Jonas ist von seinem Stuhl aufgesprungen. Mitten im
Religionsunterricht. Er ist in der zweiten Klasse.
„Wir stimmen jetzt mal, wer an Gott glaubt. Wer
glaubt an Gott.
Finger hoch.“ Es sind alle. Bis auf den kleinen Max
in der letzten Reihe. Sofort eile ich Max zur Hilfe. Na, ja man muss ja auch
nicht immer glauben. Mal ist der Glaube da, mal ist er weg. Wie doof von mir,
denke ich.
Weil er nicht glaubt, ist er ja noch lange kein
Außenseiter.
Im echten Leben ist es doch meist umgekehrt. Die,
die nicht glauben, das sind die Coolen.
Aber wie halten Sie es mit dem Glauben? Glauben Sie
an Gott? Ja – nein – manchmal?
Es können einem ja echte Zweifel kommen – eine
Katastrophe reiht sich an die nächste – die Corona Pandemie at it`s best, die
Taliban in Afghanistan, die toten Flüchtlinge im Meer und die Lebenden in den
Wäldern vor verschlossenen Grenzen.
Kann es in Anbetracht von so viel Leid überhaupt
einen Gott geben? Die Frage ist alt, uralt.
Auch Dietrich Bonhoeffer hat sich im
Konzentrationslager diese Frage gestellt.
Der ev. Pastor schreibt in Anbetracht seines Todes: „Es
geht darum zu leben, als ob es Gott nicht gäbe.
Was er damit sagen will? Gott hat die Welt genauso
geschaffen, wie sie ist.
Das Gute und das Böse – bzw. die Ermöglichung von
beidem.
Und uns hat er als freie Menschen geschaffen. Damit
wir erkennen, dass wir leben müssen, als ob es ihn nicht gäbe. Wir müssen –
brutal gesagt – ohne ihn klarkommen.
Naturkatastrophen hat es von Anbeginn gegeben,
Kriege, Pandemien, Völkermorde.
Und Bonhoeffer geht sogar noch weiter. Er sagt: Der
Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt (Mk 15,34).
Er hat sogar seinen eigenen Sohn im Stich gelassen.
Als Jesus an`s Kreuz genagelt wird, hat er nichts gemacht. Vater, Vater ruft
Jesus am Kreuz.
Und was macht Gott? Er schweigt. Aber das hat seinen
Grund. Er ist bei uns, indem er sich selbst der Welt unterwirft, die er
geschaffen hat.
Ja, das ist ganz schön viel Theologie am frühen
Morgen.
„Leben als ob es Gott nicht gäbe“, ist für mich ein
super starker Satz. Denn faktisch heißt das: Wir haben die Freiheit, selbst Verantwortung
zu übernehmen. und sind nicht fern gesteuerte Wesen. Verantwortlich zu handeln
in einer Welt, die auch vom Chaos, Zufällen, Katastrophen regiert wird.
Ob das alles ist? Nein, am Ende wird Gott abwischen
alle Tränen und den Tod überwinden. Auch das hat er uns durch seinen Sohn
gezeigt. Das alles zu glauben, ist eine Zumutung. Mir hilft es. Manchmal.
Quelle: An Gott glauben auch in Zeiten der Krise, Dr.
Tobias Schulte (18.3.20)
In: https://kirche-und-gesellschaft.drs.de,
zuletzt aufgerufen am 10.12.21
Redaktion:
Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57078_WDR220211227Steinwender.mp3