Bald
ist es so weit. Am letzten Sonntag in den Ferien wird Marie getauft. Marie ist
nämlich schon sechs und kommt jetzt in die Schule. Andrej, ihr Vater, ist erst
dagegen gewesen. Bloß, weil das alle machen? Oder weil sie dann zu den
evangelischen Kindern gehört? Kann sie nicht selbst entscheiden, wenn sie 14
ist? Und überhaupt, was soll denn so eine Taufe bewirken? Im Taufgespräch
erzählen mir die Eltern von Emma aus Maries Kindergarten. Zwei Jahre lang ist
sie mit ihren Eltern immer wieder im Kinderhospiz gewesen. Wegen ihres Tumors.
Im März ist sie gestorben mit gerade mal fünf Jahren. Hat Gott sie nicht
beschützt? Ist da irgendwas schiefgelaufen bei der Taufe? Auf dem Friedhof gibt
es einen eigenen Bereich für die Kinder. Auf den Gräbern Blumen, Spielzeug,
Kerzen, Bilder – das hat Maries Eltern sehr berührt. Seither möchte Mona,
Maries Mutter, umso mehr, dass sie getauft wird. „Sonst fühlt sich das so leer
an,“ sagt sie, „sie muss doch irgendwo hingehören.“ Sie glaubt fest, dass Gott
alle Kinder liebt. Dass er auch Emma geliebt hat, die so lange krank war und
jetzt gestorben ist. „Sie ist jetzt bestimmt bei Gott und hat es gut,“ meint
Mona. Andrej legt seinen Arm um ihre Schultern. Er ist einverstanden mit der
Taufe und hat trotzdem einen Einwand. „Wenn Gott alle Kinder liebt von Anfang
an, dann doch auch unsere Marie, oder? Wozu ist dann noch die Taufe nötig?“
„Das stimmt,“ sage ich, „nötig ist sie nicht. Aber sie zeigt genau das: dass
Gott eure Tochter liebt.“
Ich kann beide Eltern verstehen. Andrej
möchte, dass seine Tochter das später mal selbst entscheidet. Mona weiß, dass
Gott ihre Tochter nicht vor allem Schweren bewahrt. Aber sie möchte die Taufe
trotzdem. Das Leben fühlt sich sonst so leer an. Und das Sterben erst recht.
Die
Liebe Gottes hält übrigens ein Leben lang, sage ich. Ihr kennt doch bestimmt
diese Liebesschlösser an der Rheinbrücke in Köln und anderswo. Klar. Da sind
dann zwei Namen eingraviert oder wenigstens mit Edding draufgeschrieben.
Liebespaare machen das Schloss an der Brücke fest und werfen den Schlüssel in
den Fluss. „Das ist für immer“ soll das wohl heißen. Bei Gott ist das wirklich
so. Seine Liebe ist für immer. Deshalb gibt es oben an der Kirche vor dem
Eingang einen Bauzaun. Daran werden seit einiger Zeit die Schlösser befestigt
von allen, die hier getauft worden sind. Bald kommt ein Schloss dazu: das von
Marie. Sie soll wissen, dass Gott sie liebt. Dass er sie trägt im Leben und im
Sterben, ganz egal, was passiert. Ob und wie sie eines Tages darauf antwortet,
bei der Konfirmation oder später als Erwachsene, das wird sie tatsächlich
selbst entscheiden.
Redaktion: Pastorin
Sabine Steinwender-Schnitzius
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