„Wir glauben Gott im höchsten Thron“ (eg 184)

Choralandacht | 03.06.2023 | 00:00 Uhr

Autor: Es

gibt Lieder, die bringen einen heilsam anderen Klang in die Welt. Mitten im

Lärm der Zeit stimmen sie einen ungewohnten Ton an. Und lassen etwas in mir, in

meiner Seele schwingen.

Ein solches Lied ist für mich

der Choral „Wir glauben Gott im höchsten Thron“. Es stammt aus dem Jahr 1937,

ist so alt wie meine eigene Mutter. In ihm spüre ich etwas von dem Glauben, den

ich von meinen Eltern und Großeltern gelernt habe – und von dem tiefen

Geheimnis Gottes.

Musik 1: Choral, Strophe 1

Wir glauben Gott im höchsten

Thron; Text: Rudolf Alexander Schröder; Musik: Christian Lahusen; Interpreten:

Das Solistenensemble; Leitung: Gerhard Schnitter; Album: Der du die Zeit in

Händen hast; Label: 2019 haenssler CLASSIC; LC: 06047

Autor: Schon

die Melodie berührt mich. Christian Lahusen hat sie komponiert.

Sie besteht nur aus halben Noten.

Sie fließt ruhig dahin, wird

weder schneller, noch langsamer, wiederholt sich.

Es wirkt fast, als würden wir

mithineingenommen in die innere Bewegung Gottes.

In den tiefen Rhythmus von

Gottes Ewigkeit.

Eine majestätisch-würdevolle

Stimmung.

1937 klingt das wie ein

bewusster Gegenakzent zu den Kriegsmärschen und Kampfliedern, die damals im

Deutschen Reich wieder gesungen werden.

„Wir glauben Gott im höchsten

Thron“ – diese Melodie handelt von einem ganz anderen Herrscher: dem wahren

Herrn der Welt.

In drei Anläufen möchte ich

versuchen, mich mit Ihnen dem Geheimnis des Lieds anzunähern – und darin

zugleich dem Geheimnis Gottes.

Da ist erstens die Form: Der

Choral ist ein gesungenes Bekenntnis.

Nun haben Bekenntnisse sehr

verschiedene Funktionen:

Ich vergewissere mich, was ich persönlich glaube.

Wir drücken gemeinsam aus,

was uns als Gemeinschaft verbindet.

Und wir legen Zeugnis ab

gegenüber anderen.

All das kennen Sie vielleicht

auch von Bekenntnisliedern im Alltag – etwa im Stadion:

„Mer stonn zusammen“ in Köln,

„Die Seele brennt“ in Gladbach, „Wir halten fest und treu zusammen“ in

Dortmund.

In diesem Choral geht es aber

noch um etwas anderes: um das Lob Gottes.

Das ist es, was uns als Christinnen

und Christen ausmacht: Wir glauben, dass Gott regiert. Darauf hoffen wir, davon

singen wir – auch wenn die Welt damals wie heute oft anders aussieht: „Wir

glauben Gott im höchsten Thron.“

Womit wir – zweitens – beim

Inhalt wären. Das Lied greift zurück auf uralte Bekenntnisse der Christen aus

den ersten Jahrhunderten. Dort wie hier wird Gott „trinitarisch“ beschrieben –

als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das meint: Gott ist in sich selbst eine Art

Familie, ein Beziehungswesen – und umgibt mich so von allen Seiten. Gott ist

über mir, neben mir, in mir. Und: Gott ist ein Liebesgeschehen. Gott ereignet

sich.

Zweimal wird in dem Choral

das Geheimnis der Trinität Gottes durchschritten.

Musik 2: Choral, Strophen 1-2

Sprecherin (overvoice):

1.

Wir glauben Gott im höchsten Thron,

wir

glauben Christum, Gottes Sohn,

aus

Gott geboren vor der Zeit,

allmächtig,

allgebenedeit.

2.

Wir glauben Gott, den Heilgen Geist,

den

Tröster, der uns unterweist,

der

fährt, wohin er will und mag,

und

stark macht, was daniederlag.

Autor: Auffällig

ist der Einstieg, der dreimal vorkommt: „Wir glauben Gott.“

Glauben gibt es nur in der

Gemeinschaft mit anderen: „Wir

glauben“.

Ohne den Glauben meiner

Eltern, Geschwister und vieler anderer gäbe es meinen Glauben nicht – auch wenn

mir niemand das Glauben abnehmen kann.

Und Glauben wird hier als

Vertrauen verstanden.

