geänderte Wiederholung vom 12.12.2012
Guten
Morgen.
Ob
die Klingel wohl kaputt ist? Leah verlässt die Wohnung, rennt die Treppe
runter, macht die Haustür auf und klingelt – bei sich selbst. Ah, ja, sie kann
es bis hier unten hören, oben in ihrer Wohnung läutet es. Noch ein paar Mal
drücken, ja, ja, doch die Türklingel funktioniert. Schnell wieder rauf. Nicht
dass er grad kommt, wenn sie noch im Hausflur ist. Leah ist nervös. Wann kommt
er denn endlich… ob er vielleicht versucht hat, anzurufen? Hat sie ihr Smartphone
vielleicht aus Versehen stumm geschaltet? Oh Gott, wenn er nach dem Weg fragen
wollte und sie ist nicht rangegangen… Das Smartphone aber zeigt keinen „Anruf
in Abwesenheit“, auch keine Nachricht im Messenger an. Halb sechs wollte er da
sein. Jetzt ist es schon fast viertel vor sechs. Wenn er nun doch nicht kommt?
Wenn er es sich anders überlegt hat? Gut, dass er nicht sieht, wie sehnsüchtig
sie wartet, wie groß ihre Hoffnung ist. Mit ihm soll alles anders, alles gut
werden.
Warten
– das kann furchtbar sein. Warten, das ist nicht nur täglich ein Türchen am
Adventskalender öffnen und auf die Geschenke am Heiligen Abend hinfiebern.
Warten – das wissen Kinder und Erwachsene, kann große Schmerzen bereiten. Gerade
in den letzten zwei Jahren der Corona-Pandemie macht es uns unruhig: Warten auf
Entscheidungen der Regierung, den Impftermin. Warten – dass wir uns wieder
unbeschwert begegnen können. Dass wir einander im Krankenhaus besuchen können.
Das
deutsche Wort „warten“ kommt von „auf der Warte wohnen“. Die „`Warte` ist der
Ort der Ausschau, der Wachtturm. Warten meint also: Ausschau halten, ob jemand
kommt, umherschauen, was alles auf uns zukommt.“ (Anselm Grün) Manchmal ist es
ein einsames, vergebliches Warten dort oben auf dem Turm.
Die
Bibel ist voller Geschichten vom Warten. Kinderlose warten darauf, endlich
schwanger zu werden. Menschen werden getrennt durch List, Deportation und Krieg
und vermissen einander. Liebenden werden lange Wartezeiten auferlegt, bis sie
zusammen kommen können. Und alle warten auf den Messias. Den Retter der Welt,
den Gott versprochen hat. Mit ihm soll alles anders, alles gut werden.
Und
wenn das lang Ersehnte dann endlich da ist – dann müsste doch eigentlich
unbändige Freude ausbrechen. Denn am Ende des langen Wartens steht doch
eigentlich das, weswegen sich das Warten lohnt: die Freude. Und hier kommt dann
die zweite Bedeutung des deutschen Wortes „warten“ ins Spiel. Warten kann auch
heißen: „auf etwas Acht haben, etwas pflegen“.
Wer
wartet, ist manchmal blind für das, was zu ihm kommen will. Wenn ich auf den
Traumprinzen oder die Traumprinzessin warte, habe ich oft eine so feste
Vorstellung davon wie er oder sie sein soll, dass ich die wahre Liebe übersehe.
Wenn
ich immer warte, dass es endlich einen besseren Job, eine schönere Wohnung oder
überhaupt ein schöneres Leben für mich gibt, verpasse ich womöglich die
Sternstunden des Augenblicks. Warten im Advent – das heißt achtsam Ausschau
halten nach dem, was zu mir kommen will oder schon längst da ist. Ich habe es
nur noch nicht bemerkt.
Warten
im Advent, das heißt: den Schmerz des Wartens annehmen.
Denn
er zeigt mir, wonach mein Herz sich sehnt.
Die
Hoffnung pflegen.
Und
Warten im Advent – das heißt achthaben auf die Zeichen, die Gott uns sendet.
Die uns den Weg weisen zu dem, was uns und die Welt rettet.
Spannende
Entdeckungen „auf der Warte“ im Advent wünsche ich Ihnen.
Es
grüßt sie, Petra Schulze aus Düsseldorf.
Literatur:
Anselm
Grün, Weihnachten? Einen neuen Anfang feiern, Freiburg 1999, S. 16f.
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