die Zunge spricht aber „Adonai“ aus.

So wird

etwas genannt und gleichzeitig bleibt etwas verborgen. Das ist

spannend.

Musik 2: The

Time of my life

Titel: (I’ve

Had) The Time of My Life; Komposition: Franke Previte, John DeNicola &

Donald Markowitz; Interpreten: Bill Medley & Jennifer Warnes; Album: Dirty

Dancing (Original Motion Picture Soundtrack); Label: RCA Records Label; LC: 00316

Autorin: Baby – so sagt Jonny, gespielt von

Patrick Swayze, zu seiner Tanzpartnerin Frances.

Dass

Amerikaner und Briten ihre Herzallerliebste gerne "Babe" oder

"Honey" nennen, wissen wir nicht erst seit dem Film „Dirty Dancing“.

Neben diesen klassischen Formen gibt es witzige Konstruktionen. So wie in den

Niederlanden. Da wird der Partner gerne mal nach der Lieblingssüßigkeit

"Dropje", also Lakritze benannt. Wundern kann man sich auch über den

Kosenamen von Prinz Phillipp zu seiner Lilibeth. Man munkelt, neben der

Verniedlichungsform von Elisabeth habe er sie auch gerne mit Kohlkopf,

Englisch: „Cabbage“ angesprochen. Eventuell hat der sprachgewandte Prinzgemahl

sich dabei auf den französischen Kosenamen "mon petit chou“ berufen. Oder es gibt eine ganz eigene gemeinsame

Erinnerung, die mit Kohlköpfen zu tun hat. Übersetzungen funktionieren und

irritieren also.

Wie aber

steht es mit der Übersetzung von Kosenamen für Gott?

Schaut man

auf antike Götternamen, fällt etwas auf. Viele Namen des antiken Pantheons

waren übersetzbar, weil es ihre Funktionsträger in allen möglichen Sprachen

gab. Die meisten Religionen etwa hatten einen Sonnengott. Der hieß dann Re,

Schamasch oder Helios. Das sind verschiede Anreden für das gleiche Erlebte, für

das Göttliche. Kennen Sie Memory? Das kann man mit den römischen und

griechischen Götternamen spielen. Deckt man ein Pappkärtchen mit einen

griechischen Götternamen auf, dann passt dazu ein römisches Pendant: Artemis ist Diana; Zeus ist Jupiter;

Aphrodite ist Venus und Ares ist Mars.

Die antike

Götterwelt hatte einen starken Vorteil. Die Namen der Gottheiten konnten

übersetzt werden und funktionierten in verschiedenen Settings.

Ein Kärtchen

bliebe aber bei diesem Spiel übrig: Das von Adonai. Man kann zwar die Memory

Plättchen der kanaanäischen Gottheit El oder des vorisraelischen Jerusalemer

Sonnengottes danebenlegen und Ähnlichkeiten entdecken, aber der Eigenname von

Israels Gott hat kein Memoryplättchen Pendant. Es ist ein Kernanliegen

biblischer Theologie, dass Gott für uns Menschen nicht in der Gänze begreifbar

ist. Gott bleibt der Welt stets gegenüber. Und gleichzeitig tritt er/sie doch

auch unaufhörlich mit uns in Beziehung Wir machen unsere Erfahrungen mit Gott.

Erleben Ihn abgewandt und nah. Und weil wir das so individuell erleben, können

wir auch ganz eigene Anreden und Gottesbezeichnungen für unsere Beziehung mit

Gott erfinden. Nicht zuletzt in der Anrede im persönlichen Gebet.

Musik 3: One of us

Titel: One of Us; Komposition: Eric Bazilian;

Interpretin: Joan Osborne; Album: Relish; Label: Mercury (Universal Music); LC:

00268

Autorin: Martin Luther hat in seinem berühmtesten Lied „Ein

feste Burg“ tief in eine militärische Assoziationswolke gegriffen, um

auszudrücken, wie er Gott erlebt. So wird in Gottesdiensten von Gott als „feste

Burg“ und „gute Wehr- und Waffen“ gesungen. In Anlehnung an den Psalm 46

beschreibt Luther Gott als Zuflucht und Stärke. Tastender

geht Joan Osborne vor, wenn sie singt „If God had a name, what would it be?“ Wenn Gott einen Namen

hätte, wie würde der Name klingen?

