Guten
Morgen,
ich
stehe vor einer roten Ampel, als ein Fahrradfahrer neben mir hält. Während wir
auf Grün warten, sitzt er – mit einem Ohrstöpsel im Ohr – auf dem Sattel, redet
aufgeregt und gestikuliert dabei heftig mit den Armen.
Es
ist schon erstaunlich, wo und wie man heute überall – dank Bluetooth –
telefonieren kann. Früher hätte man gesagt: Der führt aber angeregte
Selbstgespräche. Oder vielleicht sogar: Mit dem stimmt was nicht.
Das
könnte man manchmal auch von mir denken. Denn hin und wieder ertappe ich mich
dabei, mit mir selbst zu reden. Zum Beispiel im Supermarkt. Da stehe ich vor
dem Regal und murmele laut vor mich hin: Was wollte ich jetzt nochmal
mitnehmen?
Oder im
Keller, wenn ich vor dem Gefrierschrank stehe. Manchmal sage ich dann laut:
„Der Gefrierschrank ist zu.“ Einige Male ist es mir nämlich schon passiert,
dass ich den langen Weg vom Keller hinter mich gelegt habe, und ich mich dann in
der Wohnung frage: Habe ich eigentlich den Gefrierschrank richtig zugemacht?
Wenn
das nicht der Fall ist, kann man da sehr unangenehme Erfahrungen machen. Ein
Bekannter erzählte mir, dass er vom Urlaub zurückkam und sämtliche Lebensmittel
in der Kühltruhe wegschmeißen musste, weil die Tür nicht richtig zu war und das
gesamte Gefriergut aufgetaut war.
Dass
das Selbstgespräch eine wichtige Aufgabe haben kann, haben auch schon die Psychologen
erkannt. Selbstgespräche, so sagen sie, fördern die Strukturierung unserer
Gedanken und helfen uns dabei, Stress abzubauen. Wenn wir also einen Monolog
führen, hilft uns das gesprochene Wort dabei, einen Gedanken zu verfestigen. Zum
Beispiel: „Der Gefrierschrank ist zu.“ Selbstgespräche sollen uns helfen,
Gedanken zu ordnen, Erlebnisse zu verarbeiten und eventuell auch unsere Gefühle
besser zu verstehen
Manche
wissenschaftlichen Experimente haben erwiesen: Wir sind bei bestimmten Arbeiten
konzentrierter, wenn wir diese Tätigkeiten laut sprechend ausführen.
Dass
Selbstgespräche eine so positive Wirkung haben, ist schon eine sehr alte
Erfahrung, die sich schon in der Bibel wiederfindet:
„Was bist du so
verwirrt, meine Seele und was stöhnst du so in mir? Hoffe auf Gott! Denn ich
werde ihn noch loben für die Rettung, die von ihm kommt“, heißt es da. (Psalm 42,6, Die Bibel, Neue
evangelistische Übersetzung)
Hier
ist jemand im Gespräch mit sich selbst. Der steht nicht vor einem
Gefrierschrank, sondern vor ganz anderen verschlossenen Türen. Freunde und
Bekannte haben ihn allein und im Stich gelassen. Und er weiß nicht, wie er aus
einer vertrackten Situation herauskommen soll. Aber sein Selbstgespräch bekommt
plötzlich ein Gegenüber. Gott. Und das Selbstgespräch wird zu einem Gebet.
So kann der
Glaube an den gegenwärtigen Gott jeden Gedanken und so manches Selbstgespräch zu
einem Gebet werden lassen. Auch ohne einen Ohrstöpsel im Ohr.
Ihr Pastor Christoph
Neumann aus Iserlohn.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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