Guten Morgen!
Sheldon Cooper hat ein
Problem. Manche werden ihn kennen, diesen liebenswürdigen Nerd aus der
umwerfend komischen Serie „The Big Bang Theory“. Zwanghaft bis in die
Zehenspitzen, unfähig zu entspannter Unterhaltung, als Physiker ein Genie, für
Mitbewohner der Weg in den Wahnsinn.
Sheldon Cooper hat ein
Problem. Oder besser – er hat ganz viele Probleme, aber dieses ist ein
spezielles: Sheldon Cooper hasst es, Geschenke zu bekommen. Allein der Gedanke,
es möchte ihm zum Geburtstag einer ein Präsent präsentieren, bringt ihn um den
Schlaf. Bloß keine Geschenke. Nichts schlimmer als das. Denn wie, um alles in
der Welt, soll man sich passend revanchieren? Nackte Panik erfasst ihn bei
diesem Gedanken. Sein Physikerhirn läuft auf Hochtouren, aber Formeln und
Zahlen liefern keine Lösung. Sich hineinzuversetzen in eine andere Person, um
zu ahnen, was ihr wohl Freude macht – eher fliegt er zum Mars. Um Himmels
willen, bloß kein Geschenk. Die Schuld, der Druck, das hält er nicht aus.
Nun ist im echten Leben vermutlich
niemand so neurotisch wie der Nerd aus dem Fernsehen. Nicht mal ich.
Allerdings: So völlig fremd ist mir Sheldons Fremdeln mit Geschenken wieder
nicht.
An manche Geburtstagsparty
erinnere ich mich, bei der um Mitternacht mein Ehrentag erst eingeläutet wurde.
Reinfeiern, nannten wir das. Und dann sitzt du da, inmitten von 20, 30
Freunden, und sollst die Geschenke auspacken. Eins nach dem anderen. Auf dir
die Blicke der Gäste, während du Schleifen löst und Geschenkpapier entwickelst.
Und dann finde die richtigen Worte, das rechte Maß an Euphorie, die nötige
Begeisterung, um angemessen Dank zu sagen. Womöglich während du noch rätselst, wie
man DARAUF wieder kam. Aber Dank sagen muss man doch, mindestens das ist man den
erwartungsvollen Geberinnen doch allemal schuldig. Längst packe ich Geschenke lieber
ohne Publikum aus. Und freue mich leichter dabei.
Seit gut 20 Jahren erst
erforschen Psychologen das Phänomen der Dankbarkeit mit System. Soweit wie
Sheldon’s Zunft der Physik hat man’s sicher nicht gebracht bisher. Dass aber
Dankbarkeit von Dankesschuld strikt zu unterscheiden ist, darin ist die
Forschung sich einig. Dank zu schulden, zählt zu den negativen Emotionen, kann
gar Beziehungen ernsthaft gefährden.
Dankbarkeit aber, echte, schlichte
Dankbarkeit erweist sich den Forschungen zufolge beinahe als Allheilmittel. Dankbare
Menschen fühlen sich besser, haben weniger Stress, kommen leichter zurecht mit
ihren Mitmenschen, schlafen besser, selbst das.
Und das Schönste ist:
Dankbarkeit kann man lernen, kann man üben, regelrecht trainieren. Ist eben nicht
nur ein Gefühl, sondern: eine heilsame Haltung. Versuchen Sie’s mal. In der
Woche nach Erntedank. Vielleicht heute zehn Mal Danke sagen – für den Anfang,
einfach so. Oder schreiben Sie’s auf. Hilft noch besser, sagen die Forscher. Danke
fürs Zuhören!
Ihr Ulf Schlüter, Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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