Neulich
auf dem Friedhof. Zusammen mit meinem Vater habe ich das Grab meiner Mutter
besucht. Wir machen das nicht sehr regelmäßig, aber an ihrem Geburtstag auf
jeden Fall. Alleine kommt mein Vater da auch nicht mehr hin mit seinen 95. Ich
lobe den Lavendel, der nun im dritten Jahr aus ihrer Grabplatte sprießt. Trotz aller
Trockenheit hat er sich prächtig entwickelt und fängt gerade an, zu blühen. Meiner
Mutter hätte das gefallen.
Am
Urnengrab daneben werkelt eine ältere Frau, zupft Unkraut und pflanzt Blumen.
Sie schaltet sich ein, offensichtlich hat sie den Lavendel auch schon öfter gegossen.
Wir danken ihr dafür. Sie leiht mir ihren Lappen, damit ich die Marmorplatte
vom Staub befreien kann. Mein Vater sitzt auf seinem Rollator daneben und
schaut zu.
„Sie
werden ja wohl auch mal hier reinkommen“, sagt die Quasi-Nachbarin mit Blick
auf meinen Vater. Er bejaht. „Ich ja auch“, sagt sie und deutet auf das Grab
ihres Mannes. „Schön, dass wir uns vorher hier mal kennen gelernt haben.“ Offensichtlich
findet sie meinen Vater sympathisch. Zum Abschied wünscht sie uns alles Gute
und ein schönes Wochenende.
Ich
habe an diese Begegnung auf dem Friedhof öfter denken müssen. Und bin immer
noch fasziniert, wie locker die Frau über den Tod, ihren Tod gesprochen hat. Da
war nichts Schweres dabei, nichts Dramatisches. Sie hat einfach ausgesprochen,
was demnächst passieren wird. Irgendwann. Oder bald. Das wissen wir nicht.
Für
die Frau und meinen Vater scheint der Tod eine ganz reale Sache, aber nichts,
was erschreckt oder Angst macht. Über die man durchaus sprechen kann. Ob
dahinter die Überzeugung steht, dass der Tod nicht das letzte Wort hat? Mein
Vater ist sicher, dass er meine Mutter irgendwann wiedertrifft. Genau genommen
freut er sich darauf. Weil das Leben ohne sie für ihn nicht mehr so viel Sinn
macht. Ich habe eine Weile gebraucht, das zu akzeptieren.
Und so kann der Friedhof zu
einem ziemlich kommunikativen Ort werden. An dem wir über Leben und Tod,
Sterben und Auferstehung nachdenken und auch darüber sprechen. Selbst mit quasi
fremden Menschen. Das passiert mir sonst absolut selten. Ich bin gespannt auf
die nächste Begegnung. Auf dem Friedhof.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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