Guten
Morgen!
Advent
heißt Warten auf Weihnachten. Advent heißt: Geduld haben. Sind Sie geduldig?
Wann haben Sie zuletzt die Geduld verloren? Ist Geduld eine Frage des Alters?
Und kann auch Ungeduld eine Tugend sein?
Nur
Geduld! Immerzu wird uns Geduld abverlangt. Telefonwarteschleife bei der Behörde.
Anruf bei einer Hotline – alle Leitungen belegt. „Bitte haben Sie einen Moment
Geduld…“ Wenn die Ampel auf Rot springt, sind viele von uns schnell gereizt. Im
Stau geht mir der Draht aus der Mütze und Wartezimmer können zu Vorhöllen
werden.
Ungeduld
kann tödlich sein: In der Zeitung las ich: Ein Nachbar hat die Einfahrt eines
anderen Nachbarn zugeparkt. Der Nachbar, der nun nicht in seine Einfahrt kam, erregte
sich dermaßen darüber, dass er schließlich mit einem Messer auf den
Falschparker eingestochen hat.
Meine Stärke ist die Geduld nicht. Und auch nicht der
lange Atem. Eile mit Weile? Ich will eher Fortschritt und Erfolg auf der
Stelle. Die Werbung unterstützt mich in diesem Irrsinn: Sie behauptet, dass ich
unendliche Möglichkeiten habe. Jetzt und sofort. Nur einen Mausklick entfernt.
Wen
kann man als geduldig beschreiben? Den, bei dem Beharrlichkeit, Ausdauer, Mut
und Hoffnung stärker sind als Enttäuschung und Ärger. Der bei Schwierigkeiten
nicht gleich entmutigt aufgibt, sondern es noch einmal versucht. Die im Leid nicht
alles nur sinnlos findet, sondern es zu tragen sucht. Geduld ist nicht nur eine
Frage des Temperaments. Sie ist eine Grundeinstellung, die ich lernen kann. „Geduld
bringt großen Gewinn“, schreibt die Theologin Hannelore Frank. Und weiter: Die
Geduld „…ist eine göttliche Eigenschaft. Nur der Ungeduldige glaubt es noch
nicht.“ (1)
Ein
Schlüsselwort heißt: Zeit. Entwicklung und Reife geschehen im Prozess. Es
dauert, bis eine Blume sich entfaltet. Saat geht erst allmählich auf. Und bis
sich jemand gewandelt hat, braucht er vielleicht ein ganzes Leben dazu. Auch
ich bin auf die Geduld und die Nachsicht meiner Mitmenschen angewiesen. Bei den
frühen Christinnen und Christen bedeutete Geduld, standhaft zu bleiben in aller
Bedrängnis. Sie wurden ja wegen ihres Glaubens verfolgt. Über die Jahrhunderte
hat sich die Bedeutung des Begriffs Geduld gewandelt. Heute bedeutet er eher
Langmut. Nachsichtig abwarten, bis sich eine Lösung ergibt. Veränderungen sind
eben nicht im Akkord zu erzwingen. Von Gott heißt es in der Bibel, dass er
Menschen gegenüber nachsichtig ist und seinen Zorn zurückhält: „Barmherzig und
gnädig ist Gott, geduldig und von großer Güte“, steht in einem der Psalmen. (Die
Bibel, Psalm 103,8) Dies könnte eine Quelle der Kraft sein, wenn meine eigene
Geduld am Ende ist, wenn der Erfolg ausbleibt, in der Krankheit oder im Schmerz.
Denn es ist nicht leicht, gegen die eigene Last geduldig zu sein, sie zu
er-dulden.
Ich
glaube, dass die Fähigkeit, etwas auszuhalten, heute immer mehr abnimmt. Und
doch hätten wir sie bitter nötig, um das Leben zu meistern und die Probleme
unserer Welt hoffnungsvoll zu bestehen. Vielleicht im Sinne des Philosophen Luc
de Clapiers:
„Geduld
ist die Kunst zu hoffen.“ (2)
(Ende
WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5: )
Einen
guten Tag wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.
( 1 ) www.spruch-archiv/completelist/?autor=2180 (zuletzt abgerufen am 23.11.22)
( 2 ) www.aphorismen.de/zitat/19540 (zuletzt abgerufen
am 23.11.22)
Redaktion:
Landespfarrerin
Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59821_WDR3520221217Opitz.mp3