Autorin: Loki – erinnern Sie sich? Das war der
Kosename von Hannelore Schmidt. Den hatte sie übrigens schon vor der Verbindung
mit Helmut Schmidt. Der frühere Bundeskanzler hat „Loki“ nicht nur zuhause so
genannt, sondern den Kosenamen auch öffentlich gebraucht und so quasi
salonfähig gemacht. Und er hat etwas Zweites damit getan. Wenn er sie so
nannte, hat er damit gezeigt: Wir beide gehören zusammen, wir sind verbunden.
Denn Kosenamen drücken eine besondere Zugehörigkeit aus. Paare, Eltern und
Kinder, Freundinnen und Freunde, ArbeitskollegInnen können damit sagen: Du
gehörst zu mir. Wir gehören zusammen.
Alle möglichen Menschen benutzen Kose- und Spitznamen, wenn sie miteinander
reden. Verniedlichungsformen wie Lenchen oder die Ergänzung mit einem -i wie
bei Rubi oder Mami gehören dazu, Tiernamen wie Bärchen und Hasi oder eben neue
Wortschöpfungen wie Loki.
Manche
Familie gibt auch ihrem Auto einen Kosenamen. Stadtvölker necken etwa ihre
Bauten zärtlich. So wie die Berliner, die die Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche liebevoll als Hohlen Zahn bezeichnen.
Diesen Kose-
und Spitznamen ist gemein, dass sie etwas schwer Fassbares in Buchstaben und Worte
fassen. Sie bilden einen Begriff für einen Teil der Wirklichkeit. Diese Titel
und Benennungen erzählen davon, dass es da eine Beziehung gibt. Zwischen Helmut
und Loki, zwischen Omi und ihrer Enkelin, zwischen den Berlinerinnen und ihrer
Gedächtniskirche. Übrigens auch zwischen Gott und Mensch. Auch das ist eine
Beziehung, und auch hier gibt es Namen.
Benutzen Sie
auch einen Kosenamen, wenn Sie jetzt beim Radio hören frühstücken und nach der
Butter fragen? Gab es jemanden, der Ihnen einen Kosenamen gegeben hat? Ein
Name, den nur er oder sie benutzt hat? Ein Name, der Sie beide jedes Mal
verbindet und deutlich macht: „ich bin froh, dass du da bist“?
Musik 1: The
Look of Love
Titel: The
Look of Love; Komposition: Burt Bacharach; Interpret: Chris Botti; Album: A
Thousand Kisses Deep; Label: Sony
Music Entertainment; LC: 02604
Autorin: Namen und Kosenamen: Wie mache ich das
eigentlich bei Gott? „Lieber Gott“ – so fangen die Gebete an, die ich mit
meinem Kind vor dem Einschlafen bete. „Vater unser“ bete ich in der Kirche –
oder am Grab. Wann spreche ich Gott überhaupt an? Und wie? Was sagt das über
unsere Beziehung? „Danke, guter Gott“, das geht mir leicht über die Lippen,
wenn ich erfüllt bin. Und wenn nicht? Was, wenn ich eine Krise durchmache und
Gott mir fremd wird?
In den
biblischen Schriften gibt es tatsächlich viele Kosenamen für Gott. Der Name
Gottes hingegen wird nicht ausgeschrieben. Aus Ehrfurcht und Demut. Dafür gibt
es jede Menge Umschreibungen, wie Gott für die Menschen ist und wie sie ihn
wahrnehmen. Im Gebetbuch der Bibel, den Psalm, wird Gott ganz unterschiedlich
angesprochen – etwa als Fels, Retter, Helferin, Mutter, Hirte.
Und diese
Worte sind ja auch so etwas wie „Kosenamen“ für Gott?
Wenn wir von
Gott sprechen und ihm Namen geben, treten wir dann mit ihm in Beziehung? In
eine Liebesbeziehung gar?
Im Islam hat
sich eine Tradition durchgesetzt, die von den 99 Namen Gottes spricht. Jeder
dieser Namen steht im Islam für eine Eigenschaft Allahs. Bezeichnungen wie der
Schöpfer oder der Barmherzige sind der christlichen Gebetssprache und Anrede
ganz nah. Wenn ich Gott im Gebet als Allmächtige oder Barmherzigen anspreche,
dann ist viel mehr enthalten als bloß die Anrede.
Gott, „der
du das Feinste in allen Dimensionen erfasst“, so einer der 99 Namen. Das
erzählt doch von Beziehungserfahrungen zwischen Gott und der betenden Person
(al-La??f Nr 30).
