O-Ton (Glockenläuten Christuskirche Schwelm, WDR Archiv)
Guten Morgen.
Wozu ist eigentlich ein Kirchturm
da?
Auf diese Frage hat eine
Konfirmandin ohne Zögern so geantwortet: „Na, ja. Das ist wie ein großer Staubsauger.
Nur dass da eben nicht Staub, sondern alle Sorgen, Nöte und Gebete der Menschen
in dieser Gemeinde wie in einem Kamin nach oben gesaugt werden und von dort gehen
sie dann direkt in den Himmel…“
Gelächter in der Gruppe. Aber
sie macht unbeeindruckt weiter:
„Gott macht damit, was er
will. Und wenn er will, dann funktioniert das Ganze auch umgekehrt. Er schickt
seine Kraft dann durch den Kirchturm direkt wieder in die Kirche und von da aus
verbreitet sich Gottes Wille in der ganzen Gemeinde.“
So weit, so plausibel, oder? Wäre
eigentlich ganz schön…
Was wirklich zwischen Himmel
und Erde geschieht, bleibt ja weiter ein Geheimnis. Aber ein Kirchturm
verbindet beide – Himmel und Erde – immerhin symbolisch miteinander.
Ein sympathischer Grund mehr,
in die Kirche zu gehen. Immerhin ein Ort, der dazu gebaut ist, es den Betenden
ein Stück leichter zu machen. Sie gehen alleine hinein. Können ohne Ablenkung
von außen ruhig werden und mit Gott Zwiesprache halten. Oder sie versammeln
sich, um gemeinsam zu beten. Die Kirche also nicht nur ein Ver-sammlungsort
für den Sonntagsgottesdienst, sondern vielleicht schlicht ein Sammel-ort
für alle Nöte, Gebete und Hoffnungen der Menschen.
Die Konfirmandin, die das
gesagt hat, ist ziemlich sportlich; sie kennt sich in Sachen „Kraft“ ganz gut
aus. Und ich muss sagen, mir gefällt, wie sie das beschreibt. Ein Gebet das mit
Energie und Tempo durch den Kirchturm nach oben zu Gott aufsteigt und diese
Kraft von Gott, die von oben auf die Gemeinde herunterkommt. Dass „Beten“ auch
ganz still und leise im eigenen Kämmerlein, in freier Natur oder sonst irgendwo
möglich ist, ist unbestritten. Aber in Gedanken den Kirchturm dafür in Anspruch
zu nehmen – finde ich ganz nachvollziehbar. Ein Kirchturm ragt in das Offene,
in die Weite der allumspannenden Liebe Gottes oder den Himmel eben. Den hat man
sich früher als Sitz Gottes vorgestellt. Aber er kann ja überall sein. Der
Kirchturm vor meinem Fenster aber erinnert mich jeden Tag daran, dass mein
Gebet eine Richtung hat. Zu Gott, wo auch immer ich ihn vermute. Weit hinaus
über meinen engen Horizont. Eine sehr schöne Vorstellung, die ich meiner
Konfirmandin zu verdanken habe.
Ich wünsche Ihnen allen einen
guten Morgen. Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58922_WDR3520220827Landgrebe.mp3