Guten Morgen!
Matthias Waibel gehört zu den
Menschen, die schon sehr früh wissen, dass sie nur eine kurze Zeit leben werden
– und die dann in diesen wenigen Jahren Dinge zu Wege bringen, die weit über
ihren frühen Tod hinausreichen. Matthias Waibel – ein Priester aus Kempten im
Allgäu – sagt seiner Gemeinde immer wieder: Lasst Euch nicht in eurem Glauben
verwirren. Mir wird es gehen wie den Aposteln und Propheten, die verfolgt
worden sind, weil sie ihren Glauben gelebt haben. Denn die Gemeinde muss mit
ansehen, wie Matthias Waibel wegen seiner Verkündigung verleugnet,
gefangengenommen oder am Ende sogar hingerichtet wird. Mit nicht einmal 30
Jahren wird er gehenkt. Weil er den Bauern nahesteht, die für ihre Rechte
kämpfen. Matthias Waibel selbst lehnt Gewalt ab. Aber er weiß, wie der Hunger
schmeckt; er stammt aus einer armen Bauernfamilie in Martinszell im Allgäu. Er
weiß: Es ist berechtigt und notwendig, die Leibeigenschaft abzuschaffen; er
weiß, dass die Mächtigen sich auf scheinbar legalem Weg Grundstücke und Felder
angeeignet haben, die vorzeiten noch allen zur Verfügung gestanden haben: das
sogenannte Gemeindeland. Und ist es nicht nur zu berechtigt, diesen Zustand
wieder herzustellen? Dieses Gemeindeland ist für die Versorgung der Bevölkerung
so wichtig. (1)
Früh wird ein Lehrer auf den begabten Jungen
aufmerksam, und er bekommt von einem Bürger aus Kempten ein Stipendium für die
Lateinschule der Stadt. Auch dort zeigt sich Matthias Waibel als ein junger
Mensch, der gut und gerne lernt. Er wird an die Universität nach Wien
geschickt, wo er Theologie studieren und die große weite Welt kennen lernen
kann. Es zieht ihn aber nach dem Studium in seine Heimat zurück und er wird nun
katholischer Priester in Kempten. Und er lernt dort mit einigen anderen
Priestern die Schriften Martin Luthers kennen. Es kommt zum ersten Konflikt mit
der geistlichen Führung von Kempten. Einmal im Jahr werden hier die heiligen
Gebeine aus der Stadtkirche in einer Prozession draußen vor der Kirche gezeigt.
Dazu wird verkündigt: Alle, die an dieser Prozession teilnehmen und einen
Ablassbrief erwerben, werden von ihren Sündenstrafen befreit. Gegen diese
Praxis bezieht Matthias Waibel öffentlich Stellung. Für ihn und seine
reformatorisch gesinnten Freunde ist klar: Sündenerlass kann ich mir nicht
erkaufen. Als kurze Zeit darauf der neue Abt des Kemptener Stiftes mit großen
Festlichkeiten in sein Amt eingeführt wird fällt der Priester Matthias Waibel wieder
auf: Er wehrt sich gegen diese überdimensionierte Feierlichkeit. Da reicht´s
der Amtskirche, es zieht sich die Schlinge um den Hals vom Matthias Waibel immer
enger.
Zum Schein wird er zu einer Taufe außerhalb der Stadt
gerufen. Dort stehen Söldner bereit, um ihn gefangen zu nehmen. Einsprüche der
Kemptener Bürger gegen die Gefangennahme ihres Priesters finden kein Gehör. Am
6. September 1525, vor fast 500 Jahren also, wird Matthias Waibel ohne Prozess gehenkt.
Dass wir heute in diesem Land unsere Meinung frei und
öffentlich sagen können, ohne um unser Leben zu fürchten, verdanken wir auch Matthias
Waibel, der vor 500 Jahren so mutig vorangegangen ist. Im Evangelischen Namenskalender
wird heute an ihn gedacht.
Einen
erfüllten Tag wünscht Ihnen Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.
Quellen:
(1) s. https://de.wikipedia.org/wiki/Zwölf_Artikel, zuletzt abgerufen am 31.08.22
Jörg Erb, Wolke der Zeugen, J.-Stauda-Verlag, Kassel,
1962, Bd. 3, S. 164- 167.
https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Waibel, zuletzt
abgerufen am 26.08.22
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59115_WDR3520220906Helling.mp3