Autor: Man
macht im Leben manchmal absurde Dinge. Ich habe mich als Kind – ich glaube, ich
war so acht, neun Jahre alt –in den Mairegen gestellt, weil ich wachsen wollte.
Irgendein Erwachsener hatte mir gesagt. „Mairegen bringt Segen, da wächst jedes
Kind, da wachsen die Blätter, die Blumen geschwind.“
Ich darf sagen: mit Erfolg!
Ich bin gewachsen, in dem Alter sogar, wie ich fand, ziemlich schnell. Ich
stand im strömenden Regen. Zog die Kapuze ab und ließ das Wasser vom Himmel an
mir herunterlaufen. Ein tolles Gefühl! Seitdem habe ich zum Regen eine positive
Einstellung. Ich freue mich, wenn es regnet. Gehe im Regen gerne spazieren. – Gut,
die Kapuze ziehe ich nicht mehr ab, aber ich bin ja auch ausgewachsen.
„Mairegen bringt Segen, da
wächst jedes Kind“ – Ich habe später erfahren, dass das eine alte
Bauernweisheit ist.
Die Bauernregeln stecken
schon voller Lebenserfahrung, wie das Zusammenspiel von Wetter und Erde,
Schöpfung und Mensch gut gelingt. „Friede ernährt – Unfriede verzehrt.“ Auch
eine Regel aus dem großen Schatzbuch der Bauernsprüche. Wie wahr, gerade auch
in diesen Wochen. Unfrieden raubt einem Kraft, viel Kraft. Dagegen, da wo
Frieden herrscht, nährt es einen, macht stark, zufrieden, ja glücklich. Frieden
lässt Menschen wachsen.
Und diese Erfahrung höre ich auch
aus dem Spruch für den heutigen Tag: „Mairegen bringt Segen, da wächst jedes
Kind, da wachsen die Blätter, die Blumen geschwind.“ Klar, alle Pflanzen wollen
wachsen und brauchen dafür Wasser. Und dieses Wasser können sie sich nicht
selbst erzeugen. Es ist ein Geschenk. Ein Segen eben. Und das ist die Weisheit,
die in diesem Vers steckt. Das, was uns im Leben wirklich wachsen lässt,
bekommen wir geschenkt: Luft und Wasser – Liebe, Vertrauen, auch Vergebung
übrigens.
Vielleicht ist gerade der Mai
ein guter Monat, Liebe, viel Liebe regnen zu lassen. Auf dass Menschen sich
öffnen, aufgehen können. Vielleicht sogar über sich hinauswachsen … in der
Familie, im Beruf. Vielleicht sogar gerade dort, wo ein Lebensplan, ein
Lebenskonzept vertrocknet ist, ausgezehrt, durch eine Krise, eine Krankheit,
das Älterwerden …
„Mairegen bringt Segen, da
wächst jedes Kind.“ Das klingt so einfach und ist hundertfach bewährt. Jeder
von uns kann wachsen, auch im Alter noch. Auch Sie, auch ich – wenn man Regen
spürt.
Sobald der erste Tropfen
fällt, werde ich rausgehen und überlegen, was für mich ein Segen ist und wo ich
einem anderen Menschen zum Segen werden kann. Es braucht nicht viel: Lass ein bisschen
Liebe regnen!
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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