Kleine Biester

Kirche in WDR2 | 07.04.2022 | 00:00 Uhr

„Da

sind sie wieder die kleinen Biester“, schreibt sie auf ihrem Twitter Account.

Sie ist 56 Jahre alt und kämpft seit 2 Jahren gegen die Biester. Wer will kann

ihr auf ihrem Profil mit einem eigenen Hashtag folgen und lesen, was die

Krankheit mit ihr macht.

Die

„kleinen Biester“ sind die kleinen, bösartigen Zellen. Sie hat sich

entschieden, nicht von „Tumoren“ oder „Krebs“ zu sprechen. Die Krankheit – der

Krebs – soll nicht noch mehr Macht über ihr Leben bekommen. Dazu gehört auch,

dass sie im Internet von ihrer Krankheit erzählt . Für einige mag das

verstörend sein, aber wer dort über Jahre hinweg Dinge teilt, findet dieses

Verhalten keineswegs sonderbar, vielleicht sogar selbstverständlich.

Seit

einigen Monaten weiß ich, dass auch ich „kleine Biester“ im Körper habe. Ich

spreche allerdings von „Krebs“, und hab mir keinen Hashtag dafür ausgedacht.

Meine digitale Präsenz ist in den vergangenen Jahren sowieso eher weniger

geworden. Ich bin aber überrascht, wie viele Menschen es trotzdem um mich

herumgibt, die sagen „Ich hatte es auch mal“.

Offenbar

hilft es: Das Teilen von Erfahrungen. Es hilft, mit der neuen Situation umzugehen.

Vielleicht hilft das Teilen von Erfahrungen sogar mehr als im Internet nach

allen möglichen und unmöglichen Therapieansätzen zu suchen.

„Ängste

bringen nichts, sie blockieren nur“ –schreibt sie einmal und postet darunter

ein Foto eines Bestrahlungs-Roboters. Der sieht so aus, als wäre er ein

Jedi-Ritter. Auf seinen Bauch hat sie einen großen Smilie retuschiert. Das

sieht lustig aus. Aber natürlich sind die Ängste da. In den unzähligen Stunden

des Wartens auf Labor Ergebnisse und Diagnosen liegt man wach und denkt, wie es

wohl weitergeht, und was zu regeln ist für den Fall, dass der Krebs sich weiter

ausbreitet.

Selbst

wenn alle Dinge in der Notfallmappe aufgelistet und erledigt sind, bleibt die

Frage, was werden wird. Was wird werden, mit meinem unbändigen Wunsch leben, zu

wollen? Was wird werden, wenn meine Kräfte schwinden. Wenn ich mir eingestehen

muss, dass es für mich keinen langen und ruhigen Lebensabend geben wird? Ich

womöglich meine Enkel nicht mehr erleben werde.

Morgen

ist der sogenannte „Palmsonntag“ in der Kirche. Fünf Tage bevor Jesus am Kreuz

stirbt wird er in Jerusalem mit großem Jubel begrüßt.

So

schnell kann es gehen, denke ich, so schnell kann die Stimmung umschlagen und

die Realität sich ändern.

Am

Ostermorgen dann die alles entscheidende Änderung. Ich werde nicht sterben,

sondern leben, selbst wenn die „kleinen Biester“ mein Leben beendet haben, geh

ich einfach mit Jesus mit. Er ist mein Trost im Leben und im Sterben.

Redaktion: Pastorin Sabine

Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57832_WDR220220407Dahl.mp3

  • 7.4.2022
  • Knut Dahl-Ruddies
  • © National Cancer Institute on Unsplash
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