Diese Kosenamen
sind
Annäherungsversuche. In der jüdisch-christlichen Tradition gilt ein Vorbehalt:
Der Name Gottes wird nicht ausgesprochen. In der Schriftform steht das
Tetragramm JHWH. Diese vier Konsonanten, die in jüdischer Tradition mit
„Adonai“ ausgesprochen werden.
Es ist eine
interessante Tradition, dass es bei diesem Gottesnamen so eine Gespanntheit
zwischen Schrift und Aussprache gibt. Das Auge sieht und liest vier Konsonanten
J-H-W-H. Die Zunge spricht aber „Adonai“ aus.
So wird
etwas genannt und gleichzeitig bleibt etwas verborgen. Das ist
spannend.
Musik 2: The
Time of my life
Titel: (I’ve
Had) The Time of My Life; Komposition: Franke Previte, John DeNicola &
Donald Markowitz; Interpreten: Bill Medley & Jennifer Warnes; Album: Dirty
Dancing (Original Motion Picture Soundtrack); Label: RCA Records Label; LC: 00316
Autorin: Baby – so sagt Jonny, gespielt von
Patrick Swayze, zu seiner Tanzpartnerin Frances.
Dass
Amerikaner und Briten ihre Herzallerliebste gerne "Babe" oder
"Honey" nennen, wissen wir nicht erst seit dem Film „Dirty Dancing“.
Neben diesen klassischen Formen gibt es witzige Konstruktionen. So wie in den
Niederlanden. Da wird der Partner gerne mal nach der Lieblingssüßigkeit
"Dropje", also Lakritze benannt. Wundern kann man sich auch über den
Kosenamen von Prinz Phillipp zu seiner Lilibeth. Man munkelt, neben der
Verniedlichungsform von Elisabeth habe er sie auch gerne mit Kohlkopf,
Englisch: „Cabbage“ angesprochen. Eventuell hat der sprachgewandte Prinzgemahl
sich dabei auf den französischen Kosenamen "mon petit chou“ berufen. Oder es gibt eine ganz eigene gemeinsame
Erinnerung, die mit Kohlköpfen zu tun hat. Übersetzungen funktionieren und
irritieren also.
Wie aber
steht es mit der Übersetzung von Kosenamen für Gott?
Schaut man
auf antike Götternamen, fällt etwas auf. Viele Namen des antiken Pantheons
waren übersetzbar, weil es ihre Funktionsträger in allen möglichen Sprachen
gab. Die meisten Religionen etwa hatten einen Sonnengott. Der hieß dann Re,
Schamasch oder Helios. Das sind verschiede Anreden für das gleiche Erlebte, für
das Göttliche. Kennen Sie Memory? Das kann man mit den römischen und
griechischen Götternamen spielen. Deckt man ein Pappkärtchen mit einen
griechischen Götternamen auf, dann passt dazu ein römisches Pendant: Artemis ist Diana; Zeus ist Jupiter;
Aphrodite ist Venus und Ares ist Mars.
Die antike
Götterwelt hatte einen starken Vorteil. Die Namen der Gottheiten konnten
übersetzt werden und funktionierten in verschiedenen Settings.
Ein Kärtchen
bliebe aber bei diesem Spiel übrig: Das von Adonai. Man kann zwar die Memory
Plättchen der kanaanäischen Gottheit El oder des vorisraelischen Jerusalemer
Sonnengottes danebenlegen und Ähnlichkeiten entdecken, aber der Eigenname von
Israels Gott hat kein Memoryplättchen Pendant. Es ist ein Kernanliegen
biblischer Theologie, dass Gott für uns Menschen nicht in der Gänze begreifbar
ist. Gott bleibt der Welt stets gegenüber. Und gleichzeitig tritt er/sie doch
auch unaufhörlich mit uns in Beziehung Wir machen unsere Erfahrungen mit Gott.
Erleben Ihn abgewandt und nah. Und weil wir das so individuell erleben, können
wir auch ganz eigene Anreden und Gottesbezeichnungen für unsere Beziehung mit
Gott erfinden. Nicht zuletzt in der Anrede im persönlichen Gebet.
Musik 3: One of us
Titel: One of Us; Komposition: Eric Bazilian;
Interpretin: Joan Osborne; Album: Relish; Label: Mercury (Universal Music); LC:
00268
Autorin: Martin Luther hat in seinem berühmtesten Lied „Ein
feste Burg“ tief in eine militärische Assoziationswolke gegriffen, um
auszudrücken, wie er Gott erlebt. So wird in Gottesdiensten von Gott als „feste
Burg“ und „gute Wehr- und Waffen“ gesungen. In Anlehnung an den Psalm 46
beschreibt Luther Gott als Zuflucht und Stärke. Tastender
geht Joan Osborne vor, wenn sie singt „If God had a name, what would it be?“ Wenn Gott einen Namen
hätte, wie würde der Name klingen?
