Einen gesegneten ersten
Weihnachtstag!
Das hatte sie nicht zu
träumen gewagt. Ein fester Job. Jeden Tag von drei bis sechs. So lange steht
sie Tag für Tag mit ihrem Freund auf dem Wittener Weihnachtsmarkt. Vor ihrem
kleinen Holzhaus ein paar niedrige Bänke. Darauf sitzen am Nachmittag die Kinder
und warten auf Geschichten. Jeden Tag kommt jemand anderes und liest ihnen vor.
Maria findet ihren Job hier auf dem Weihnachtsmarkt toll. Sie ist
Saisonarbeiterin. Allerdings hatte man sie gleich am Anfang gewarnt. „Lass dich
mal bei der Zuwanderungsstelle der Diakonie beraten. Wer weiß, ob du hier
überhaupt arbeiten darfst. Schließlich bist du aus Nazareth und erst fünfzehn.“
Maria hörte von Hilfsmöglichkeiten für minderjährige Geflüchtete wie sie
selbst, die oft ohne Eltern kommen. Und sie darf auf dem Weihnachtsmarkt
aushelfen. Maria ist zufrieden. Die Kinder kommen in Scharen und haben Eltern
und Großeltern oder andere Erwachsene dabei. „Geschichten am Stall“ heißt die
Erzählstunde. Denn das Holzhaus, in dem Maria und ihr Freund Josef arbeiten,
ist mit Heu und Stroh gefüllt. Ein Stall. In der Mitte eine Krippe, in der das
Kind liegen kann. Links und rechts Maria und Josef als stolze Eltern. Der Weihnachtsmarkt
ist am Heiligen Abend zu Ende. Zeit, um endgültig Abschied zu nehmen. Von den
Schaustellern und den Weihnachtsmarktbesuchern. Maria zieht ihren königsblauen
Umhang noch ein bisschen fester zu. Abschied lässt sie immer frösteln. Was sie mitnimmt
– leuchtende Kinderaugen, den Duft von gebrannten Mandeln und Bratwurst.
Kerzenschein und das Geläut der Kirchenglocken von der Kirche am Markt.
Maria hatte ihre Geschichten
auf verschiedenen Social Media Plattformen geteilt. Und dort haben sich in
kurzer Zeit hunderte Freundinnen und Freunde gefunden. Manche Follower:innen hat
sie an ihren Arbeitsstellen oder zu Hause besucht. So war sie in einem Hutsalon
und im Fitnessstudio. Sie saß mit am Kamin, schlief auf dem Sofa, hatte Spaß
mit Konfirmanden und Kindergartenkindern, war zu Gast bei Gospelchören oder bei
einem Thanks-Giving-Dinner.
Über die sozialen Netzwerke
konnten alle virtuellen und realen Freunde an ihren Besuchen teilhaben. Und
sogar Fernsehsender wurden auf sie aufmerksam, berichteten über sie und ihre
Freunde.
Maria und ihr Freund Josef,
sie sind Schaufensterpuppen. Lebensgroße Krippenfiguren. Im Einsatz auf einem Weihnachtsmarkt.
Wenn Maria zu Besuch ist und mit am Tisch sitzt beim Abendbrot und Frühstück, dann
ändern sich die Gesprächsthemen. Man denkt drüber nach: Was kann ich tun für
unbegleitete Flüchtlingskinder? Wie kann ich minderjährige Mütter unterstützen?
Warum gibt es nicht mehr bezahlbaren Wohnraum für alle?
Die Anwesenheit von Maria,
Josef und dem Kind, den Hirten, Engeln und Königen heiligt unsere Alltagsräume.
Im besten Fall kommen wir mit ihnen ins Gespräch.
Wenn Sie eine Krippe haben –
wie sieht sie aus? Und wenn Sie keine haben: Gehen Sie doch mal in die offenen
Kirchen ihres Ortes. Da findet sich bestimmt eine. Schauen Sie sich die Figuren
an, und lassen Sie sie zu sich sprechen.
Vielleicht fehlt Ihnen eine
Figur? Oder vielleicht fragen Sie sich: Wann ist Jesus eigentlich weiß
geworden? Und fragen Sie auch ruhig die, denen die Krippe gehört. Vielleicht
liegt dort ja dann im nächsten Jahr ein Jesuskind, das aussieht, als käme es
aus Israel, Palästina. Und wenn Sie mögen, erzählen Sie jemandem davon, welche
Figur Sie am meisten begeistert. Eine gute Zeit.
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