Basisbibel-Praxischeck: Was sich junge Erwachsene von der Kirche wünschen

Wie politisch sollte Kirche sein? Ausgehend von dieser Fragestellung haben Schülerinnen und Schüler des Düsseldorfer Theodor-Fliedner-Gymnasiums während eines Bibelprojekts Thesen zur gesellschaftlichen Verantwortung der Kirche formuliert. Ihre Ergebnisse präsentierten sie nun bei einem Treffen mit Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Dabei wurde deutlich: Vieles, was die jungen Erwachsenen beschäftigt, taucht in der Bibel auf.

Ursprünglich wäre Präses Manfred Rekowski am 21. Januar, dem Geburtstag des Namensgebers der Schule, zu Gast im Theodor-Fliedner-Gymnasium gewesen. Coronabedingt kam es nun rund zwei Monate später, am 18. März, zu einem Online-Treffen. Hintergrund war ein Projekt des Leistungskurses Evangelische Religionslehre im Abiturjahrgang 2021 mit der kürzlich erschienenen Basisbibel, einer neuen Übersetzung in einfacher und klarer Sprache. Mit ihrem Lehrer Johannes Fischer unterzogen die Schülerinnen und Schüler diese einem Praxischeck. Im Zentrum dabei: der Anspruch des Werks, zeitgemäß zu sein. „Das ist ja wie bei Stiftung Warentest, Pro und Kontra wurden analytisch herausgearbeitet“, lobte Präses Rekowski die Herangehensweise des Kurses.

Schulklasse formuliert zeitgemäße Kaiserswerther Thesen

Für das Projekt hat die Klasse von der Deutschen Bibelgesellschaft die Basisbibel noch vor Verkaufsstart erhalten. Ihr Fazit: Die Basisbibel eignet sich sowohl für die Arbeit an der Schule als auch im Konfirmationsunterricht. Vor allem das übersichtliche Layout und die Begriffserklärungen erleichterten das Lesen. Zudem blieben Sinn und Aussage der Ursprungstexte erhalten. Die Schülerinnen und Schüler wissen, wovon sie sprechen. Schließlich formulierten sie auf Basis der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 eigene Kaiserswerther Thesen zur gesellschaftlich-politischen Verantwortung der evangelischen Kirche .

Das Layout und die Erklärungen am Seitenrand sind laut den Schülerinnen und Schülern sehr hilfreich.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“

Grundlage für die Thesen ist jeweils ein Bibelvers. Im Zentrum stehen Themen, die für die Schülerinnen und Schüler relevant sind – beispielweise Rassismus, Homophobie, Diversität, Diskriminierung und Menschenrechte. So heißt es in einer These ausgehend von Jeremia 22,3: „Christen sollen sich mit ihren moralisch-christlichen Werten gegen regierende Systeme wenden, die drohen zur totalen Ordnung menschlichen Lebens zu werden.“ Damit bekräftigen sie, dass Menschen nicht unterdrückt werden dürften. Schließlich seien vor Gott alle gleich. Das wird auch in einer weiteren These deutlich: „Homosexuelle, Heterosexuelle, Juden, Muslime, Christen, Atheisten – sie alle sind gleich. Jeder Mensch mit seiner Herkunft oder seiner Sexualität ist zu akzeptieren. […] Die Würde des Menschen ist unantastbar und ist zu bewahren.“

Wunsch nach Kirche als Ort für Nächstenliebe und Akzeptanz

Die Botschaft der Abiturklasse ist klar: Diskriminierung gibt es in der Kirche noch immer. Und das widerspreche der Kirche an sich. Schließlich solle sie ein Ort der Akzeptanz und Nächstenliebe sein. Dagegen gelte es sich als Christ und Christin zu stemmen. Das gelte auch für Probleme der heutigen Zeit wie Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. „Es ist wichtig, dass die verschiedenen Religionen miteinander reden. Nur, wenn man sich gegenseitig versteht, kann man so etwas verhindern“, sagte dazu einer der am Projekt beteiligten Schüler, der selbst Muslim ist.

