Autor: Guten Morgen.
darf
ich Ihnen eine persönliche Frage stellen: Beten Sie? So persönlich, für sich?
Morgens,
vor dem Einschlafen oder beim Essen?
Meine
Erfahrung ist: Mit dem Beten ist es gar nicht so einfach.
Einerseits
spielt es für mich eine zentrale Rolle.
Beten
ist so etwas wie der Herzschlag meines Glaubens.
Ich
rede nicht über, sondern zu Gott. Bin ganz in seiner Gegenwart.
Es
ist gut, jemanden zu haben, um loszuwerden, was mir auf der Seele liegt.
Und
was ich sonst niemandem sagen könnte.
Gerade
dann, wenn die Welt in mir und um mich wieder einmal aus den Fugen ist.
Andererseits
fällt mir das Beten immer wieder schwer.
Dann
weiß ich gar nicht, was ich beten soll, oder wie. Und ob es Gott überhaupt
hört.
Das
ist eine Erfahrung, von der auch andere Menschen berichten, die viel beten.
Mutter
Teresa etwa schreibt davon in ihren Tagebüchern in den letzten Lebensjahren.
Sprecherin: (Weiblich!) „In meinem Innern ist es eiskalt.“ „Der Himmel bedeutet nichts
mehr – für mich schaut er wie ein leerer Platz aus.“ „Man erzählt mir, dass
Gott mich liebt, jedoch ist die Realität von Dunkelheit und Kälte und Leere so
überwältigend, dass nichts davon meine Seele berührt.“ (1)
Autor: Auch in der
Bibel ist wiederholt davon die Rede.
In
den Psalmen etwa, dem großen Gebetbuch des Volkes Israel.
Dort
beten Menschen zu Gott – und ringen zugleich immer wieder mit der Leere in
ihnen und über ihnen. Mit den Zweifeln am eigenen Gebet.
Ein
für mich sehr tröstlicher Gedanke findet sich dazu bei dem Apostel Paulus. Er
schreibt:
Sprecherin: „Gottes Geist steht uns bei, wo wir es selbst nicht können.
Denn wir wissen
nicht, was wir beten sollen, nicht einmal, wie es richtig geht.
Doch Gottes Geist
tritt selbst für uns ein in einer Weise, die wir nicht verstehen.“ (2)
Autor:
Es
ist entlastend, was Paulus da schreibt. Ich kann nicht beten. Wir alle nicht. Das
ist so. Und Zweifel gehören immer mit dazu.
Aber
Gott kann beten. Und Gott tut es durch seinen Geist: in uns, für uns, durch uns.
Dafür
steht auch das kleine Wörtchen „Amen“ am Ende jedes Gebetes.
Es bedeutet
„so sei es“. Gott wird mich hören.
Gott
weiß, was ich brauche, und hilft mir, ehe ich ihn darum bitte.
Deswegen
bete ich weiter. Auch, wenn der Himmel grau und leer ist. Oder gerade dann.
Zum
Schluss: ein Gebet bei leerem Himmel.
Guter
Gott,
wenn
ich bete, spüre ich oft nur mich selbst. Hörst Du mich auch?
Ich
weiß, wie wichtig es ist: innehalten, still werden, Hoffnung schöpfen.
Doch
das alles ist nichts ohne Dich.
Du
hast‘s auch nicht einfach mit mir, mit uns.
Wir
vermasseln’s. Du sollst es richten. Möglichst sofort, irgendwie.
Viel
Klage, Jammern, selten Dank oder gar Lob.
Ich
weiß oft nicht, wie es richtig geht. Fühle anderes, als ich sage.
Sage
„Du“, und bin doch nur bei mir.
Ich
hoffe, dass Du betest, Gott. In mir, durch mich, weil ich es nicht vermag.
Du brauchst
keine Erinnerung. Du hilfst uns auch so.
Aber
wir brauchen Dich, Dein Beten in uns.
Hilf
mir danken, damit ich erkenne, was Du uns täglich gibst.
Hilf
mir bitten, damit Dein Geist meinen Willen erfasst.
Hilf
mir klagen, wo Deine Schöpfung verletzt wird.
Sprich
Du Amen in uns.
Ihr
Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Quellen:
(1) Komm,
sei mein Licht: die geheimen Aufzeichnungen der Heiligen von Kalkutta. Mutter
Teresa. Hrsg. und kommentiert von Brian Kolodiejchuk, München: Pattloch, 2007;
zit. nach: Alexander Kissler, Mutter Teresas Zweifel „In mir ist kein Gott., SZ
19. Mai 2010. https://www.sueddeutsche.de/panorama/mutter-teresas-zweifel-in-mir-ist-kein-gott-1.879083 (letzter Abruf
am 11.05.23)
(2) Die Bibel, Römer 8,26, Luther-Bibel 2017,
paraphrasiert.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/61175_WDR3520230531Latzel.mp3