Guten Morgen!
Was war Ihr erstes Wort nach dem Aufwachen?
– Bei mir fangen manche Tage eher mit Ur-Lauten als mit Worten an:
„Uaaah“.
Ich bin nicht so der Morgenmensch. Mehr Eule als Lerche.
Richtig sprechfähig bin meist
erst nach dem Kaltabduschen.
– Manche Tage beginnen auch mit „Oh, shit“. Unerledigte Aufgaben, die mir
plötzlich einfallen.
Das sind „gebrauchte Tage“.
Sie fangen schräg an und gehen
meist auch so weiter.
In diesen Zeiten sind es auch
die schrecklichen Bilder aus dem Ukraine-Krieg.
Sie lassen mich nachts oft
nicht los und sind morgens gleich wieder da.
– Es gibt aber auch die Tage, die mit einem „Schön“ anfangen.
Ich werde wach. Habe Zeit, um im Bett noch etwas nachzudenken. Die Sonne
scheint rein.
Solche Tage werden dann meistens auch gut.
Weil ich anders mit ihnen umgehe.
Wie ich in den Tag starte, bestimmt mit, wie es weitergeht.
Im christlichen Glauben wird dem Morgen deshalb besondere Aufmerksamkeit
geschenkt.
Morgenlob – Laudes. So nannten das früher die Christinnen und Christen.
Und darin übe ich mich morgens.
Gerade auch an schwierigen oder sogar schweren Tagen versuche ich, mit
einem Dank an Gott zu beginnen.
Nicht, weil ich glaube, dass Gott das nötig hätte.
Aber, weil es mir guttut.
Das ist für mich wie Zähneputzen für die Seele.
Ich schrubbe Sorgen weg. Und ich gehe anders mit meinen Ängsten und
Zweifeln um.
Eine Art geistliches Training, damit meine Seele nicht verkrampft.
Dazu dehne ich mich innerlich. Und nehme wahr, wie ich atme.
Ungefähr 25.000mal geschieht das in einem Menschenleben:
Ich wache morgens auf und bekomme mein Leben neu geschenkt.
Martin Luther hat dieses Gefühl in seinem Morgensegen so formuliert:
„Ich danke dir, mein himmlischer Vater,
durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn,
dass du mich diese Nacht vor allem
Schaden und Gefahr behütet hast.
Und bitte dich, du wolltest mich diesen
Tag auch behüten vor Sünde und allem Übel,
dass Dir all mein Tun und Leben gefalle.
Denn ich befehle mich, meinen Leib und
Seele und alles in deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit mir, dass
der böse Feind keine Macht an mir finde. Amen.“
Das ist eines meiner Lieblingsgebete am Morgen.
Ich nehme es nicht als selbstverständlich, dass ich bin. Ein Wunder,
jeden Morgen aufs Neue.
Und indem ich Gott danke, wird mir bewusst, was mir alles geschenkt ist:
meine Familie, die Arbeit, auch, dass ich in einem Land lebe, in dem Frieden
ist.
Mir hilft das sehr: Gerade bei den vielen belastenden Nachrichten in den
letzten Wochen.
das Schöne, das mir geschenkt ist, nicht aus dem Blick zu verlieren.
Vielleicht versuchen Sie es auch einmal.
Egal, wo Sie jetzt gerade sind:
Nehmen Sie sich eine Minute Zeit. Zehnmal ein und wieder ausatmen.
Und denken Sie daran, wofür Sie dankbar sind. Was für ein Wunder es ist,
dass es Sie gibt.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Tag – mit dem Gefühl: „Danke, Gott,
dass es mich gibt.“
Ihr Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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