Danke

Kirche in WDR3 | 05.10.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Sheldon Cooper hat ein

Problem. Manche werden ihn kennen, diesen liebenswürdigen Nerd aus der

umwerfend komischen Serie „The Big Bang Theory“. Zwanghaft bis in die

Zehenspitzen, unfähig zu entspannter Unterhaltung, als Physiker ein Genie, für

Mitbewohner der Weg in den Wahnsinn.

Sheldon Cooper hat ein

Problem. Oder besser – er hat ganz viele Probleme, aber dieses ist ein

spezielles: Sheldon Cooper hasst es, Geschenke zu bekommen. Allein der Gedanke,

es möchte ihm zum Geburtstag einer ein Präsent präsentieren, bringt ihn um den

Schlaf. Bloß keine Geschenke. Nichts schlimmer als das. Denn wie, um alles in

der Welt, soll man sich passend revanchieren? Nackte Panik erfasst ihn bei

diesem Gedanken. Sein Physikerhirn läuft auf Hochtouren, aber Formeln und

Zahlen liefern keine Lösung. Sich hineinzuversetzen in eine andere Person, um

zu ahnen, was ihr wohl Freude macht – eher fliegt er zum Mars. Um Himmels

willen, bloß kein Geschenk. Die Schuld, der Druck, das hält er nicht aus.

Nun ist im echten Leben vermutlich

niemand so neurotisch wie der Nerd aus dem Fernsehen. Nicht mal ich.

Allerdings: So völlig fremd ist mir Sheldons Fremdeln mit Geschenken wieder

nicht.

An manche Geburtstagsparty

erinnere ich mich, bei der um Mitternacht mein Ehrentag erst eingeläutet wurde.

Reinfeiern, nannten wir das. Und dann sitzt du da, inmitten von 20, 30

Freunden, und sollst die Geschenke auspacken. Eins nach dem anderen. Auf dir

die Blicke der Gäste, während du Schleifen löst und Geschenkpapier entwickelst.

Und dann finde die richtigen Worte, das rechte Maß an Euphorie, die nötige

Begeisterung, um angemessen Dank zu sagen. Womöglich während du noch rätselst, wie

man DARAUF wieder kam. Aber Dank sagen muss man doch, mindestens das ist man den

erwartungsvollen Geberinnen doch allemal schuldig. Längst packe ich Geschenke lieber

ohne Publikum aus. Und freue mich leichter dabei.

Seit gut 20 Jahren erst

erforschen Psychologen das Phänomen der Dankbarkeit mit System. Soweit wie

Sheldon’s Zunft der Physik hat man’s sicher nicht gebracht bisher. Dass aber

Dankbarkeit von Dankesschuld strikt zu unterscheiden ist, darin ist die

Forschung sich einig. Dank zu schulden, zählt zu den negativen Emotionen, kann

gar Beziehungen ernsthaft gefährden.

Dankbarkeit aber, echte, schlichte

Dankbarkeit erweist sich den Forschungen zufolge beinahe als Allheilmittel. Dankbare

Menschen fühlen sich besser, haben weniger Stress, kommen leichter zurecht mit

ihren Mitmenschen, schlafen besser, selbst das.

Und das Schönste ist:

Dankbarkeit kann man lernen, kann man üben, regelrecht trainieren. Ist eben nicht

nur ein Gefühl, sondern: eine heilsame Haltung. Versuchen Sie’s mal. In der

Woche nach Erntedank. Vielleicht heute zehn Mal Danke sagen – für den Anfang,

einfach so. Oder schreiben Sie’s auf. Hilft noch besser, sagen die Forscher. Danke

fürs Zuhören!

Ihr Ulf Schlüter, Bielefeld.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59350_WDR3520221005Schlueter.mp3

  • 5.10.2022
  • Ulf Schlüter
  • © CCO Pixabay
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