Nur Geduld…

Kirche in WDR3 | 17.12.2022 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen!

Advent

heißt Warten auf Weihnachten. Advent heißt: Geduld haben. Sind Sie geduldig?

Wann haben Sie zuletzt die Geduld verloren? Ist Geduld eine Frage des Alters?

Und kann auch Ungeduld eine Tugend sein?

Nur

Geduld! Immerzu wird uns Geduld abverlangt. Telefonwarteschleife bei der Behörde.

Anruf bei einer Hotline – alle Leitungen belegt. „Bitte haben Sie einen Moment

Geduld…“ Wenn die Ampel auf Rot springt, sind viele von uns schnell gereizt. Im

Stau geht mir der Draht aus der Mütze und Wartezimmer können zu Vorhöllen

werden.

Ungeduld

kann tödlich sein: In der Zeitung las ich: Ein Nachbar hat die Einfahrt eines

anderen Nachbarn zugeparkt. Der Nachbar, der nun nicht in seine Einfahrt kam, erregte

sich dermaßen darüber, dass er schließlich mit einem Messer auf den

Falschparker eingestochen hat.

Meine Stärke ist die Geduld nicht. Und auch nicht der

lange Atem. Eile mit Weile? Ich will eher Fortschritt und Erfolg auf der

Stelle. Die Werbung unterstützt mich in diesem Irrsinn: Sie behauptet, dass ich

unendliche Möglichkeiten habe. Jetzt und sofort. Nur einen Mausklick entfernt.

Wen

kann man als geduldig beschreiben? Den, bei dem Beharrlichkeit, Ausdauer, Mut

und Hoffnung stärker sind als Enttäuschung und Ärger. Der bei Schwierigkeiten

nicht gleich entmutigt aufgibt, sondern es noch einmal versucht. Die im Leid nicht

alles nur sinnlos findet, sondern es zu tragen sucht. Geduld ist nicht nur eine

Frage des Temperaments. Sie ist eine Grundeinstellung, die ich lernen kann. „Geduld

bringt großen Gewinn“, schreibt die Theologin Hannelore Frank. Und weiter: Die

Geduld „…ist eine göttliche Eigenschaft. Nur der Ungeduldige glaubt es noch

nicht.“ (1)

Ein

Schlüsselwort heißt: Zeit. Entwicklung und Reife geschehen im Prozess. Es

dauert, bis eine Blume sich entfaltet. Saat geht erst allmählich auf. Und bis

sich jemand gewandelt hat, braucht er vielleicht ein ganzes Leben dazu. Auch

ich bin auf die Geduld und die Nachsicht meiner Mitmenschen angewiesen. Bei den

frühen Christinnen und Christen bedeutete Geduld, standhaft zu bleiben in aller

Bedrängnis. Sie wurden ja wegen ihres Glaubens verfolgt. Über die Jahrhunderte

hat sich die Bedeutung des Begriffs Geduld gewandelt. Heute bedeutet er eher

Langmut. Nachsichtig abwarten, bis sich eine Lösung ergibt. Veränderungen sind

eben nicht im Akkord zu erzwingen. Von Gott heißt es in der Bibel, dass er

Menschen gegenüber nachsichtig ist und seinen Zorn zurückhält: „Barmherzig und

gnädig ist Gott, geduldig und von großer Güte“, steht in einem der Psalmen. (Die

Bibel, Psalm 103,8) Dies könnte eine Quelle der Kraft sein, wenn meine eigene

Geduld am Ende ist, wenn der Erfolg ausbleibt, in der Krankheit oder im Schmerz.

Denn es ist nicht leicht, gegen die eigene Last geduldig zu sein, sie zu

er-dulden.

Ich

glaube, dass die Fähigkeit, etwas auszuhalten, heute immer mehr abnimmt. Und

doch hätten wir sie bitter nötig, um das Leben zu meistern und die Probleme

unserer Welt hoffnungsvoll zu bestehen. Vielleicht im Sinne des Philosophen Luc

de Clapiers:

„Geduld

ist die Kunst zu hoffen.“ (2)

(Ende

WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5: )

Einen

guten Tag wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.

( 1 ) www.spruch-archiv/completelist/?autor=2180 (zuletzt abgerufen am 23.11.22)

( 2 ) www.aphorismen.de/zitat/19540 (zuletzt abgerufen

am 23.11.22)

Redaktion:

Landespfarrerin

Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59821_WDR3520221217Opitz.mp3

  • 17.12.2022
  • Michael Opitz
  • © CCO Pixabay
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