Der Kirchturm

Kirche in WDR3 | 27.08.2022 | 00:00 Uhr

O-Ton (Glockenläuten Christuskirche Schwelm, WDR Archiv)

Guten Morgen.

Wozu ist eigentlich ein Kirchturm

da?

Auf diese Frage hat eine

Konfirmandin ohne Zögern so geantwortet: „Na, ja. Das ist wie ein großer Staubsauger.

Nur dass da eben nicht Staub, sondern alle Sorgen, Nöte und Gebete der Menschen

in dieser Gemeinde wie in einem Kamin nach oben gesaugt werden und von dort gehen

sie dann direkt in den Himmel…“

Gelächter in der Gruppe. Aber

sie macht unbeeindruckt weiter:

„Gott macht damit, was er

will. Und wenn er will, dann funktioniert das Ganze auch umgekehrt. Er schickt

seine Kraft dann durch den Kirchturm direkt wieder in die Kirche und von da aus

verbreitet sich Gottes Wille in der ganzen Gemeinde.“

So weit, so plausibel, oder? Wäre

eigentlich ganz schön…

Was wirklich zwischen Himmel

und Erde geschieht, bleibt ja weiter ein Geheimnis. Aber ein Kirchturm

verbindet beide – Himmel und Erde – immerhin symbolisch miteinander.

Ein sympathischer Grund mehr,

in die Kirche zu gehen. Immerhin ein Ort, der dazu gebaut ist, es den Betenden

ein Stück leichter zu machen. Sie gehen alleine hinein. Können ohne Ablenkung

von außen ruhig werden und mit Gott Zwiesprache halten. Oder sie versammeln

sich, um gemeinsam zu beten. Die Kirche also nicht nur ein Ver-sammlungsort

für den Sonntagsgottesdienst, sondern vielleicht schlicht ein Sammel-ort

für alle Nöte, Gebete und Hoffnungen der Menschen.

Die Konfirmandin, die das

gesagt hat, ist ziemlich sportlich; sie kennt sich in Sachen „Kraft“ ganz gut

aus. Und ich muss sagen, mir gefällt, wie sie das beschreibt. Ein Gebet das mit

Energie und Tempo durch den Kirchturm nach oben zu Gott aufsteigt und diese

Kraft von Gott, die von oben auf die Gemeinde herunterkommt. Dass „Beten“ auch

ganz still und leise im eigenen Kämmerlein, in freier Natur oder sonst irgendwo

möglich ist, ist unbestritten. Aber in Gedanken den Kirchturm dafür in Anspruch

zu nehmen – finde ich ganz nachvollziehbar. Ein Kirchturm ragt in das Offene,

in die Weite der allumspannenden Liebe Gottes oder den Himmel eben. Den hat man

sich früher als Sitz Gottes vorgestellt. Aber er kann ja überall sein. Der

Kirchturm vor meinem Fenster aber erinnert mich jeden Tag daran, dass mein

Gebet eine Richtung hat. Zu Gott, wo auch immer ich ihn vermute. Weit hinaus

über meinen engen Horizont. Eine sehr schöne Vorstellung, die ich meiner

Konfirmandin zu verdanken habe.

Ich wünsche Ihnen allen einen

guten Morgen. Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 27.8.2022
  • Nicola Thomas-Landgrebe
  • (Kirche im WDR)
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