O-Ton Tamara Orschler: „Es ist für mich nicht ein normales Weihnachten
gewesen. Ich war nicht in diesem geschützten Raum wie Zuhause, wo ich weiß, es
gibt einen Ablauf von Singen, wir packen Geschenke aus und essen dann und gehen
dann in die Christmette. Ja, es war anders.“
Autorin: … sagt Sozialpädagogin Tamara Orschler. Da wo vor der Flut im Ahrtal in den
Wohnzimmern noch der Tannenbaum an Weihnachten geduftet hat, liegt jetzt ein
modriger Geruch in der Luft. Viele Häuser sind nicht mehr bewohnbar. In vielen
Orten stehen noch immer die Versorgungszelte. Alles anders, aber …
O-Ton Tamara Orschler: „Wir hatten in Kreuzberg einen ganz wunderschönen
Weihnachtsgottesdienst.“
Autorin: Tamara Orschler gehört zu einem Team von der Evangelischen Kirche im
Rheinland und der Diakonie Katastrophenhilfe. Sie sind hier im überfluteten Ahrtal
für die Menschen ansprechbar. Die Sozialpädagogin hat viele Advents- und
Weihnachtsfeiern organisiert. Aber konnte man sich im Ahrtal überhaupt so
richtig "Frohe Weihnachten“ wünschen?
O-Ton Tamara Orschler: „Über die Feiertage war es im Tal schon sehr
ruhig. Diejenigen, die wir getroffen haben, da haben wir uns schon „frohe
Weihnachten“ gewünscht, ganz normal und sind dann so ein bisschen ins Gespräch
gekommen. Man hat sich einfach „frohe Weihnachten“ gewünscht, und dass es den
Umständen entsprechend ein schönes Weihnachtsfest wird.“
Autorin: Leise Hoffnung klingt da durch. Was die Menschen hier brauchen, ist viel Licht,
sagt die Sozialpädagogin. Gerade in der tristen Jahreszeit. Sie hat für den 24.
Dezember eine Weihnachtsfeier nach dem Gottesdienst in Kreuzberg organisiert. Kreuzberg,
das ist ein kleiner Ort an der Ahr, den die Flut doppelt hart getroffen hat. Hier
sind die Ahr und der Sahrbach durchgerauscht. Die Weihnachtsfeier war für die
Menschen …
O-Ton Tamara Orschler: „… die nicht mehr Zuhause Weihnachten feiern
können, aber auch nicht wollen, weil ihnen einfach nicht danach ist.“
Autorin: So ein richtiges Weihnachtsfest, nur eben im Zelt und
nicht Zuhause. Aber mit Programm – fast wie Zuhause:
O-Ton Tamara Orschler: „Zum Beispiel hatten wir den Blumenkönig
gespielt. Das heißt, jeder bekommt einen Pudding und in einem Pudding ist eine Mandel
drin. Und, derjenige oder diejenige, die den Pudding hat, ist dann für ein Jahr
Blumenkönig. Das ist eine Familientradition aus meiner Familie, und das hatte
ich mitgebracht.“
Autorin: Essen, spielen, reden, feiern … Aber die Flut
vergessen? Wenigstens für einen Abend? Das ging dann eben doch nicht. Das
Wasser ist immer noch allgegenwärtig. In den Wänden und in den Seelen.
O-Ton Tamara Orschler: „Und dann wurde natürlich auch viel
erzählt bei der Weihnachtsfeier. Wir haben über Themen vor der Flut geredet,
über die Flutnacht wurde viel geredet, es wurde über das „wie es weitergeht“
geredet. Wir hatten auch viele Kinder bei der Weihnachtsfeier dabei, die nicht
mehr Zuhause sein können, wo eventuell auch das Haus abgerissen wird. Also, war
die Stimmung natürlich manchmal ein bisschen traurig, aber sie war auch oft sehr
lustig.“
Autorin: Tamara Orschlers Team bleibt noch einige Monate im Ahrtal.
Gesprächsbereit und bereit, zuzupacken. Nach unserem Gespräch ist die Sozialpädagogin
auf dem Sprung. Mit ein paar Jugendlichen will sie Brenn-Holz im Sahrbachtal
ausliefern. Damit’s da wärmer und heller wird.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57186_WDR220220110Riedel.mp3