Wir können Gott
vielleicht punktuell habhaft werden, wenn wir ihn /sie so anreden, wie wir ihn
erlebt haben. So tun es ja auch die Männer und Frauen in den Psalmen. Diese
Texte, die von ganz unterschiedlichen Begegnungen mit Gott sprechen. Bei der
Lektüre dieser Texte wird noch etwas deutlich. Da werden nämlich nicht nur
euphorische Kosenamen verwendet.
Es gibt auch
Texte, die von Beziehungs- und Trennungskrisen mit Gott erzählen. Etwa in Psalm
88, wo Gott mit der Finsternis verglichen wird. Wenn ich Gebete, sozusagen
moderne Psalmen schreibe, dann überlege ich, wie ich Gott benenne: „Gott, du
nach der Krise Gewandelte“ oder „Gott, du Abgewandtheit Aushaltender“. Dann hat
Gott sich nach einer Krise verändert. Gott hat es ausgehalten, dass ich eine
Zeit lang auf Tauchstation meiner Traurigkeit war. So erlebe ich das. Eine
starke, aber wechselvollen Beziehung.
Jesus als
jüdischer Mensch hat die alten Psalmworte ebenfalls genutzt und verändert. Er
wird den Eigennamen Gottes auch nicht ausgesprochen haben. Er hat noch etwas
anderes getan. Und damit die Anrede mit Kosenamen lange vor Helmut Schmidt und
Loki salonfähig gemacht. In dem Gebet, das er damals gelehrt und weitergegeben
hat, wählt er eine ganz innige, tiefe Beziehungsanrede: „Abba“ „mein Vater,
unser Vater“. Damals und heute machen Menschen natürlich sehr unterschiedliche
Erfahrungen mit Vätern. Für Jesus ist es eine sehr persönliche Anrede an Gott
als guten, liebevollen Vater.
Mich berührt
dabei, dass Jesus mit „Abba“ ein Wort wählt, was die Kleinsten sprechen. „Mama“
oder „Papa“, das sind ja oft die ersten Worte.
Jesus, so
erzählen es die Evangelien, hat diese Anrede ja auch ganz zum Schluss -am Kreuz
gewählt: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Jesus beschreibt
sich damit als Kind. Als Kind, das seinen Geist in die Hände des Vaters legt.
Diese Bild ist für mich unendlich stark. Denn es drückt eine tiefe Zuversicht
aus: Das Vertrauen auf Geborgenheit. Im Abschied. Und die Gewissheit im Sterben
umfasst zu sein.
Und ein
zweites: Die Anrede Vater erzählt ja auch was über Gott. Mit dieser Anrede wird
Gott zum Vater. Zum Vater, der sein sterbendes Kind hält. Diese Benennung
erzählt von einem Gott, der dem Abgrund begegnet, der trauert und Höllenqualen
leidet.
Eric Clapton
musste erfahren, dass sein eigener Sohn starb. In seinem Lied „Tears in heaven“
stellt er die Frage nach den Kosenamen andersherum: „Would you know my name? If
I see you in Heaven?“ Wenn ich dir da oben im Himmel begegne, erkennst du mich
dann wieder? Weißt du dann, wie ich heiße? Diese Frage, an seinen Sohn Conor
gerichtet, ist auch unsere Frage an Gott. Weiß er meinen Namen? Kann ich wie
Jesus darauf vertrauen, dass alle unsere Namen bei ihm ins Buch des Lebens
geschrieben sind?
Musik 4: Tears
in heaven
Titel: Tears In Heaven; Komposition: Eric
Clapton & Will Jennings; Interpret: Eric Clapton; Album: Clapton
Chronicles – The Best Of; Label: Warner Bros. Records (Warner); LC: 00392
Autorin: „Vater unser“ Zu den Kosenamen gehört oft ein zweiter
Schuh, damit ein Paar draus wird. Das Possessivpronomen. Dieses
besitzanzeigende Fürwort verwenden wir, um eine Zugehörigkeit auszudrücken.
„Mein Herz“ oder „mein Liebster“.