Der Leistungskurs Evangelische Religion beim Gespräch mit Manfred Rekowski.

„Was für uns relevant ist, findet in der Bibel Niederschlag“

Der Präses zeigte sich beeindruckt, wie präzise die Schülerinnen und Schüler gesellschaftliche Fragestellungen zum Miteinander in ihren Thesen formuliert haben. „Es wurden Themen gefunden, bei denen heute wirklich viel auf dem Spiel steht.“ Zudem habe der Praxischeck gezeigt: „Was für uns Menschen relevant ist, findet auch in der Bibel ihren Niederschlag.“

Großes Interesse an Übersetzungsarbeit

Interessiert lauschte der Kurs auch den Ausführungen von Ralf Thomas Müller zur Entstehungsgeschichte der Basisbibel. „Der Prozess hat 17 Jahre gedauert. Ziel war es, eine Übersetzung mit klaren und einfachen Formulierungen zu schaffen“, berichtete Müller, der von 2016 bis 2020 Mitglied im Übersetzungs- und Redaktionsteam der Basisbibel war. „Wir haben jetzt eine Bibel in moderner Sprache, die aber sicher künftig wieder angepasst werden muss“, sagte Müller.

Warum wird nicht von Geschwistern gesprochen?

Passend dazu griffen die Schülerinnen und Schüler ein derzeit viel diskutiertes Thema auf: gendergerechte Sprache. So werde in der Basisbibel von Brüdern und Schwestern statt von Geschwistern gesprochen. „Da zeigt sich das Problem des Fremden und weitentfernten Textes“, erklärte Müller. Es sei schwierig, etwas in die heutige Zeit zu übertragen, das die Schreiber nicht gesehen hätten. Müller lobte im Zuge dessen den „fortgeschrittenen Umgang mit der Bibel“. Schließlich wurden für die Thesen auch Übersetzungen etwa aus der Lutherbibel oder der Elberfelder Bibel genutzt. „Alle Bibeln haben Stärken und Schwächen, es gibt nicht die eine, die in jeder Situation hilft.“

Bei der Basisbibel handelt es sich um eine neue Bibelübersetzung mit einer klaren und einfachen Sprache.

Präses überreicht Klassensatz an Schule

Letztlich waren sich alle Beteiligten einig: Es gilt, die Bibel und ihre Wortwahl immer auch im historischen und gesellschaftlichen Kontext zu betrachten. „Das Bibellesen hilft, die Schriften besser zu verstehen, und dann sollte man bestenfalls zu dem Ergebnis kommen, dass auch die Bibel nicht unfehlbar ist“, sagte Müller. Gelegenheit dazu haben die Schülerinnen und Schüler des Theodor-Fliedner-Gymnasiums künftig mit der neuen Übersetzung. Denn Präses Rekowski überreichte der Schule einen Klassensatz der Basisbibel. „Mit Ihren Thesen ist Ihnen etwas Großartiges gelungen“, betonte er, „möglicherweise greife ich eine davon bei meiner Verabschiedung als Präses am 21. März auf.“

Info: Die Basisbibel

Bei der Basisbibel handelt es sich um eine neue Bibelübersetzung mit einer klaren und einfachen Sprache. Die Sätze sind in der Regel nicht länger als 16 Wörter. Dabei wird auch das durch Computer und Internet veränderte Medienverhalten berücksichtigt. Erklärungen von Begriffen und Sachverhalten am Seitenrand erleichtern zusätzlich das Verständnis der biblischen Texte. Die Basisbibel der Deutschen Bibelgesellschaft ist am 21. Januar 2021 als gedrucktes Buch sowie E-Book erschienen.

  • 18.3.2021
  • Andreas Attinger
  • Annabelle Welge-Lüßen, Deutsche Bibelgesellschaft , Felix Vonstein