Musik 1: Choral, Strophe 1
Herr, die Erde ist gesegnet (eg 512), Interpret:
Heinrich-Schütz-Kantorei Lüdenscheid, Komponist: Max Reger, Text: Christina
Rudolf Heinrich Puchta, Dirigent: Mary Sherburne, WDR-Eigenproduktion, LC: Z2323.
Sprecher (overvoice):
Herr, die Erde ist gesegnet von dem Wohltun
deiner Hand.
Güt und Milde hat geregnet, dein Geschenk bedeckt das Land:
auf den Hügeln, in den Gründen ist dein Segen ausgestreut;
unser Warten ist gekrönet, unser Herz hast du erfreut.
Autorin: Die
Wetter-App verspricht Regen für die Nacht. Wahrscheinlichkeit 80 %. Ich gehe
ins Bett, ohne draußen gegossen zu haben und hoffe, dass es regnen wird.
Am
Morgen wache ich auf und bin enttäuscht. Der Boden ist trocken. Die Blumen
lassen die Köpfe hängen. Und schon länger fällt mir auf: Die Bäume werfen viel
zu früh die Blätter ab.
Wenn
es doch endlich regnen würde, das wäre ein Geschenk des Himmels! Wie oft habe ich
das gedacht in den Monaten dieses Sommers. Wie sehnlich habe ich ihn vermisst –
den Regen.
Wie
habe ich gehofft und gewartet, dass der Himmel sich öffnet und der Regen Berge
und Täler benetzt. Und anders als in regenreichen Jahren schleicht sich in mein
Hoffen und mein Warten ein leises Gefühl von Demut.
Nein,
es ist nicht selbstverständlich, dass der Regen fällt und alles gut wächst. Es
war noch nie selbstverständlich. Aber mit dem Wandel unseres Klimas scheint es
noch weniger selbstverständlich. Dass Regen fällt, dass überhaupt etwas wächst
und lebt, es ist ein Segen.
Musik 1: Choral, Strophe 2
Sprecher (overvoice):
Aller Augen sind erhoben, Herr, auf dich zu jeder Stund,
dass du Speise gibst von oben und versorgest jeden Mund.
Und du öffnest deine Hände, dein Vermögen wird nicht matt,
deine Hilfe, Gab und Spende machet alle froh und satt.
Autorin:
Heinrich
Puchta, Theologe und Dichter, hat diese Worte aus Psalm 145 genommen, um sie in
sein Erntedanklied zu setzen. Mitte des 19. Jh.s dichtete er seine Liedstrophen
und unterlegte sie mit der bekannten Melodie eines Volksliedes. (1)
Ein klassisches Erntedanklied, die Worte getränkt in
Gottvertrauen. Der Mensch richtet voller Erwartung seinen Blick auf Gott und erfährt:
Gott gibt. – Ja, Gott gibt und es ist genug. Gott lässt es wachsen, und es ist
gut.
Ein Erntedanklied lässt sich vollmundig und fröhlich singen, wenn
der Altar zu Erntedank übervoll ist mit frisch geernteten Schätzen: Trauben und
Brot, Kürbis und Kartoffeln, Äpfel und Möhren – und vieles mehr.
Aber was, wenn es nicht genug ist? Was, wenn nicht alles gut ist?
Was singen wir, wenn der Regen ausbleibt, die Trauben vertrocknen
und der Mais viel zu früh, „notreif“ geerntet werden muss?
Was singen wir, wenn die Schiffe mit Getreide nicht den Hafen
verlassen können und am anderen Ende der Welt Tiere und Menschen verhungern,
weil in Europa die Menschen Krieg führen?
Was singen wir, wenn wir kein Vertrauen mehr haben in Gott und die
Menschen und in den guten Rhythmus von Sonne und Regen? Was singen wir, wenn
wir wissen, dass wir selber schuld sind?
Musik 2 – „O Durchbrecher aller Bande“ (Orgel)
Komponist: Sigfrid Karg-Elert, Interpret:
Wolfgang Stockmeier (Orgel); Label: cpo; LC: 08492
Sprecher (overvoice): Strophe
3
Du
gedenkst in deiner Treue an dein Wort zu Noahs Zeit,
dass dich nimmermehr gereue deine Huld und Freundlichkeit;
und solang die Erde stehet, über der dein Auge wacht,
soll nicht enden Saat und Ernte, Frost und Hitze, Tag und Nacht.
Autorin: Wir könnten
singen, was Heinrich Puchta aus 1. Mose 8 genommen und in Strophe 3 seines
Erntedankliedes verdichtet hat. Wir könnten singen von Gottes Versprechen,
allem, was lebt, trotzdem treu zu bleiben.
Nicht,
weil wir Menschen so gut wären und es verdient hätten. Gott weiß, wie unfähig
und beschränkt wir Menschen sind. Gott bleibt uns dennoch liebevoll zugewandt.
Wir
können singen, weil es das Trotzdem Gottes gibt.
Sprecherin: 1. Mose 8, 21+22 (Luther)
Und Gott sprach in seinem Herzen:Ich will hinfort nicht mehr die Erde
verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse
von Jugend auf.(…)22Solange die Erde steht, soll nicht aufhören
Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Autorin: In den
letzten Jahren und Jahrzehnten war es leicht in unserem Land, für die Fülle zu
danken. Der Mangel war ein Problem der anderen. Wir haben das oft ausgeblendet.
Es
könnte wie ein milder, gnädiger Sommerregen für unsere Seele sein, wenn wir in
diesem Jahr nicht nur danken, sondern auch in Worte und Töne fassen: Wir wissen
um unsere Schuld. Das Herz ist uns schwer. Wir wissen, wie das Klima besser
geschützt werden kann, aber viele sind zu bequem. Wir könnten abgeben, aber die
meisten halten lieber fest. Wir sehen die Not der anderen und bleiben oft bei
uns selbst.
Musik 2 – „O Durchbrecher aller Bande“
(Orgel)
Sprecher (overvoice):
Herr, wir haben solche Güte nicht verdient, die du getan;
unser Wissen und Gemüte klagt uns vieler Sünden an.
Herr, verleih, dass deine Gnade jetzt an unsre Seelen rührt,
dass der Reichtum deiner Milde unser Herz zur Buße führt.
Autorin:Als
ich am Morgen aufwache, liegt Feuchtigkeit in der Luft.
Die Erde atmet auf. Ich atme tief durch.
Endlich hat es geregnet. Ein Geschenk des Himmels.
Ich stehe auf und gehe im Garten zum Baum, der seine
abgeworfenen Blätter leider nicht wiederbekommen wird. Trotzdem wird er leben.
Ich bin erleichtert. Die Trockenheit dieses Sommers, sie
hat sich festgesetzt in allem Leben um mich her und auch in mir.
Aber der Regen dieser Nacht legt sich auf alles und
berührt mich. Was für ein Segen! Mein Erschrecken über den Zustand der Welt und
die eigene Schuld verwandelt sich in den tiefen Wunsch es anders zu machen.
Besser gesagt: Es gut zu machen. Mit Gottes Hilfe.
Sprecher:
Hilf, dass wir dies Gut der Erden treu verwalten
immerfort.
Alles soll geheiligt werden durch Gebet und Gotteswort.
Alles, was wir Gutes wirken, ist gesät in deinen Schoß
und du wirst die Ernte senden unaussprechlich reich und groß.
Musik 1: Choral, Strophe 6
Quellen:
(1)
O du Liebe meiner Liebe. Vgl. Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, Heft
18, Göttingen 2013, 87.
Redaktion:
Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth