Weihnachten an der Ahr

Kirche in WDR2 | 10.01.2022 | 00:00 Uhr

O-Ton Tamara Orschler: „Es ist für mich nicht ein normales Weihnachten

gewesen. Ich war nicht in diesem geschützten Raum wie Zuhause, wo ich weiß, es

gibt einen Ablauf von Singen, wir packen Geschenke aus und essen dann und gehen

dann in die Christmette. Ja, es war anders.“

Autorin: … sagt Sozialpädagogin Tamara Orschler. Da wo vor der Flut im Ahrtal in den

Wohnzimmern noch der Tannenbaum an Weihnachten geduftet hat, liegt jetzt ein

modriger Geruch in der Luft. Viele Häuser sind nicht mehr bewohnbar. In vielen

Orten stehen noch immer die Versorgungszelte. Alles anders, aber …

O-Ton Tamara Orschler: „Wir hatten in Kreuzberg einen ganz wunderschönen

Weihnachtsgottesdienst.“

Autorin: Tamara Orschler gehört zu einem Team von der Evangelischen Kirche im

Rheinland und der Diakonie Katastrophenhilfe. Sie sind hier im überfluteten Ahrtal

für die Menschen ansprechbar. Die Sozialpädagogin hat viele Advents- und

Weihnachtsfeiern organisiert. Aber konnte man sich im Ahrtal überhaupt so

richtig "Frohe Weihnachten“ wünschen?

O-Ton Tamara Orschler: „Über die Feiertage war es im Tal schon sehr

ruhig. Diejenigen, die wir getroffen haben, da haben wir uns schon „frohe

Weihnachten“ gewünscht, ganz normal und sind dann so ein bisschen ins Gespräch

gekommen. Man hat sich einfach „frohe Weihnachten“ gewünscht, und dass es den

Umständen entsprechend ein schönes Weihnachtsfest wird.“

Autorin: Leise Hoffnung klingt da durch. Was die Menschen hier brauchen, ist viel Licht,

sagt die Sozialpädagogin. Gerade in der tristen Jahreszeit. Sie hat für den 24.

Dezember eine Weihnachtsfeier nach dem Gottesdienst in Kreuzberg organisiert. Kreuzberg,

das ist ein kleiner Ort an der Ahr, den die Flut doppelt hart getroffen hat. Hier

sind die Ahr und der Sahrbach durchgerauscht. Die Weihnachtsfeier war für die

Menschen …

O-Ton Tamara Orschler: „… die nicht mehr Zuhause Weihnachten feiern

können, aber auch nicht wollen, weil ihnen einfach nicht danach ist.“

Autorin: So ein richtiges Weihnachtsfest, nur eben im Zelt und

nicht Zuhause. Aber mit Programm – fast wie Zuhause:

O-Ton Tamara Orschler: „Zum Beispiel hatten wir den Blumenkönig

gespielt. Das heißt, jeder bekommt einen Pudding und in einem Pudding ist eine Mandel

drin. Und, derjenige oder diejenige, die den Pudding hat, ist dann für ein Jahr

Blumenkönig. Das ist eine Familientradition aus meiner Familie, und das hatte

ich mitgebracht.“

Autorin: Essen, spielen, reden, feiern … Aber die Flut

vergessen? Wenigstens für einen Abend? Das ging dann eben doch nicht. Das

Wasser ist immer noch allgegenwärtig. In den Wänden und in den Seelen.

O-Ton Tamara Orschler: „Und dann wurde natürlich auch viel

erzählt bei der Weihnachtsfeier. Wir haben über Themen vor der Flut geredet,

über die Flutnacht wurde viel geredet, es wurde über das „wie es weitergeht“

geredet. Wir hatten auch viele Kinder bei der Weihnachtsfeier dabei, die nicht

mehr Zuhause sein können, wo eventuell auch das Haus abgerissen wird. Also, war

die Stimmung natürlich manchmal ein bisschen traurig, aber sie war auch oft sehr

lustig.“

Autorin: Tamara Orschlers Team bleibt noch einige Monate im Ahrtal.

Gesprächsbereit und bereit, zuzupacken. Nach unserem Gespräch ist die Sozialpädagogin

auf dem Sprung. Mit ein paar Jugendlichen will sie Brenn-Holz im Sahrbachtal

ausliefern. Damit’s da wärmer und heller wird.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 10.1.2022
  • Julia-Rebecca Riedel
  • (Kirche im WDR)
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