Wir können Gott

vielleicht punktuell habhaft werden, wenn wir ihn /sie so anreden, wie wir ihn

erlebt haben. So tun es ja auch die Männer und Frauen in den Psalmen. Diese

Texte, die von ganz unterschiedlichen Begegnungen mit Gott sprechen. Bei der

Lektüre dieser Texte wird noch etwas deutlich. Da werden nämlich nicht nur

euphorische Kosenamen verwendet.

Es gibt auch

Texte, die von Beziehungs- und Trennungskrisen mit Gott erzählen. Etwa in Psalm

88, wo Gott mit der Finsternis verglichen wird. Wenn ich Gebete, sozusagen

moderne Psalmen schreibe, dann überlege ich, wie ich Gott benenne: „Gott, du

nach der Krise Gewandelte“ oder „Gott, du Abgewandtheit Aushaltender“. Dann hat

Gott sich nach einer Krise verändert. Gott hat es ausgehalten, dass ich eine

Zeit lang auf Tauchstation meiner Traurigkeit war. So erlebe ich das. Eine

starke, aber wechselvollen Beziehung.

Jesus als

jüdischer Mensch hat die alten Psalmworte ebenfalls genutzt und verändert. Er

wird den Eigennamen Gottes auch nicht ausgesprochen haben. Er hat noch etwas

anderes getan. Und damit die Anrede mit Kosenamen lange vor Helmut Schmidt und

Loki salonfähig gemacht. In dem Gebet, das er damals gelehrt und weitergegeben

hat, wählt er eine ganz innige, tiefe Beziehungsanrede: „Abba“ „mein Vater,

unser Vater“. Damals und heute machen Menschen natürlich sehr unterschiedliche

Erfahrungen mit Vätern. Für Jesus ist es eine sehr persönliche Anrede an Gott

als guten, liebevollen Vater.

Mich berührt

dabei, dass Jesus mit „Abba“ ein Wort wählt, was die Kleinsten sprechen. „Mama“

oder „Papa“, das sind ja oft die ersten Worte.

Jesus, so

erzählen es die Evangelien, hat diese Anrede ja auch ganz zum Schluss -am Kreuz

gewählt: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Jesus beschreibt

sich damit als Kind. Als Kind, das seinen Geist in die Hände des Vaters legt.

Diese Bild ist für mich unendlich stark. Denn es drückt eine tiefe Zuversicht

aus: Das Vertrauen auf Geborgenheit. Im Abschied. Und die Gewissheit im Sterben

umfasst zu sein.

Und ein

zweites: Die Anrede Vater erzählt ja auch was über Gott. Mit dieser Anrede wird

Gott zum Vater. Zum Vater, der sein sterbendes Kind hält. Diese Benennung

erzählt von einem Gott, der dem Abgrund begegnet, der trauert und Höllenqualen

leidet.

Eric Clapton

musste erfahren, dass sein eigener Sohn starb. In seinem Lied „Tears in heaven“

stellt er die Frage nach den Kosenamen andersherum: „Would you know my name? If

I see you in Heaven?“ Wenn ich dir da oben im Himmel begegne, erkennst du mich

dann wieder? Weißt du dann, wie ich heiße? Diese Frage, an seinen Sohn Conor

gerichtet, ist auch unsere Frage an Gott. Weiß er meinen Namen? Kann ich wie

Jesus darauf vertrauen, dass alle unsere Namen bei ihm ins Buch des Lebens

geschrieben sind?

Musik 4: Tears

in heaven

Titel: Tears In Heaven; Komposition: Eric

Clapton & Will Jennings; Interpret: Eric Clapton; Album: Clapton

Chronicles – The Best Of; Label: Warner Bros. Records (Warner); LC: 00392

Autorin: „Vater unser“ Zu den Kosenamen gehört oft ein zweiter

Schuh, damit ein Paar draus wird. Das Possessivpronomen. Dieses

besitzanzeigende Fürwort verwenden wir, um eine Zugehörigkeit auszudrücken.

„Mein Herz“ oder „mein Liebster“.

Und bei

Jesus Gebetsanrede ist ja interessant, dass er nicht mein Vater sagt, sondern

den gewählten Kosenamen „Abba / Vater“ mit einem „unser“ kombiniert. „Vater

unser im Himmel“.

