Die Ferienzeit ist eine besondere. Wenn man Urlaub hat, ticken die
Uhren einfach anders. Gestern habe ich eine Tageszeitung aufgeschlagen, die war
eine Woche alt. Müssen Sie mal machen! Sie werden sich über die Halbwertzeit
von Nachrichten totlachen. Auf einmal ist der Druck aus dem Kessel. Vielleicht
sollten wir Zeitungen (wer noch eine bekommt) grundsätzlich erst nach einer
Woche und dann rückwärts lesen. Es hätte was Meditatives. Alles relativiert
sich. Wir könnten vermutlich besser schlafen, tiefer durchatmen und uns über
Dinge freuen, die sich wie von selbst erledigt haben.
Im Alltag besetzen die digitalen Medien unsere Köpfe und unsere Zeit.
Dabei korrespondiert ihre Beschleunigung mit ständig neuen Anforderungen unter
den Vorzeichen: Time is money! Und: Bloß nicht nachdenken!
Angesichts dessen, dass unser aller Zeit begrenzt ist, lohnt es
sich aber durchaus, über den Umgang mit ihr nachzudenken. Ihre Beschleunigung
bringt jedenfalls nicht mehr Lebensqualität. Im Gegenteil. Ich habe immer sehr
viel gerödelt, bis mir plötzlich die Begrenztheit meines Tuns durch eine
Krankheit bewusst gemacht wurde. Diese Erfahrung hat für mich zu mehr Selbstbestimmtheit,
Intensität und – Dankbarkeit geführt. Überhaupt: Ich glaube, unser Leben würde
anders und zu einer größeren Zufriedenheit verlaufen können, wenn wir seine
Begrenztheit realisieren. Tod wäre dann nicht einfach das Ende, sondern könnte
der Ausgangspunkt für eine neue Sichtweise auf das Leben sein.
Mir ist schon klar, dass man nach dem Urlaub das Fließband in der
Fabrik nicht heimlich manipulieren und „entschleunigen“ kann. Das Smartphone
werde ich auch nicht in die Tonne kloppen. Und die an mich gestellten Aufgaben
kann ich auch nicht erst eine Woche später abliefern. Vielleicht geht es im
Alltag mehr um eine bewusstere Haltung zu dem, was ich tue und um die Frage,
was ich noch vom Leben erwarte. Dann könnte die Urlaubszeit, wo ich selbst Chefin
/ Chef meiner Zeit bin, zu einem kreativen Selbstversuch werden. Ohne
Zeitdruck, liebevoll und mit Spaß experimentiere ich damit, was guttut! Mir und
den anderen um mich herum. Vielleicht kann ich so mehr in den Alltag retten,
als ein paar Fotos und ein bisschen gebräunte Haut.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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