Tag der Deutschen Einheit

Kirche in WDR3 | 03.10.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Und – was fangen Sie an mit

diesem Feiertag? Gibt‘s Pläne? Oder sind Sie vielleicht schon unterwegs Richtung

Thüringen? In Erfurt wird der Tag der Deutschen Einheit in diesem Jahr ganz offiziell

gefeiert. Mit Staatsakt und mit dem gewohnten großen Bürgerfest. 16

Bundesländer präsentieren hier ihre Schokoladenseiten. Könnte sich lohnen, auch

wenn der Weg ein weiter ist für uns im WDR-Gebiet.

Seit 31 Jahren gibt es das, angefangen

vom ersten großen Deutschlandfest in Hamburg, ein Jahr nach dem 03. Oktober

1990. Jedes Jahr reihum richtet Bundesland nach Bundesland die Festlichkeiten

aus – Nationalfeiertag.

Nun bin ich kein großer

Freund von Volksfesten aller Art. Habe also in 31 Jahren noch jedes Deutschlandfest

verpasst. Vermutlich ein Fehler. Denn erstens: Geboten wird dort zweifelsohne

viel. Zweitens: Zusammenwachsen, das Motto für die Feier dieses Jahres,

zusammenwachsen, das ist ein sinnvolles, hilfreiches Ziel – für unsere ganze Gesellschaft.

Und drittens: Ja, es gibt durchaus etwas zu feiern am Tag der Deutschen Einheit,

im Gedenken an 1990.

Dass eine unmenschliche

Grenze, mit Stacheldraht, Mauern und Schießbefehl auf den Schrottplatz der

Geschichte kam – Halleluja. Dass Diktatur und Stasi-Spitzelei mit friedlichen

Mitteln hinweggefegt wurden – Gott sei’s gelobt. Dass 17 Millionen mit einem

Mal frei reden, frei reisen, frei wählen konnten – was wäre ein Grund zum

Feiern, wenn nicht das?

Sicher, in den so genannten neuen

Bundesländern denken heute viele auch an die Kehrseiten der großen Wende. Plötzlich

keine Arbeit mehr, oft jahrelang. Mit einem Mal ein Berg von Bürokratie, abhängig

vom Amt, aber meist keine Hilfe. Alltag und gewohnte Ordnung völlig

durcheinander. Und am schlimmsten das Gefühl: Dein ganzes Leben, deine

Biographie bis hierhin – einfach entwertet, vom Westen aus gesehen kann das

alles weg. Das hat Wunden hinterlassen.

Zusammenwachsen. Ist leichter

gesagt als getan, auch nach drei Jahrzehnten noch.

Schon deshalb braucht ein Deutschlandfest

anderes als Pauken und Trompeten und Tschingderassassa. „Hurra“ passt eh für

alle Zeit nicht mehr zum deutschen Patriotismus.

In Erfurt übrigens wird heute

vor dem Staatsakt und dem Bürgerfest auch ein Ökumenischer Gottesdienst

gefeiert. Nicht um dem Himmel für Deutschland zu danken, Gott bewahre. Die

Zeiten sind gründlich vorbei.

Dankbar an eine friedliche

Revolution zu erinnern. An die Mutigen, die in Leipzig von der Nikolaikirche

aus auf die Straße gingen. Die hatten nicht Deutschland im Sinn, sondern

Freiheit und Frieden und Gerechtigkeit. Da war viel Heiliger Geist unterwegs.

Dankbar daran erinnern. Und

danach fragen, wie Deutschland heute Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit

befördern kann. Das wäre ein Fest. Da bin ich dabei.

Ihr Ulf Schlüter, Bielefeld.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59348_WDR3520221003Schlueter.mp3

  • 3.10.2022
  • Ulf Schlüter
  • (c) Titus Reinmuth
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