Krippenfiguren

Sonntagskirche | 25.12.2022 | 00:00 Uhr

Einen gesegneten ersten

Weihnachtstag!

Das hatte sie nicht zu

träumen gewagt. Ein fester Job. Jeden Tag von drei bis sechs. So lange steht

sie Tag für Tag mit ihrem Freund auf dem Wittener Weihnachtsmarkt. Vor ihrem

kleinen Holzhaus ein paar niedrige Bänke. Darauf sitzen am Nachmittag die Kinder

und warten auf Geschichten. Jeden Tag kommt jemand anderes und liest ihnen vor.

Maria findet ihren Job hier auf dem Weihnachtsmarkt toll. Sie ist

Saisonarbeiterin. Allerdings hatte man sie gleich am Anfang gewarnt. „Lass dich

mal bei der Zuwanderungsstelle der Diakonie beraten. Wer weiß, ob du hier

überhaupt arbeiten darfst. Schließlich bist du aus Nazareth und erst fünfzehn.“

Maria hörte von Hilfsmöglichkeiten für minderjährige Geflüchtete wie sie

selbst, die oft ohne Eltern kommen. Und sie darf auf dem Weihnachtsmarkt

aushelfen. Maria ist zufrieden. Die Kinder kommen in Scharen und haben Eltern

und Großeltern oder andere Erwachsene dabei. „Geschichten am Stall“ heißt die

Erzählstunde. Denn das Holzhaus, in dem Maria und ihr Freund Josef arbeiten,

ist mit Heu und Stroh gefüllt. Ein Stall. In der Mitte eine Krippe, in der das

Kind liegen kann. Links und rechts Maria und Josef als stolze Eltern. Der Weihnachtsmarkt

ist am Heiligen Abend zu Ende. Zeit, um endgültig Abschied zu nehmen. Von den

Schaustellern und den Weihnachtsmarktbesuchern. Maria zieht ihren königsblauen

Umhang noch ein bisschen fester zu. Abschied lässt sie immer frösteln. Was sie mitnimmt

– leuchtende Kinderaugen, den Duft von gebrannten Mandeln und Bratwurst.

Kerzenschein und das Geläut der Kirchenglocken von der Kirche am Markt.

Maria hatte ihre Geschichten

auf verschiedenen Social Media Plattformen geteilt. Und dort haben sich in

kurzer Zeit hunderte Freundinnen und Freunde gefunden. Manche Follower:innen hat

sie an ihren Arbeitsstellen oder zu Hause besucht. So war sie in einem Hutsalon

und im Fitnessstudio. Sie saß mit am Kamin, schlief auf dem Sofa, hatte Spaß

mit Konfirmanden und Kindergartenkindern, war zu Gast bei Gospelchören oder bei

einem Thanks-Giving-Dinner.

Über die sozialen Netzwerke

konnten alle virtuellen und realen Freunde an ihren Besuchen teilhaben. Und

sogar Fernsehsender wurden auf sie aufmerksam, berichteten über sie und ihre

Freunde.

Maria und ihr Freund Josef,

sie sind Schaufensterpuppen. Lebensgroße Krippenfiguren. Im Einsatz auf einem Weihnachtsmarkt.

Wenn Maria zu Besuch ist und mit am Tisch sitzt beim Abendbrot und Frühstück, dann

ändern sich die Gesprächsthemen. Man denkt drüber nach: Was kann ich tun für

unbegleitete Flüchtlingskinder? Wie kann ich minderjährige Mütter unterstützen?

Warum gibt es nicht mehr bezahlbaren Wohnraum für alle?

Die Anwesenheit von Maria,

Josef und dem Kind, den Hirten, Engeln und Königen heiligt unsere Alltagsräume.

Im besten Fall kommen wir mit ihnen ins Gespräch.

Wenn Sie eine Krippe haben –

wie sieht sie aus? Und wenn Sie keine haben: Gehen Sie doch mal in die offenen

Kirchen ihres Ortes. Da findet sich bestimmt eine. Schauen Sie sich die Figuren

an, und lassen Sie sie zu sich sprechen.

Vielleicht fehlt Ihnen eine

Figur? Oder vielleicht fragen Sie sich: Wann ist Jesus eigentlich weiß

geworden? Und fragen Sie auch ruhig die, denen die Krippe gehört. Vielleicht

liegt dort ja dann im nächsten Jahr ein Jesuskind, das aussieht, als käme es

aus Israel, Palästina. Und wenn Sie mögen, erzählen Sie jemandem davon, welche

Figur Sie am meisten begeistert. Eine gute Zeit.

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59845_SK20221225Schulze.mp3

  • 25.12.2022
  • Petra Schulze
  • © CCO Pixabay
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