Guten
Morgen,
auf
meinem Frühstückstisch steht mal wieder eine kleine Schüssel, die ich besonders
mag. Ich habe sie einmal geschenkt bekommen.
Ich gehe besonders sorgsam mit dieser Schüssel um.
Nicht nur, weil ich sie schön finde und sie einmal ein Geschenk war.
Seit
einigen Jahren hat sie unter der Lasierung einen Sprung bekommen. Deshalb kommt
sie auch nicht in die Spülmaschine, sondern ich spüle sie sorgfältig mit der
Hand. Sie soll mir noch möglichst lange erhalten bleiben und auf meinem
Frühstückstisch stehen.
Diese
Schüssel erinnert mich an eine Fabel, die ich neulich hörte:
Die
Geschichte handelt von einer alten Frau: Sie holt Wasser von einem Fluss. Dazu
hängt sie zwei große Krüge an die Enden einer Stange, die sie über ihren
Schultern trägt. Wenn sie nun am Ende des Weges zu ihrem Haus kommt, ist einer
der Krüge nur noch halb gefüllt. Dieser Krug hat einen Sprung. So ist auf dem
Weg zum Haus die Hälfte des Wassers ausgelaufen, während der andere Krug
makellos und heil ist. Am Haus angekommen ist noch
das ganze Wasser drin. Nach einiger Zeit klagt der beschädigte Krug der Frau
sein Leid: „Es tut mir leid, dass ich so viel Wasser auf dem Weg verliere. Aber
ich kann doch den Riss in mir nicht selber heilen.“
Die
alte Frau lächelt und sagt: „Ist dir nicht aufgefallen, dass auf deiner Seite
des Weges Blumen blühen, aber auf der Seite des anderen Kruges, der makellos
ist, nicht? Ich habe auf deiner Seite des Pfades Blumensamen gesät, weil ich
mir deines Fehlers bewusst war. Nun gießt du sie jeden Tag, wenn wir nach Hause
laufen. Wenn du nicht genauso wärest, wie du bist, würde es diese Blumen nicht
geben und sie würden unser Haus nicht schmücken.“
Gott ist
für mich wie diese Frau: Er trägt uns Menschen und gibt unserem Leben einen
Sinn. Gott braucht die Gesunden und Starken und Klugen. Und Gott trägt genauso die
Menschen, in deren Leben es Brüche und Risse gibt. Die körperlich oder seelisch
angeschlagen sind. Für manche von Ihnen gibt es keine Aussicht auf Heilung.
Und
nicht nur das. Gott gibt gerade oft denen, die schwach sind und unter ihrer
Schwachheit leiden, einen ganz besonderen Sinn. Einer, der das erlebt hat, war
der Missionar und Apostel Paulus, der die meisten Briefe in der Bibel
geschrieben hat. Ein Mann, der mit seelischen Problemen, wie Depressionen und
körperlichen Handicaps zu tun hatte. Als er einmal Gott sein Leid klagt, wie
der Krug in der Fabel, hat Gott ihm geantwortet: „Lass dir an meiner Gnade
genügen, denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit“. (2. Korinther.
12,9, Die Bibel, Luther 2017)
Ich wünsche ich
Ihnen einen guten Tag in dem Wissen, dass Sie getragen sind von Gott und Sinn
in jedem einzelnen Leben liegt. Und wenn Sie sich heute müde und zerschlagen
fühlen, dann denken Sie an die wunderschönen Blumen am Wegrand.
Ihr Pastor Christoph
Neumann aus Iserlohn.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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