Guten Morgen.
Im Ruhrpott bin ich wohl den mutigsten Frauen
begegnet, die ich je getroffen habe. Gemeinsam mit meiner Frau treffen wir uns
zum Essen und zum Reden. Sie sind zu Besuch aus Nigeria, einem Land voller
Vielfalt, einem Land, das sie lieben. Aber auch einem Land, dass in der Mitte
wie zerrissen ist. Geplagt von Konflikten die schon lange angelegt sind. Es
geht vor allem um Grenzen, Besitz und Macht. – Ganz gelegentlich schwappen die
Nachrichten zu uns, wenn wir hören von Boko Haram oder den 276 entführten
Schülerinnen von Chibok. Aber für diese Frauen, ist der Konflikt Alltag. Und
unter den zehntausenden Entführten, Verstümmelten und Toten sind auch ihre
Freundinnen und Nachbarn, sind Ehemänner und Kinder.
Diese Frauen setzen sich mit ganzer Kraft und
Leidenschaft, mit ihrem Leben für den Frieden ein. „Mothers for peace“ – „Mütter
für den Frieden“ werden sie genannt. Trotz aller Trauer, aller Wut, allem
Unverständnis gehen sie aufeinander zu wie Schwestern, gleich ob Christin oder
Muslima. Sie reden, trauern und feiern gemeinsam. Sie hören auf, Gerüchten zu
glauben und schieben nicht mehr Gott die Schuld in die Schuhe.
Elisabeth erzählt von ihrer jüngeren
Schwester und dem Dorf, wo sie lebte. Von dem Überfall und davon, dass deren
Familie ausgelöscht wurde. Verbrannt zu Asche. Wie das der Moment ist, in dem sie
Zweifel überkommen. Frieden? Echt jetzt? – Aber in der Trauer stehen ihr andere
Schwestern zur Seite. Christinnen und Musliminnen. Frauen, die ebenso
erschüttert sind und die ihr gleichzeitig sagen: Elisabeth wir brauchen dich!
Am Abend nach unserem Essen stehen wir
gemeinsam auf einer Bühne in Gelsenkirchen. Wir machen Musik, tanzen und
sprechen mit den Müttern für Frieden. Wir stimmen ein Lied an, ein Gebet. Und
die Frauen nehmen sich an den Händen. Sie könnten sich hassen. Doch sie haben
sich entschlossen, es nicht zu tun. Die Tränen laufen ihnen über die Wangen,
während sie mitsingen. Die Kraft ihres trotzigen Friedens ist greifbar.
Bring comfort to our
hurting souls
We’re longing for Your light, Your love
We pray for peace
We pray for peace
We pray for peace
Song: We pray for peace – Judy Bailey
Musik: Track 11 „We Pray For Peace“, von der CD: “Build A Bridge”
von Judy
Bailey & friends, Text / Komposition: Judy Bailey, Interpretin: Judy
Bailey & Tracey Riggan / Hersteller: DePoolMusic, Label: DePoolMusic, 2019.
EAN 4280000636058, LC29823.
Seit über 10 Jahren setzen sich diese Mütter
für den Frieden ein. Es ist noch lange nicht alles gut. Aber sie sind auch
nicht mehr allein. 23 muslimische und christliche Frauenorganisationen haben
sich ihnen angeschlossen zum „Women‘s Interfaith Coucil“. Sie führen
interreligiöse Dialoge und veranstalten Workshops zu Friedensbildung. Sie reden den Konflikt nicht schön,
sie gehen dorthin, wo es weh tut. Wenn wieder ein Anschlag war oder eine Entführung,
dann kommen sie, helfen und trösten und setzen sich dafür ein, dass der
Konflikt nicht wächst. Sie wollen den Teufelskreis durchbrechen.
Die Mütter für den Frieden aus Nigeria – sie
sind mir zum Segen geworden – und zur Ermahnung, wie in dem alten Bibelwort:
„Wendet euch ab von allem
Bösen und tut Gutes! Setzt euch unermüdlich und mit ganzer Kraft für den Frieden ein!“ (Die Bibel, Psalm
34,15, HFA).
Einen zufriedenen Tag – für
sich selbst und andere wünscht Ihnen, Patrick Depuhl aus Alpen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
Informationen: Die „Mothers of peace“ haben den Aachener
Friedenspreis 2021 erhalten.
https://www.dw.com/en/nigerian-interfaith-womens-group-awarded-aachen-peace-prize/a-59806114
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56830_WDR3520220124DepuhlInternetfassung.mp3