Guten Morgen,
wir schlendern die
Haupt-Touristenmeile entlang, vorbei an den üblichen Souvenir-Ständen mit
Geschirrtüchern, Mützen, Stofftaschen, T-Shirts und Pullis mit Namen und Logo
des Urlaubsortes – was man halt so üblicherweise mitbringt. Da sitzt ein Mann
an der Nähmaschine und näht gerade auf eine Schürze den Namen Florian. Auf
Wunsch versieht er jedes Stoffteil mit dem individuellen Wunschnamen. Dadurch
bekommt jeder Artikel etwas Einmaliges. Er ist speziell auf einen Menschen
zuhause zugeschnitten. Ach guck, geht mir durch den Kopf, Souvenirs werden
offenbar immer individueller.
Der Name des Urlaubsortes auf
der Brust reicht nicht mehr. Nicht nur landestypisch soll es sein, das
Mitbringsel. Es soll auch sagen: Das hier haben wir ganz speziell für dich
ausgesucht. Umso wichtiger vielleicht, weil es immer schwieriger wird, etwas
Besonderes oder Einmaliges zu finden. Und: Zuhause sind wir ja auch ganz
individuell unterwegs: Manche absolvieren ihr ganz individuelles
Fitnessprogramm oder Work out, vielleicht sogar mit Personaltrainer. Mein
kleines privates Auto lässt sich in Farben und Inventar individuell konfigurieren.
Nur wenige dieser Marke sehen gleich aus. Es gibt Restaurants, in denen ich mir
mein Essen selbst zusammenstelle: Welche Pasta und welche Sauce ich möchte.
Oder welche Zutaten in meinen Salat sollen. Wir alle sind ganz individuell
unterwegs, haben unseren eigenen Geschmack. Wir möchten zeigen, was uns
einzigartig macht, uns abheben aus der Menge. Gesehen werden mit dem, was uns
ausmacht. Und vor allem auch: Das tun und lassen, was passgenau für uns ist.
Das wird durch all die Angebote bedient und ist auch in Ordnung. Solange es
auch noch Gemeinsamkeiten gibt oder wir uns noch auf Kompromisse verständigen
können.
Nur: Die Bereitschaft dazu
nimmt nach meiner Wahrnehmung ab. Wie lange es manchmal dauert, bis man sich
geeinigt hat, wo man etwas zu essen bestellt: beim Italiener, Chinesen,
Burger-Laden oder im veganen Restaurant. Ohne Kompromiss bleiben die Teller
leer. Ich denke manchmal, als Christin dürfte mir das doch gar nicht
schwerfallen. Ich kann mich doch darauf verlassen: Gott sieht mich, ganz speziell
mich in meiner Individualität. „Du bist ein Gott, der mich anschaut. Du bist
die Liebe, die Würde gibt. Du bist ein Gott, der mich achtet. Du bist die
Mutter, die liebt,“(1), singen wir in der Kirche mit Hagar. Das ist eine Frau
aus der Bibel, die sich als Magd von Ihrer Herrschaft nicht anerkannt und
gesehen fühlt.
Weil ich mich von Gott
geliebt weiß, bin ich nicht darauf angewiesen, von anderen Menschen
wahrgenommen zu werden oder meine Bedürfnisse und Interessen immer eins zu eins
umsetzen zu können. Ich kann auch mal mit anderen einen Kompromiss eingehen
oder damit gemeinsam etwas geht, persönlich zurückstecken.
Oder es kann mir wichtiger
sein, dass wir überhaupt zusammen wegfahren, als dass es genau zu meinem
Lieblingsziel geht. Oder es macht mir so viel Spaß zusammen zu kochen und zu essen,
dass ich auch mal was Anderes esse als sonst. Gemeinsam etwas auf die Beine
stellen – in einem Verein, einer Partei oder in einer Gemeinde – das macht so
viel Freude. Auch dann, wenn nicht meine Herzensidee umgesetzt wird.
Auch Ihnen viel Freude bei
solchen gemeinsamen Aktionen wünscht
Barbara Schwahn, Krefeld.
(1) Du bist ein Gott, der
mich anschaut, Freitöne, DEKT 2017, S. 4, Refrain.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59198_WDR3520220919SchwahnNEU.mp3