Guten Morgen,
eine sechste Schulklasse schreibt einen Aufsatz zum Thema: „Mein größter
Wunsch!“ Als die Lehrerin die Hefte korrigiert, bleibt sie an einem Text
besonders hängen, als sie liest: „Meine Eltern lieben ihre Handys sehr. Sie
kümmern sich so sehr um ihre Handys, dass sie mich dabei ganz oft vergessen.
Wenn mein Papa müde von der Arbeit heimkommt, schnappt er sich sofort sein
Handy. Dafür hat er Zeit. Aber für mich nicht. Er spielt sogar Spiele darauf,
aber nicht mit mir. Und wenn meine Eltern zu Hause arbeiten müssen und das
Handy klingelt, gehen sie sofort ran. Wenn ich sie bei ihrer Arbeit etwas
fragen will, bekomme ich meist keine Antwort. Auch dann nicht, wenn ich weine.
Deshalb ist mein allergrößter Wunsch, ein Handy zu werden!“
Auch mich haben diese Zeilen einer Schülerin sehr berührt.
Das Smartphone hat inzwischen bei sehr vielen den 1. Platz im Leben
eingenommen. Die Familie, die Kinder und Mitmenschen bekommen nur noch selten
die ganze Aufmerksamkeit. Denn mindestens ein Auge ist selbst während eines Gesprächs
oder beim Kinderwagenschieben immer auf das Smartphone gerichtet. Das
Smartphone kontrolliert mich, ich opfere ihm immer mehr von meiner Zeit und von
meinen Beziehungen. Das bleibt meinem Gegenüber auch nicht verborgen und das
enttäuscht. Doch – Gott sei Dank – es ist nie zu spät, mir das bewusst zu
machen. Nie zu spät, etwas zu ändern. Mir ist es ganz wichtig, dass ich in
meinem Alltag bewusst wahrnehme, wie es meinem Gegenüber geht. Dass ich ihn
oder sie ansehe und dem Menschen so auch Ansehen verschaffe. Dass er, dass sie
mir das Wert ist. Und ich bin ebenso dankbar, wenn mich jemand anschaut. Als
mir mein Arzt eine schwere Diagnose mitteilte und mich dabei liebevoll
anblickte, konnte ich das viel leichter annehmen. Diese Erfahrung machte bereits
eine verzweifelte Frau, von der uns im ersten Buch Mose in der Bibel berichtet
wird. Erleichtert rief sie laut im Gebet: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“
(1. Mose 16,13). Sie fasste daraufhin neuen Mut und erkannte eine neue
Lebensperspektive für sich. So vertraue auch ich täglich darauf, dass Gott mich
sieht: Wenn ich dankbar eine schwere Krankheit überstanden habe. Wenn ich fast
resigniert vor einer schwierigen Aufgabe oder Entscheidung stehe. Wenn ich
beglückt die Geburt und die weitere gute Entwicklung meiner Enkel erlebe. Und
auch, wenn ich mich hilflos fühle, weil ich einen geliebten Menschen verloren
habe. Ich weiß und vertraue darauf, dass Gott mich sieht und mich begleitet.
Wunderschön drückt dies auch ein fröhliches Lied von Susanne Brandt (Text) und
Miriam Buthmann (Musik) aus:
„Du bist ein Gott, der mich anschaut. Du bist die Liebe, die Würde gibt.
Du bist ein Gott, der mich achtet. Du bist die Mutter, die liebt“ (1).
Das wünsche ich Ihnen und mir auch für diesen Sonntag: dass wir alle die bei
uns sind und denen wir heute begegnen mit Liebe anschauen. Und dass wir ihre
Anliegen, Fragen und Sorgen ernst nehmen. Und heute vielleicht sogar unser
Smartphone mal ganz aus dem Blick und Gehör verlieren!
Quelle:
(1) https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=youtube+du+bist+ein+gott+der+mich+anschaut
(zuletzt abgerufen am 01.03.22)
Redaktion:
Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58751_SK20220731Brueck.mp3