Und bei
Jesus Gebetsanrede ist ja interessant, dass er nicht mein Vater sagt, sondern
den gewählten Kosenamen „Abba / Vater“ mit einem „unser“ kombiniert. „Vater
unser im Himmel“.
Damit macht
Jesus für mich eine Tür auf. Er nimmt uns, die wir diese Worte sprechen, mit
hinein. Hinein in einen Namens- und Klangraum. Hinein in einen Erinnerungs- und
Hoffnungsraum. Hinein in einen Raum, der von Nähe und Beziehung und Vertrauen
erzählt. Wenn wir mit Jesu Worten auf den Lippen in diesen Beziehungsraum
treten, dann vollzieht sich etwas. Wir werden zu einer Gemeinschaft. Wir werden
im gemeinsamen Anreden zu Geschwistern. Jesus ist unser Bruder.
Für mich ist
es genial, was Jesus mit diesen zwei Worten schafft. Er verbindet uns
miteinander und mit Gott.
Ich spreche
mit diesen zwei Worten aus, was unsere Existenz ausmacht. Wir stehen in
Beziehung zu unserem Gott und wir sind in Beziehung zu den Menschen, die auf
dieser Welt neben uns unterwegs sind. Das ist meine Erfahrung.
Ich weiß,
diese Bezeichnungen haben auch ihre Grenzen. Für Menschen mit anderen
Erfahrungen mögen diese familiären Kosenamen zwiespältig sein. Wer ein
Elternteil schmerzlich vermisst oder in der eigenen Familie verletzt worden
ist, hat andere Erfahrungen.
Und ein
wenig mag der Vergleich mit dem Kosenamen auch hinken. Denn von meinem Liebsten
kenne ich den Namen. Und auch von der Person, die ich als Mutter, Liebste oder
Omi anrede. Von Gott aber kenne ich den Namen nicht. Das Tetragramm, das
Adonai, ist und bleibt eine Annäherung. Und all die Kosenamen der Gebete, die
Bennungen der Psalmen, sind und bleiben immer Näherungsversuche. Dahinter
steht, was Menschen persönlich erfahren haben. Denn Gott bleibt auch fremd und
unverfügbar. Sie tröstet nicht nur wie eine liebende Mutter, er hilft nicht nur
wie ein guter Vater.
Und so
verstehe ich die Worte, die Jesus sofort dem Possessivpronomen und Kosenamen
folgen lässt. „Vater unser, geheiligt werde dein Name“ so geht das Gebet
weiter. Wir sprechen eine Beziehung aus und formulieren gleichzeitig die
Unverfügbarkeit. Mal ist Gott uns nah und mal erscheint er unnahbar und fremd.
Wir begegnen Gott als Beziehungswesen und wir erkennen gleichzeitig seine
Fremdheit an. Diese Spannung bleibt.
Das wiederum
ist dann doch so wie bei den ganz weltlichen Kosenamen. Und damit meine ich
nicht die Momente, in denen man statt des Kosenamens lieber eine andere Anrede
verwenden würde. Ich meine damit vielmehr, dass der oder die Angesprochene,
dass mein „Herz“ oder mein Liebster, auch immer mehr ist als diese Worte sagen
können.
Loki Schmidt
war auch immer mehr als Loki Schmidt, die von Helmut Schmidt so genannte
Ehefrau. Sie hatte nämlich noch einen anderen Spitznamen. „Schmeling“. Wie Max
Schmeling, der Boxer. Diesen Spitznamen trug die im Jahre 1919 geborene
Hannelore Glaser als junges Mädchen, weil sie – so die Selbstauskunft –
"gut zuschlagen konnte“. Es hat sich dann allerdings Loki durchgesetzt und
nicht Schmeling. Eine boxende Bundeskanzleringattin – das gehörte sich nicht.
Hannelore Loki Schmeling Schmidt – diese vollständigere Anrede zeichnet gleich
ein anderes Bild. Und so ist es auch mit den Kosenamen Gottes, sie sagen etwas
über unsere Beziehungserfahrung mit Gott aus. Und gleichzeitig bleibt es dabei:
Zu Gott und jedem Menschen gehört etwas Geheimnisvolles.
Dass Sie
gute Erfahrungen machen in dieser Beziehung mit Gott, wünscht Ihnen Frauke
Wagner, Pfarrerin aus Herford.
Musik 5: Have a Talk With God
Titel: Have a Talk With God; Komposition: Stevie
Wonder; Interpretin: Ida Sand; Album: The Gospel Truth (Bonus Track Version);
Label: Act (Edel); LC: 07644.
Redaktion:
Landespfarrer
Dr. Titus Reinmuth