Damit macht

Jesus für mich eine Tür auf. Er nimmt uns, die wir diese Worte sprechen, mit

hinein. Hinein in einen Namens- und Klangraum. Hinein in einen Erinnerungs- und

Hoffnungsraum. Hinein in einen Raum, der von Nähe und Beziehung und Vertrauen

erzählt. Wenn wir mit Jesu Worten auf den Lippen in diesen Beziehungsraum

treten, dann vollzieht sich etwas. Wir werden zu einer Gemeinschaft. Wir werden

im gemeinsamen Anreden zu Geschwistern. Jesus ist unser Bruder.

Für mich ist

es genial, was Jesus mit diesen zwei Worten schafft. Er verbindet uns

miteinander und mit Gott.

Ich spreche

mit diesen zwei Worten aus, was unsere Existenz ausmacht. Wir stehen in

Beziehung zu unserem Gott und wir sind in Beziehung zu den Menschen, die auf

dieser Welt neben uns unterwegs sind. Das ist meine Erfahrung.

Ich weiß,

diese Bezeichnungen haben auch ihre Grenzen. Für Menschen mit anderen

Erfahrungen mögen diese familiären Kosenamen zwiespältig sein. Wer ein

Elternteil schmerzlich vermisst oder in der eigenen Familie verletzt worden

ist, hat andere Erfahrungen.

Und ein

wenig mag der Vergleich mit dem Kosenamen auch hinken. Denn von meinem Liebsten

kenne ich den Namen. Und auch von der Person, die ich als Mutter, Liebste oder

Omi anrede. Von Gott aber kenne ich den Namen nicht. Das Tetragramm, das

Adonai, ist und bleibt eine Annäherung. Und all die Kosenamen der Gebete, die

Bennungen der Psalmen, sind und bleiben immer Näherungsversuche. Dahinter

steht, was Menschen persönlich erfahren haben. Denn Gott bleibt auch fremd und

unverfügbar. Sie tröstet nicht nur wie eine liebende Mutter, er hilft nicht nur

wie ein guter Vater.

Und so

verstehe ich die Worte, die Jesus sofort dem Possessivpronomen und Kosenamen

folgen lässt. „Vater unser, geheiligt werde dein Name“ so geht das Gebet

weiter. Wir sprechen eine Beziehung aus und formulieren gleichzeitig die

Unverfügbarkeit. Mal ist Gott uns nah und mal erscheint er unnahbar und fremd.

Wir begegnen Gott als Beziehungswesen und wir erkennen gleichzeitig seine

Fremdheit an. Diese Spannung bleibt.

Das wiederum

ist dann doch so wie bei den ganz weltlichen Kosenamen. Und damit meine ich

nicht die Momente, in denen man statt des Kosenamens lieber eine andere Anrede

verwenden würde. Ich meine damit vielmehr, dass der oder die Angesprochene,

dass mein „Herz“ oder mein Liebster, auch immer mehr ist als diese Worte sagen

können.

Loki Schmidt

war auch immer mehr als Loki Schmidt, die von Helmut Schmidt so genannte

Ehefrau. Sie hatte nämlich noch einen anderen Spitznamen. „Schmeling“. Wie Max

Schmeling, der Boxer. Diesen Spitznamen trug die im Jahre 1919 geborene

Hannelore Glaser als junges Mädchen, weil sie – so die Selbstauskunft –

"gut zuschlagen konnte“. Es hat sich dann allerdings Loki durchgesetzt und

nicht Schmeling. Eine boxende Bundeskanzleringattin – das gehörte sich nicht.

Hannelore Loki Schmeling Schmidt – diese vollständigere Anrede zeichnet gleich

ein anderes Bild. Und so ist es auch mit den Kosenamen Gottes, sie sagen etwas

über unsere Beziehungserfahrung mit Gott aus. Und gleichzeitig bleibt es dabei:

Zu Gott und jedem Menschen gehört etwas Geheimnisvolles.

Dass Sie

gute Erfahrungen machen in dieser Beziehung mit Gott, wünscht Ihnen Frauke

Wagner, Pfarrerin aus Herford.

Musik 5: Have a Talk With God

Titel: Have a Talk With God; Komposition: Stevie

Wonder; Interpretin: Ida Sand; Album: The Gospel Truth (Bonus Track Version);

Label: Act (Edel); LC: 07644.

Redaktion:

Landespfarrer

Dr. Titus Reinmuth

  • 11.9.2022
  • Frauke Wagner
  • © CCO Pixabay