Neulich im Gottesdienst

Kirche in WDR3 | 25.03.2023 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Neulich war ich im Gottesdienst! Nun

werden Sie sich fragen, was daran besonders ist? Als Pastor geht man doch sonntags

in den Gottesdienst. Richtig, und trotzdem war es etwas anders. Und zwar so:

Ich habe frei, ich muss nicht in meiner

Gemeinde predigen! Und da denk‘ ich mir, geh‘ doch einfach mal in die nächste

Kirche. Besuche doch mal deine Nachbarn sozusagen. Schnell im Internet nachgesehen,

der Gottesdienst fängt schon um 9.30 Uhr an! Der Weg ist aber nicht weit, so komme

ich noch rechtzeitig an. Die Kirche ist zu. Zum Glück sind da noch andere

Gottesdienstbesucher und die sprechen von der "Winterkirche" im

Gemeindezentrum um die Ecke.

Wir also hin. Ich sitze in einem hellen, warmen Gemeindesaal umringt von

fremden Menschen. Die Lieder sind zum großen Teil bekannt, der Ablauf nicht

ganz so. Im Liederbuch finde ich ein Gottesdienstprogramm mit dem Ablauf. Das finde

ich gut.

Die Pastorin beginnt zu predigen. Den Bibeltext kenne ich natürlich. Die Pastorin

legt ihn sehr aktuell aus. Nicht schlecht, denke ich. Ich gebe es zu, ich bin

kein guter Predigthörer. Immer denke ich, das würde ich anders machen, der Satz

war viel zu lang, und da könnte man doch anders…

Und plötzlich schießt mir ein Satz mitten durchs Herz. Die Pastorin sagt

sinngemäß: "Manchmal fühlen wir ein

tiefe Traurigkeit, weil wir einen lieben Menschen verloren haben. Diese

Traurigkeit kostet uns Kraft." Volltreffer. Mir kommen fast die

Tränen.

Ich wollte es ja irgendwie nicht

wahrhaben. Im Sommer letzten Jahres ist meine Schwester mit 64 Jahren an Krebs gestorben.

Mit ihren zwei erwachsenen Kindern zusammen haben wir sie begleitet, begleitet

bis zu ihrem Ende im Hospiz. Meine Schwester hat an Gott und die Auferstehung

geglaubt. Das war und ist mein Trost.

Und so dachte ich damals: "Wird schon wieder." Und wunderte mich im

letzten halben Jahr, warum mir manches so schwerfällt. Natürlich denke ich oft

an meine große Schwester. Mit Dankbarkeit, mit schönen Erinnerungen, mit

Trauer. Aber so manche Traurigkeit der letzen Monate konnte ich nicht

einordnen. Und auch nicht, warum ich manche Sachen nur mit Mühe erledigen

konnte. Vorher hatte ich die mit Leichtigkeit und Freude gemacht. Nun dauert

alles viel länger. Hinterher bin ich erschöpft.

Dieser eine Satz aus der Predigt in mein Herz hinein hat mir die Augen

geöffnet. Die Trauer kostet Kraft. Da hat Gott direkt zu mir gesprochen, davon

bin ich überzeugt.

Die Pastorin hat natürlich auch

Vorschläge, wie neue Kraft getankt werden kann. Das kannte ich natürlich auch

schon. Aber es war nötig, dass ich das nochmal gesagt bekam:

beten, in der Bibel lesen, andere

treffen, im Verein, im Freundeskreis, im Gottesdienst, Abendmahl feiern. Ach

übrigens, morgen ist Sonntag, und in vielen Kirchen und Gemeinden ist Gottesdienst.

Vielleicht hören Sie ja dort auch so einen Satz, der durchs Herz geht. Das

wünsche ich Ihnen, von Herzen!

Ihr

Pastor Heddo Knieper aus Soest.

Redaktion:

Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60671_WDR3520230325Knieper.mp3

  • 25.3.2023
  • Heddo Knieper
  • © CCO Pixabay
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