Ostern war ich bei meinem
Patenkind Finn. „Ich muss dir unbedingt eine Geschichte erzählen“, ruft er,
zeigt mir seine Kinderbibel und erzählt mir die ganze Geschichte von Jesus und
Ostern und wie er gestorben und nach drei Tagen wiedergekommen ist. „Da ist das
Grab, und das ist leer“, ruft Finn und zeigt auf ein Bild. Ich weiß nicht, wann
ich die Geschichte das letzte Mal gehört habe, aber in dem Moment merke ich:
Ich brauch die. Diese abgedrehte Geschichte von einem, der vom Tod aufersteht.
Ich brauch sie, damit ich neu
daran glauben kann, dass irgendwann wieder Leute in der Innenstadt von der
ukrainischen Stadt Bucha in der Sonne spazieren und Eis essen werden.
Ich brauch sie, damit ich
weiter hoffen kann, dass unsere Erde sich von dem ganzen Mist, den wir hier anstellen,
wieder erholen wird.
Ich brauch sie, weil sie mir
erzählt, dass ich mit meinem Vater nach diesem letzten großen Krach irgendwann
wieder normal reden kann.
Ich brauch sie, weil ich mir
wünsche, dass meine Mitbewohnerin nach Zusammenbruch und Klinik irgendwann
wieder an unserem Küchentisch sitzt und lacht.
Vorstellen kann ich mir das
alles nicht. Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Aber das weiß ich bei Ostern
ja auch nicht.
„Sag mal, hörst du mir
eigentlich zu?“ fragt Finn streng, als er merkt, dass ich in Gedanken woanders
bin. „Sorry“, sag ich, „tut mir leid. Magst du mir das nochmal erzählen?“
„Wenn‘ sein muss“, stöhnt
Finn, und er hat ja so recht.
Sprecher: Jan Primke
Redaktion: Daniel Schneider
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