Es heißt nicht „Wir glauben an Gott“,

sondern „Wir glauben Gott“.

So wie wir das manchmal zu ganz

besonderen Menschen sagen: „Ich vertraue dir.“

Das meint Glauben.

Die ersten beiden Strophen

betonen besonders die Gottheit Gottes.

Es geht darum, wer Herr der

Geschichte ist und die Welt in seinen Händen hält.

Nämlich Gott allein. Das gilt

es immer wieder neu zu betonen angesichts der Zerstörung, die menschliche Herrscher

damals wie heute über andere bringen. Ihre Macht ist begrenzt.

Gerade in schwierigen Zeiten

tut es mir gut, mich an Gottes Gottheit erinnern zu lassen. Das rückt meine

Perspektiven heilsam zurecht.

Ein zweites Mal wird das

Geheimnis der Trinität Gottes durchschritten. Diesmal noch stärker in seiner

Zuwendung zu uns.

Musik: Choral, Str. 3+4

Sprecherin (overvoice):

3.

Den Vater, dessen Wink und Ruf

das

Licht aus Finsternissen schuf,

den

Sohn, der annimmt unsre Not,

litt

unser Kreuz, starb unsern Tod.

4.

Der niederfuhr und auferstand,

erhöht

zu Gottes rechter Hand,

und

kommt am Tag, vorherbestimmt,

da

alle Welt ihr Urteil nimmt.

Autor: Vom Vater wird hier nur kurz bekannt, dass er „das

Licht aus Finsternissen schuf“.

Die ganze Schöpfung ist darin

inbegriffen: in der Erschaffung des Lichts.

Es drückt die tiefe Hoffnung

aus, dass am Ende einmal alles Dunkle vergehen wird.

Gott hat die Macht dazu. Ein

Wink, ein Ruf – und was dunkel war, wird hell.

Dann wird ausführlich das

Wirken des Sohnes beschrieben – und zwar als Leiden „für uns“:

„litt unsre Not, trug unser

Kreuz, starb unsern Tod.“

Das ganze Leben Christi konzentriert auf zwei Worte:

der „niederfuhr und auferstand“.

Gott

macht sich klein, um uns groß zu machen.

Geht

bildlich gesprochen hinunter, um uns hinaufzuführen.

Und der Heilige Geist, die

Geisteskraft, wie manche sagen?

Sie stiftet Gemeinschaft

unter uns: „lässt Christen Christi Kirche

sein.“

Und sie bewahrt uns bis ans

Ende, wenn wir in Christus selbst einmal Gott schauen werden, so heißt es in

der letzten Strophe.

Musik:

Choral, Strophe 5

Sprecherin

(overvoice):

5.

Den Geist, der heilig insgemein

lässt

Christen Christi Kirche sein,

bis

wir, von Sünd und Fehl befreit,

ihn

selber schaun in Ewigkeit.

Amen.

Autor: Ein dritter Anlauf, um das Lied zu verstehen: der

Autor.

Der Liedtext wurde verfasst

von Rudolf Alexander Schröder.

Schröder war ein echtes

Multitalent: Schriftsteller, Übersetzer,Dichter, Architekt und Maler.

Er begründete u.a. die

Zeitschrift „Die Insel“ mit, aus der später der Insel-Verlag hervorging.

Früh kritisierte er den

Ungeist der NS-Diktatur.

Ende 1935 zog er sich aus

Bremen in das abgeschiedene Bergen in Bayern zurück: in die innere Emigration –

auch wenn er sich mit den Nazis verschiedentlich arrangierte.

So wurde er 1938 von der Stadt

Bremen ausgezeichnet; zugleich erhielt er 1941 Vortragsverbot.

Sein Lied, 1937 verfasst, ist

ein klares Bekenntnis gegen Größenwahn, Menschenverachtung und totalitäres

Denken – und zwar gerade, indem er einfach nur von Gott redet.

Kein Mensch sitzt im höchstem

Thron. Sondern allein Gott.

„Wir glauben Gott im höchsten Thron“ – das Lied wird weiterhin in unseren Kirchen

gesungen, als Bekenntnis unseres Glaubens.

Ich kann das nur empfehlen.

Den Herrschenden als Mahnung.

Den Leidenden als Hoffnung.

Und uns allen, damit wir uns

nicht abfinden mit der Welt, wie sie ist, und Kraft finden, um aus Glauben zu handeln.

Glauben und Handeln, „Mystik

und Widerstand“, beide gehören unlöslich zusammen.

Beides wird heute dringend

gebraucht.

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

  • 3.6.2023
  • Thorsten Latzel
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