Guten
Morgen!
Wir
sind im Urlaub in Norwegen. Heute geht’s mit einem Bus und einer Reiseführerin
auf die Lofoten. Im Fischerdort Stamsund fahren wir an einer Kirche vorbei. Die
meisten Kirchen in Norwegen sind aus Holz. Diese ist anders. Sie ist weiß und
aus Beton. Fast trotzig und protzig steht sie da mit ihrer eckigen und kantigen
Form. Knapp hundert Jahre alt ist sie. (1) Von den Einheimischen wird sie auch
Kraftwerk genannt. Abends, als wir zurück auf unserem Schiff sind, schreibe ich
in mein Reisetagebuch: „Keine schlechte Bezeichnung. Muss ich mir merken.“
Nun
haben wir ja zu Kraftwerken ein eher schwieriges Verhältnis, wenn in ihnen
klimaschädlich Energie erzeugt wird. Aber als Bezeichnung für eine Kirche finde
ich das schon sehr reizvoll. Ein Ort, von dem Energie ausgeht, wo man Kraft
tanken kann, wo man ermutigt wird und erfüllt seinen Weg weitergeht. Das haben
Menschen schon oft erlebt.
Ich
erinnere mich an ein Interview mit Joachim Gauck, dem früheren
Bundespräsidenten, zum Tag der deutschen Einheit. Er steht damals in der
Rostocker Marienkirche. Vor der Wende 1989 haben sich dort jeden Donnerstag
sehr viele Menschen zu Friedensgebeten versammelt und für die Erneuerung der
Gesellschaft gebetet. Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen DDR-Bürgerinnen und Bürger viele
ihrer Nöte, Sorgen und Anliegen in einem geschützten Raum aussprechen konnten.
Für Joachim Gauck und alle, die dort zusammenkamen, war das wirklich ein
Kraftort. „Das Wichtigste war“, so Gauck dann im Interview, „das Wichtigste war,
dass wir unsere Angst verlieren konnten. Wir mussten uns gegenseitig ermutigen.
Man kann Ängste nicht wegzaubern, aber zähmen und Mut und Entschlossenheit
fassen.“ (2)
Menschen brauchen Orte, an denen sie Kraft
schöpfen können, wo sie erfüllt werden, wenn sie leer und ausgebrannt sind, wo
sie zur Ruhe kommen, wo eine Quelle der Hoffnung und Zuversicht sprudelt. Solche
Orte finde ich in der Natur, an alten, vielleicht sagenumwobenen Plätzen. Und
vor allem können Kirchen für mich solche Kraftorte sein. Wie gut tut es
manchmal, wenn ich den Trubel des Alltags hinter mir lasse und mich in der
Kirchenbank der Stille überlasse und in den Raum eintauche, der mich umgibt.
Dann ordnen sich vielleicht meine Gedanken und ich sehe weiter. Und wenn ich
dort im Gottesdienst gemeinsam mit anderen bete, singe und höre, dann spüre ich
manchmal, dass ich richtig erfüllt bin. Die Gemeinschaft, die ich dort erlebe,
tut mir einfach gut.
Vielleicht
haben Sie ja Lust, das einfach mal auszuprobieren.
Einen
guten Tag wünscht Ihnen Pfarrerin Annette Krüger aus Witten.
(1)
https://en.wikipedia.org/wiki/Stamsund_Church (letzter
Abruf: 25.03.23)
(2)
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/gauck-deutsche-einheit-100.html
(Letzter
Aufruf: 23.02.2023)
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60887_WDR3520230422Krueger.mp3