Autor:
Heute
genau in einer Woche ist Heiligabend. Es wird ein besonderes Weihnachten sein.
So viele Sorgen lasten auf unseren Tagen. Jetzt ein Lied, das in Wort und Klang
echt ist, das an dem Schwarz und dem Schweren nicht vorbeisieht – und das
gleichzeitig ein Mutmacher sein kann! „O komm, o komm du Morgenstern“: In der Evangelischen Kirche ist dies das Lied für die 4.
Adventswoche. Otmar Schulz hat die Verse für die Fassung im Evangelischen
Gesangbuch gedichtet. Er selbst hat einmal dazu gesagt:
Sprecher:
Das
Lied habe ich ins Deutsche übertragen, weil ich allein schon die Melodie
hinreißend finde. Ich habe sie vor vielen Jahren zuerst im Satz von Zoltan
Kodaly gehört und war restlos begeistert! Seitdem hat sie mich nicht
losgelassen.
Musik
1
Veni, veni, Emmanuel
Titel:
Veni, veni, Emmanuel; Komponist: Koda?ly, Zolta?n; Interpret: MDR-Rundfunkchor;
Leitung: Ahmann, Philipp; Label: GENUIN; LC: 12029.
Veni,
veni Emmanuel! Captivum solve Israel! Qui gemit in exilio,
Privatus Dei Filio, Gaude, gaude, Emmanuel Nascetur pro te, Israel.
Autor:
Wie
da am Ende Licht aufstrahlt in dieser dunkel getönten Sehnsuchts-Melodie! Unter
dem Lied steht im Gesangbuch, dass Schulz sie nach dem englischen „O come, o
come Emmanuel“ gedichtet habe. Er selbst aber sagt, dass sein Text auf den
lateinischen Vorläufer zurückgeht. Schulz hat sieben Strophen auf drei
verdichtet. Und gleich die erste bittet: Mach es hell!
Musik
2 (Choral, Strophe 1)
Titel:
O komm, o komm, du Morgenstern; Text: Otmar Schulz; Komposition: unbekannt
(Frankreich, 15. Jh); Interpreten: Wilhelmshavener Vokalensemble; Leitung: Ralf
Popken; Album: Die Nacht ist vorgedrungen; Verlag: Hansisches Druck- und
Verlagshaus GmbH, Hamburg; Label: Edition Chrismon; LC: 16005. (1:50-2:28 =
0:38)
Sprecherin
(overvoice): O komm, o komm, du Morgenstern, lass uns dich schauen, unsern
Herrn! Vertreib das Dunkel unsrer Nacht durch deines klaren Lichtes Pracht.
Autor: Gerade in den
dunkelsten Tagen des Jahres gehen wir zu auf Weihnachten. Das passt. Der
Morgenstern ist das klare Signal, dass auch die tiefste und längste Nacht nicht
unendlich ist. Freilich: der Morgenstern, der hier herbeigesungen wird, der
steht nicht hoch und fern am Himmel. Er liegt als Kind in einer Krippe. In
einem kalten Stall, in einem besetzten Land. Der Morgenstern ist nicht oben, er
ist unten. Vom ersten Weihnachten an. Der Maler Paul Klee hat 1915, also im I.
Weltkrieg, gedichtet: „Mein Stern ist aufgegangen / tief unter meinen Füßen!“ Das
ist das kürzeste Advents- und Weihnachtsgedicht, das ich kenne. „Das Dunkel unserer
Nacht“: Das ist die Finsternis, die wir Menschen
einander zufügen und die wir erleiden.
Musik
3 (Choral, Strophe 2)
Titel:
O komm, o komm, du Morgenstern; Text: Otmar Schulz; Komposition: unbekannt
(Frankreich, 15. Jh); Interpreten: Capella Vocale Schwelm; Leitung: Sabine
Horstmann; Sammlung: Singe Christenheit; WDR-Archivnummer 5111238101.
Sprecherin
(overvoice):
O
komm, du Sohn aus Davids Stamm, du Friedensbringer, Osterlamm. Von Schuld und
Knechtschaft mach uns frei und von des Bösen Tyrannei.
Autor:
Gleich
nach dem Nachtwort „Tyrannei“ folgt wieder der Refrain wie ein Licht, das
hereinbricht: „Freut euch, freut euch, der Herr ist nah. Freut euch und singt
Halleluja.“ Dahinter steht der Vers, der in der Evangelischen Kirche am 4.
Advent den Menschen als Wochenspruch mitgegeben wird. Da schreibt Paulus im 4.
