Gartenparadies

Kirche in WDR2 | 26.08.2022 | 00:00 Uhr

Ich

besuche meine Freundin in ihrem Schrebergarten, ein kleines „Paradies“. Und

lausche ihren Ausführungen. Auch jetzt im August kann man noch Einiges gut

pflanzen: Feldsalat zum Beispiel, Zwiebeln, Radieschen,

sogar Rhabarber.

Und das ist das Drei

Schwestern Beet“, sagt sie. Gibt es schon seit Urzeiten. Mais, Bohnen und

Kürbis werden ganz nah beieinander angebaut. „Warum Drei Schwestern Beet“,

fragen Sie?

Ganz einfach: Der Mais dient

als Kletterstange für die Bohnen. Die Bohnen wiederum düngen den Boden mit

Stickstoff. Und der Kürbis mit seinen großen Blättern hält die Feuchtigkeit am

Boden und zugleich die Schädlinge ab.

So komplex – so simpel – so

funktioniert Leben. Einer für den anderen und alle profitieren. Die Methode

heißt übrigens auch „Indianerbeet“. Auch das habe ich gelernt. Die Ureinwohner

Nordamerikas haben diese Pflanzkultur entwickelt.

Die Bewahrung der Schöpfung

ist ein Kernanliegen fast aller Religionen. Und gerade die sogenannten „Naturreligionen“,

also die, die sehr nah und im Einklang mit der Natur leben, haben sich dieses

Wissen bewahrt. Ein Wissen, von dem wir heute ehrfürchtig lernen können: Die

Natur bietet alles, was das Leben braucht. Ich muss nur lernen, genauer

hinzuschauen. Und ich kann staunend erleben, wie sich die Dinge sinnvoll

zusammenfügen.

Im Paradies meiner Freundin

lerne ich, wie sich Erdbeeren und Zwiebeln unterstützen. Dass Kapuzinerkresse

neben Kartoffeln Ungeziefer fernhält. Das lehrt aber auch: Da, wo wir

Zusammenhänge lösen, wie in unseren großen Monokulturen, da mag das Leben für

einen Augenblick effektiver werden, ertragreicher. Aber auf Dauer ist es das

nicht. Eher das Gegenteil.

„Seht die Blumen auf dem

Felde“, sagt Jesus in der Bergpredigt (Matthäus 6). „Seht, wie die Blumen

wachsen, sie arbeiten nicht, und der himmlische Vater ernährt sie doch“. Komischer

Satz. Blumen arbeiten nicht – oder doch? Im Paradies meiner Freundin – Bohnen,

Mais und Kürbis vor Augen – wird mir klar, was Jesus sagen will: Dass das Leben

gedeiht, manchmal sogar wie von selbst, wenn wir der Schöpfung ihren Raum

geben. Nur so können Pflanzen, Menschen und Tiere sich gegenseitig unterstützen

mit dem, was sie können. Wofür sie gut sind und was anderen hilft, zu

überleben.

Darum geht`s. Räume zu pflegen

und zu kultivieren, wo das Leben sich gegenseitig bestärkt, ergänzt, beschützt.

Wie im „Drei Schwestern Beet“ Mais, Bohnen und Kürbis.

Ok, ich habe jetzt selbst

kein eigenes Gartenparadies. Aber ich kann darüber nachdenken, wo ich

sinnvoll wirken kann. Ich kann zum Beispiel Menschen zusammenbringen, also

miteinander verbinden, die sich gegenseitig unterstützen. Sei es Freundinnen

und Freunde, Familienangehörige, Kolleginnen und Kollegen, Nachbarn. Und mache

somit das Leben schöner und fruchtbarer. So verstehe ich den Auftrag, die

Schöpfung zu bewahren.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59029_WDR220220826Gerhardt.mp3

  • 26.8.2022
  • Joachim Gerhardt
  • Foto: cco Pixabay
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