Guten Morgen.
Wenn Jesus zu seinen
Lebzeiten gefragt worden ist, „wie ist das mit Gott“, „wie ist das mit dem
Himmel?“, „wie sollen wir uns Gerechtigkeit vorstellen?“, dann hat er mit
kleinen Geschichten aus dem Alltag seiner Zuhörer geantwortet.
Dabei vergleicht er zum Beispiel das Himmelreich mit einem Schatz, den ein
Bauer findet. Oder er erzählt von der Hausfrau, die eine Perle verloren hat,
vom Vater und seinen Kindern und so weiter. Geschichten, die die Leute
verstehen können, weil sie aus ihrem Alltag sind. Das nennt man die
Gleichnisse.
Jesus selber ist
vermutlich Bauhandwerker gewesen, jedenfalls war das sein Vater Joseph. Und
höchst wahrscheinlich hat Jesus, wie es damals üblich gewesen ist, bei seinem
Vater gelernt. Und nun ist es auffällig, wie wenig Gleichnisse Jesus aus dem
Bauhandwerk erzählt. Läge das nicht nahe, öfter aus seinem eigenen Fachgebiet
zu erzählen?
Vielleicht will Jesus
einfach die Welt der Zuhörer aufgreifen und nicht seine eigene. Kann sein. Aber
ich persönlich liebe folgende Theorie.
Folgen Sie mir dazu
auf eine Baustelle, auf der Joseph mit dem 12-jährigen Jesus arbeitet. Joseph
hämmert, schleift, schleppt Steine, und Jesus läuft neben ihm her und fragt ihm
Löcher in den Bauch. Spricht über Gott, über den Himmel, entwickelt Theorien
und sagt: „Was meinst Du, Vater?" Und Joseph sagt: „Junge guck hin, was du
machst! Konzentrier dich jetzt auf die Arbeit“. Aber Jesus kann nicht. Er ist
woanders.
Und abends sagt Joseph
zu Maria: „Der hat wirklich zwei linke Hände, unser Sohn. Ein guter
Bauhandwerker wird der nie und nimmer.“
Und Maria sagt: „Wundert
dich das? Der Junge hat den göttlichen Funken in sich, das wissen wir doch vom
ersten Tag an. Der muss was anderes machen.“
Und eines Tages kommt
Jesus und sagt: „Lasst mich gehen. In die Wüste, nach Jerusalem, ich muss meine
Bestimmung finden.“
Und sie lassen ihn
gehen. Und viele Jahre bleibt er weg. Meditiert in der Wüste, hört anderen
Theologen zu, lernt und findet seinen eigenen Stil.
Nach vielen Jahren
kommt er nach Nazareth zurück. Er hat seinen Weg gefunden. Er geht von Dorf zu
Dorf und sucht die Leute in ihrem Alltag auf. Und predigt auch so: mit
Gleichnissen aus ihrem Alltag
Und er sieht Joseph
in der Menge stehen und ihm zuliebe erzählt er: „Wer sein Vertrauen nicht auf
Gott, sondern auf andere Dinge setzt, der gleicht einem Handwerker, der ein
Haus auf Sand baut. Als der Sturm kommt, fällt es um.“
Und Joseph denkt:
„Deine Häuser ganz bestimmt!“
Und Jesus denkt: „Die
Beispiele aus dem Bauhandwerk lass ich mal lieber weg.“
Viele sagen: Jesus
war ein guter Mensch und ein weiser Lehrer. Für mich ist er Gottes Sohn und ein
genialer Vermittler der Liebe Gottes auf Erden – nicht nur durch seine guten Geschichten.
Und: Er war vermutlich
ein richtig schlechter Handwerker.
Das macht ihn doch erst
so richtig menschlich und sympathisch, oder?
Einen guten Tag wünscht Ihnen, Pfarrer Klaus Künhaupt aus Essen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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