Musik
1 (instrumental)
Titel: Wie schön
leuchtet der Morgenstern (Choralbearbeitung, ausgefu?hrt mit Corno da caccia
und Orgel); Komponist: Kaufmann, Georg Friedrich; Interpreten: Gu?ttler, Ludwig
(Naturhorn) und Kircheis, Friedrich (Orgel); Label: SONY MUSIC MEDIA; LC: 02604
Autor: Erotik im Gesangbuch? Liebeslyrik in einem Choral? Zärtliche Zuwendung,
Überschwang der Gefühle, Ausbrüche eines entflammten Herzens in einem geistlichen
Lied? Ja, das kommt in den besten Chorälen vor. Es ist sogar eines der
bekanntesten und berühmtesten Lieder im Evangelischen Gesangbuch, in dem das
vorkommt.
Musik 2:
Choral, Str. 1
Titel: Wie schön leuchtet der Morgenstern. Für 9
Stimmen; Album: Tradition
German Songs for Christmas Eve; Komponist: Praetorius, Michael; Interpreten:
Capella de la Torre; Leitung: Ba?uml, Katharina; WDR-Eigenproduktion;
Eigenverlag / Manuskript; WDR-Archiv-Nr: 6999910747.001.001
Sprecherin (Overvoice):
Wie schön leuchtet der Morgenstern
Voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,
die süße Wurzel Jesse.
Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,
Mein König und mein Bräutigam,
hast mir mein Herz besessen;
lieblich,
freundlich,
schön und herrlich,
groß und ehrlich,
reich an Gaben,
hoch und sehr prächtig erhaben.
Autor: Der König, der Bräutigam, dem mein Herz gehört. Und so geht es weiter:
Meine Perle, meine Krone, meine Himmelsblume, meine Milch und mein Honig, ich
kann dich nicht vergessen. So heißt es in der nächsten Strophe.
Wer singt so innig von seinem Geliebten? Es ist die
gläubige Seele, die sich mit Christus, ihrem himmlischen Bräutigam, vereinigt.
Es ist die Gemeinde, die Kirche, die in Liebe mit Christus verbunden ist. Und
wenn am Ende der Zeit Jesus als Bräutigam wiederkommt, dann wird das neue
Jerusalem seine Braut sein, und er wird alles neu machen und alle Tränen
abwischen. So beschreibt es die Offenbarung des Johannes, das prophetische Buch
des Neuen Testaments der Bibel.
Ist das nicht abseitig, entlegen, zu schwere Kost
für heutige Menschen? Wer lässt sich noch berühren von diesen uralten Bildern?
Was helfen sie heute in den drängenden Krisen der Zeit – Klimawandel, Pandemie,
Krieg?
Der Pfarrer Philipp Nicolai in Unna, der das Lied um
1597 geschrieben und auch die Melodie komponiert hat, ist damals heftig und
existenziell von einer großen Krise seiner Zeit betroffen. Die Pest
wütet, täglich muss er bis zu dreißig Menschen aus seiner Gemeinde beerdigen.
Musik 3
(instrumental)
Wie schön leuchtet der Morgenstern; Komponist: Michael Praetorius; Interpreten: Leipziger Querflötenensemble Quintessenz; WDR Eigenproduktion; LC:
Z2323; WDR-Archivnummer: 6999862969.001.001
Sprecherin (Overvoice),
Choral, Str. 3:
Gieß sehr tief in das Herz hinein,
du leuchtend Kleinod, edler Stein,
mir deiner Liebe Flamme,
dass ich, o Herr, ein Gliedmaß bleib
an deinem auserwählten Leib,
ein Zweig an deinem Stamme.
Nach dir
wallt mir
mein Gemüte,
ewge Güte,
bis es findet
dich, des Liebe mich entzündet.
Autor: Gegen den Gestank des Todes wappnet sich der Pfarrer mit dem „Räucherwerk
beständiger Gebete“, so berichtet er. Dies verbindet er mit dem – Zitat: „Nachdenken
über das ewige Leben und den Zustand der teuren Seele im himmlischen Paradies
vor dem jüngsten Tag“. Kann ein solches Bewusstsein seelisch-körperliche
Abwehrkräfte entwickeln? Jedenfalls geschieht das Unwahrscheinliche: Philipp
Nicolai steckt sich nicht an, er bleibt von der Pest verschont.
Johann Sebastian Bach hat den Choral gleich in zwei
Kantaten aufgegriffen. Der folgende Satz zu Strophe 6 findet sich auch im
Evangelischen Gesangbuch.
Musik 4,
Choral, Strophe 6:
„Schwingt freudig euch empor“ (BWV 36); Kantate am
1. Advent; Komposition: Bach, Johann Sebastian; Text: Henrici, Christian
Friedrich; Interpreten: Bach Collegium Japan Leitung: Suzuki, Masaaki; LC:
03240
Sprecherin (Overvoice):
Zwingt die Saiten in Cythara
Und lasst die süße Musika
Ganz freudenreich erschallen,
dass ich möge mit Jesulein,
dem wunderschönen Bräut’gam mein,
in steter Liebe wallen.
Singet,
springet,
jubilieret,
triumphieret,
dankt dem Herren;
groß ist der König der Ehren.
Autor: Nochmals schwingt sich „die süße Musika“, die Melodie von Philipp
Nicolai, triumphal auf. Kunstvoll ist das Gedicht gebaut: Die erste
Strophenhälfte, der Aufgesang, besteht aus sechs längeren Zeilen in jambischem
Versmaß; sie beginnen also mit einer unbetonten Silbe. Dann wechselt das
Versmaß in den Trochäus. Er beginnt betont: Das gibt ihm einen starken,
unmittelbaren Ausdruck, einen Rufcharakter: „Singet, / springet“. Den beiden
zweisilbigen Zeilen folgen drei viersilbige: „jubilieret, / triumphieret, /
dankt dem Herren“, und schließlich eine noch längere Zeile: „groß ist der König
der Ehren.“ Für diesen Strophenbau und das Reimgefüge gibt es kein Vorbild, sie
sind Philipp Nicolais Schöpfung.
Musik 5,
Choral, Str. 7
Wie schön leuchtet der Morgenstern; Komponist: Christian
Geist; Text: Philipp Nicolai; Interpreten: Berliner Barock Compagney; Album: Ruht
Ziesak, Geistliche Arien; Label: CAPRICCIO; LC: 08748
Sprecherin (Overvoice):
Wie bin ich doch so herzlich froh,
dass mein Schatz ist das A und O,
der Anfang und das Ende.
Er wird mich doch zu seinem Preis
aufnehmen in das Paradeis;
des klopf ich in die Hände.
Amen,
Amen,
komm du schöne
Freudenkrone,
bleib nicht lange;
deiner wart ich mit Verlangen.
Autor: Für mich hat dieses Lied auch nach 400 Jahren kaum etwas von seiner Kraft
und Poesie verloren. Das liegt gewiss an der vollkommenen Einheit von Text und
Musik. Aber sicher auch an der unglaublichen Zuversicht und glühenden Hingabe, die
hier zum Ausdruck kommt. Ein Kontrastprogramm zu Krankheit und Tod in dieser Zeit.
Mit dieser Zuversicht und Hingabe konnte Philipp Nicolai leben. Der Glaube an
Jesus Christus hat ihn getragen.
Musik
1 (instrumental)
Redaktion: Landespfarrer
Dr. Titus Reinmuth