fallen

Kirche in WDR3 | 11.03.2023 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

Ein kleines Kind braucht lange, bis es mit

beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Und dann dauert es noch ein bisschen,

bis es mit eigenen Schritten gehen kann. Es hält sich fest. Zunächst an den

Händen von Mutter und Vater, dann auch an einem Schrank oder einem Stuhl. Bis

es wirklich freihändig gehen kann, fällt das kleine Kind einige Male hin. Dann

gibt es ein paar Tränen, und bald rafft sich das Kind wieder auf, zieht sich

vielleicht an einem Stuhl hoch und versucht weiterzugehen.

Die Eltern freuen sich, dass ihr Kind nun

laufen kann. Aber sie wissen auch: Es wird immer wieder mal hinfallen, und es

wird hoffentlich immer wieder aufstehen.

Ganz anders als die Uroma. Die hat Jahrzehnte

lang mit beiden Beinen fest auf dem Boden gestanden. Doch jetzt im hohen Alter

muss sie sich jeden Schritt gut überlegen. Wenn sie fällt, kommt sie allein

nicht mehr hoch. Zum Glück hat sie einen Funknotruf immer bei sich. Er hängt

wie eine Perlenkette um den Hals, und wenn niemand im Haus ist, kann sie damit

Hilfe holen. Sie hat ihn noch nie gebraucht. Bisher ist immer alles

gutgegangen. Ihre Angst ist: Jeder Sturz könnte der letzte sein.

Obwohl: Ihre Freundin ist selbst nach einem

Oberschenkelhalsbruch wieder auf die Beine gekommen. Sie ist sehr dankbar, dass

die Ärzte heute so viel können. Sie hat gar nicht erst lange im Krankenbett

gelegen, sondern hat bald wieder laufen gelernt. Fast wie ein Kind. Natürlich

konnte sie sich nicht an den Händen der Eltern festhalten. Dafür hat sie die

Hand der Physiotherapeutin ganz festgehalten, bis der Griff immer lockerer

wurde und sie spürte: Ich kann meinen Beinen und meinen Gelenken wieder

vertrauen.

Ich glaube, solches Vertrauen ist das

wichtigste beim Laufen lernen, egal ob als kleines Kind oder als alter Mensch.

Ich brauche Vertrauen, dass die Beine mich tragen. Dieses Vertrauen in die

Eltern oder Therapeuten nimmt einem Menschen die Angst zu fallen und gibt ihm

den Mut, wieder selbst durchs Leben zu gehen.

Aber manchmal fühle ich mich im Leben so, als

wäre ich gefallen, obwohl meine Beine noch ganz gut funktionieren. Ich habe das

Gefühl, ich liege platt auf dem Boden und habe nicht den Mut, wieder

aufzustehen.

Dann brauche ich jemanden, der mir die Hand hinhält.

„Komm, ich helfe dir, wieder aufzustehen.“ Ich sehne mich nach so einer

ausgestreckten Hand von jemandem, dem ich vertrauen kann. Das kann ein Mensch

sein. Es kann aber auch Gott sein.

In der Bibel lese ich: „Gott hat Freude an

einem redlichen Menschen und lenkt alle seine Schritte. Er mag fallen, aber er

stürzt nicht zu Boden; denn der Herr hält ihn fest an der Hand.“ (Die Gute

Nachricht Bibel, Psalm 37,23f)

Gott hält mich fest an der Hand, damit ich

nicht falle. Aber wie ist das, wenn ich auf Gott mal nicht den Eindruck eines redlichen,

eines aufrichtigen Menschen mache? Lässt er mich dann fallen? Ich glaube nicht.

Ich glaube, er verhält sich dann wie Eltern, die ein Kind loslassen, damit es

lernt auf eigenen Füßen zu stehen. Und wenn es dann doch fällt, ist die

helfende Hand nicht weit.

Es grüßt Sie, Pfarrer Michael

Nitzke aus Dortmund.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/53962_WDR3520201216Nitzke.mp3

  • 11.3.2023
  • Michael Nitzke
  • © CCO Pixabay
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