Der erste Weltuntergang

Kirche in WDR3 | 20.10.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Weltuntergangsankündigungen

sind beliebt. Die Bibel erzählt, der Weltuntergang habe bereits stattgefunden.

In der Sintflut. Kurz und knapp führt die biblische Erzählung aus, wie die

Menschheit, von Gott ins Leben gerufen, zunehmend verkommt. Durch und durch böse

ist ihr Handeln, durch und durch böse sind ihre Pläne. Gott beschließt, seine

Menschheit zu vernichten. (1) Da stockt einem der Atem. Und man kann sich gar

nicht recht freuen, dass ein Mensch namens Noah mit seiner Familie und ein

Pärchen von jeder Tierart überleben dürfen. In einem eigens dafür gebauten

Schiff, der Arche.

In mir regt sich Widerstand gegen

diesen Gott, der die Fluten ruft und alles, aber auch alles gnadenlos den Bach

runter gehen lässt. Was ist das für ein Gott, der in seinem Zorn derart auf

Vernichtung aus ist?

Mir kommen die furchtbaren Bilder

von der Flutkatastrophe des letzten Jahres in den Sinn. Plötzlich ist die alte Erzählung

sehr real, und ich stocke in meiner Gottesanklage. Wir haben im vorigen Sommer

erlebt, wie sich die Natur, von menschlicher Gier und Gedankenlosigkeit

verletzt, mit zerstörerischer Macht gerächt hat.

Die Flut im Sommer 2021

vernichtete Häuser, Felder, Weinberge, sie tötete mehr als 180 Menschen und

viele Tiere. Die unmittelbar Betroffenen haben es als ihren Weltuntergang

erfahren.

Ich stelle mir Noah nicht als

glücklichen Menschen vor. Wer einen Weltuntergang hinter sich hat, für den sind

die Erinnerungen daran oft so unerträglich, dass es eine Bürde ist

weiterzuleben. Vielleicht wird deshalb von Noah erzählt, er habe sich nach der

Flut schwer betrunken. (Die Bibel, 1. Mose 9,21)

Noah ist der Urvater der Welt

nach der Sintflut. In den Augen der Bibel hat die Menschheit einen

Weltuntergang bereits hinter sich. Und daraus leider nicht viel gelernt! Gott

stellt nach der Flut ernüchternd realistisch fest: „Das Dichten und Trachten

des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“

Seine höchst erstaunliche

Konsequenz aus dieser Feststellung lautet: „Ich will nicht mehr schlagen alles,

was lebt, wie ich getan habe.“

Eine unfassbar gute Nachricht!

Eine schlechte Nachricht allerdings für all diejenigen, die Gott dafür verantwortlich

machen wollen, wenn ein neuer Weltuntergang droht. Dieser verlockend bequeme

Ausweg – Gott ist schuld – ist versperrt. Es gibt keine Entschuldigung dafür,

die Welt den Bach runter gehen zu lassen – nicht einmal die menschliche

Bosheit. Denn die ist weder unabwendbares Schicksal noch ein Naturgesetz.

Wir sind dran zu handeln. Mit

Zuversicht. Denn Gott hat versprochen: Solange die Erde steht, soll nicht

aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (Die

Bibel, 1. Mose 8,22)

Einen gesegneten Tag wünscht

Ihnen Annette Kurschus aus Bielefeld.

(1) Einige Anregungen beziehe

ich aus Jürgen Ebach, Noah, Die Geschichte eines Überlebenden. Erschienen 2001

in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

  • 20.10.2022
  • Annette Kurschus
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