Kapitel des Philipperbriefs:
Sprecher:
Freuet
euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure
Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
Autor:
Zweimal
fordert Paulus zur Vorfreude auf, weil die Nähe von Jesus doch schon so zu
spüren ist. Otmar Schulz fügt sogar noch ein drittes „Freut euch!“ hinzu und
endet mit einem Halleluja. Der Advent ist eine Fastenzeit genau wie die Wochen
vor Ostern. Im Gottesdienst soll hier eigentlich kein Halleluja gesungen
werden. Aber mit dieser alten Melodie ist es doch goldrichtig: Wie der
Morgenstern aus der Höhe in unsere tiefste Nacht herabsteigt, so setzt der
Refrain am allerhöchsten Ton ein und sinkt dann mit jedem „Freut euch!“ immer
tiefer und landet beim Halleluja auf dem Grundton, tief unter unseren Füßen.
Musik
2
freut
euch und singt Halleluja!
Autor: Der Morgenstern
der ersten Strophe wird in der Zweiten „Osterlamm“ genannt. So tief kann Gott
sinken – in unsere Finsternis hinein. Das Kind in der Krippe wird zum Mann am
Kreuz. Das Licht in der Weihnacht ist das Licht der Osternacht. Ach, das immer
wieder spüren zu können – nicht nur an diesen beiden Fest-Daten! Im Lied heißt
es: das Osterlamm ist der Friedensbringer und der Befreier von Schuld. Genau
das singen wir in unseren Kirchen vor jedem heiligen Abendmahl! „Christe, du
Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt,… gib uns deinen Frieden!“ In
meiner Gemeinde stehen wir dann im Kreis, der Herr ist nahe, ist mitten unter
uns, Vergebung von Schuld ist zu schmecken und zu sehen. Der Geist von diesem
sehr unspektakulären Friedensfest, er darf und er muss aus den Kirchen
hinauswandern in die Welt.
Musik
4 (instrumental)
Titel: Veni, veni Emmanuel; Interpreten: Suzuki, Masato (Orgel); Bach Collegium
Japan; Leitung: Suzuki, Masaaki; Label: BIS; LC: 03240.
Autor
(overvoice): Dieser Friedens-Geist möge in unser Weihnachtsfest hereinkommen! Alljährlich
der Hinweis von Psychologen, dass es gerade an Heiligabend in den Familien
kriselt. Unter der Tyrannei gegenseitiger Schuldvorwürfe hilft es nichts, einen
künstlichen Frieden machen und darüberlegen zu wollen. Wir könnten ehrlich sein
und uns eingestehen, dass uns der echte Frieden fehlt – und wir tatsächlich den
Friedensbringer brauchen. Einander „Güte kund tun“ – dieser schöne Ausdruck im
Philipperbrief – wir können das nur, wenn wir diese Güte zuerst geschenkt
kriegen an diesem Weihnachtsfest. Wir brauchen es, dass der Herr kommt – und
dass er bleibt…
Musik
3 (Choral, Strophe 3)
Sprecherin
(overvoice): O komm, o Herr, bleib bis ans End, bis dass uns nichts mehr von
dir trennt, bis dich, wie es dein Wort verheißt, der Freien Lied ohn Ende
preist.
Autor: „Und siehe, ich
bin bei euch bis an der Welt Ende“ – das verspricht Jesus in seinem Taufbefehl.
Und dies Ende wird ein neuer Anfang sein – mit ihm. Das gilt für das Weltende
und gilt individuell für unser jeweiliges Lebensende. Was wir hier nur immer
wieder punktuell erleben können, gibt es dann total: Freiheit von bedrückender
Nacht. Wie wunderbar die Melodie zu dieser Botschaft passt. Besonders wenn man
weiß, wofür sie einmal ursprünglich verwendet worden ist. Französische
Franziskanerinnen hatten im 15. Jahrhundert in ihrer Totenliturgie unter diese
Weise geschrieben: „Libera me, Domine, de morte æterna – Befreie mich, Herr,
vor dem ewigen Tod.“ Der Morgenstern, das Osterlamm hat versprochen, das zu
tun. Diese Melodie ist zum Adventslied geworden. Sie ist wie das Glöckchenläuten
genau in sieben Tagen, mit dem die Kirchen zu sich einladen zum
Weihnachtsgottesdienst.. Und dann treten wir ein. Und das Lied ist gleichzeitig
schon der Glöckchenklang aus dem Paradies, dem ewigen Friedensreich. Auch diese
Tür wird sich einmal für uns öffnen.
Musik
4 (instrumental)
Redaktion: Landespfarrer
Dr. Titus Reinmuth