Und, wie geht es Ihnen so
kurz vor Weihnachten? Haben Sie schon Bauchschmerzen von wegen all der Menschen, die
Sie jetzt in den Weihnachtstagen treffen müssen, wollen, oder sollen? Weil es
sich so gehört. Weil man doch schließlich eine Familie ist.
Falls Sie eine heile Familie
sind. Eine bei der alles funktioniert. Das mit den Kindern, den Eltern, den
Schwiegereltern, den Cousins und Cousinen. Glückwunsch!
Denn: Weihnachten ist bei vielen
Familien extrem stressig. Plötzlich soll alles harmonisch sein.
Ich habe jetzt einen Trick.
Ich tue so als, würde ich von einem anderen Stern kommen und bestaune diese mir
zum Teil so fremden Wesen. Einige sind so anders als ich. Und ich bestehe nicht
mehr darauf, von ihnen gesehen zu werden. Geschweige denn verstanden. Um
ehrlich zu sein: Umgekehrt kann ich es ja auch nicht. Ein Leben nur für die
Karriere zum Beispiel ist mir fremd. Genauso wie der Ehrgeiz in allem sehr gut
sein zu müssen. Ich bin da eher pragmatisch – nur bei Herzensangelegenheiten
ehrgeizig- wenn es um meine Grundüberzeugungen geht.
Aber ich kann die mir so
Fremden neugierig betrachten wie ein Naturphänomen: Ach, so was gibt es auch.
So kann man auch leben. Und offensichtlich leben sie auch gerne so. Und ich
verspreche Ihnen: Es funktioniert. Ist deutlich Energie sparender und kommt dem
näher, was mit Weihnachten eigentlich gemeint ist.
Gott hat seinen Sohn
geschickt, um die Welt zu versöhnen. Er wollte sich mit uns versöhnen, gibt uns
die Chance, dass wir uns mit uns selbst versöhnen und anderen.
Klingt kompliziert – ist es
auch mal so theologisch betrachtet. Die Sache mit dem Kreuz und der
Sündenvergebung und der Wiederauferstehung. Auch das Wort Versöhnung ist etwas
aus der Mode gekommen. Aber für mich heißt es eben auch, andere zu lassen. Sie
nicht zu zwingen, den eigenen Standpunkt aufzugeben und meinen zu übernehmen.
Sondern ihnen mit interessierter Neugierde zu begegnen. Ich denke Gott tut das auch.
Er versteht nicht all unser Tun und fragt
sich gelegentlich: Wie konnte das passieren? (Sicherlich hat er auch
Bauchschmerzen, wenn er auf uns blickt und auf das Chaos, das wir hier
veranstalten.)
Aber seine Hand bleibt
ausgestreckt. Das mit der ausgestreckten Hand übe ich noch. In
Extremsituationen hilft mir aber die Vorstellung, dass ich als Außerirdische
zum Weihnachtsfest angereist bin. So vermeide ich es, direkt zu streiten,
betrachte das mir so fremde Leben interessiert und neugierig. Entdecke manchmal
sogar Geschenke des Lebens, die ich mit nach Hause nehme. Auf meinen Stern. Lichtjahre
entfernt.
Redaktion:
Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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