Gottes Handschrift

Sonntagskirche | 23.01.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Zwei Einsen ganz eng hintereinander geschrieben – das gibt ein E. Und diese Schnecke am Ende des Wortes – das ist ein S. Mitten im Wort wird das S dann aber anders geschrieben. Meine Güte! – Als ich ein Kind war, hat meine Oma mir die Sütterlin-Schrift beigebracht. Das ist die Schreibschrift, die sie als Kind in der Schule gelernt hatte. Ich hab das total gerne gemacht. Und weil ich eine Freundin hatte, Bettina, die das auch konnte, haben wir uns geheime Briefchen geschrieben, die kein anderer lesen konnte, in Sütterlin.

Manchmal entdecke ich heute noch Spuren der alten Handschrift, wenn ich Worte sehe, die alte Menschen geschrieben haben. Oder in Einträgen in alten Familienbüchern. Und jedes Mal denke ich: Das sieht so schön aus. Wieviel Sorgfalt oft in den Schwüngen und Bögen liegt. Fast wie gemalt. Warum ist das eigentlich heute nicht mehr so? Ja, bei uns werden Kinder nicht mehr mit Schönschreib-Übungen gequält, das finde ich auch richtig so. Und ja, wir schreiben auch nicht mehr in Sütterlin, sondern wir haben eine einfachere Ausgangsschrift. Und trotzdem – das nicht der einzige Grund.

Die Handschrift, die handgeschriebene Schrift, wird nicht mehr so kultiviert wie früher. Es ist einfach schneller und ehrlich gesagt oft praktischer, einfach was in die Tastatur zu tippen. Bis ich einen funktionierenden Kuli in meinem Auto gefunden habe, habe ich schon dreimal die Einkaufsliste in mein Handy diktiert. Und getippte Texte sind für alle lesbar und das Korrekturprogramm weist mich außerdem noch dezent auf Rechtschreibfehler hin. Sehr praktisch. Trotzdem schade. Ich schau mir gerne Handschriften an. Auch „Sauklauen“! Die Schrift eines Menschen ist voller Ausdruck. Ist sie eher raumgreifend oder gedrungen, kommt sie akkurat daher oder ist sie mit leichter Nachlässigkeit so aufs Papier geworfen – meine Phantasie springt an, wenn ich Handschriften sehe, sie machen mich neugierig auf den Menschen, von dem sie stammen. Ich habe mal gelesen, dass die Handschrift ein Teil der Körpersprache ist – so wie Mimik und Gestik und Bewegung auch.

Ich habe von meinem Großvater einige alte Bibeln geerbt. Ich kenne ihn nur aus Erzählungen, er starb vor meiner Geburt. In seinen Bibeln habe ich Zettel gefunden, auf denen er Gebete notiert hat oder Verse von Kirchenliedern, die ihm wohl viel bedeutet haben. Handgeschriebenes. Ich habe eine Vorstellung von seiner Frömmigkeit. Manchmal lasse ich ein Lied im Gottesdienst singen und sehe noch die handgeschriebene Zeile meines Großvaters vor mir. Ich kenne das auch. Worte, die mir zu Herzen gehen und meine Seele berühren, die schreibe ich gerne mit der Hand. Und genauso schreibe ich Worte mit der Hand, die anderen zu Herzen gehen sollen. Worte der Anteilnahme an Trauernde, Sätze der Klärung in Konflikten, liebevolle Worte an die, die ich liebe. Das alles schreibe ich mit der Hand.

Heute, 23. Januar, ist Tag der Handschrift. Und während ich so über Handgeschriebenes nachdenke, frage ich mich, welche Handschrift Gott wohl hat. Es heißt an einer Stelle im Lukas-Evangelium in der Bibel (Die Bibel, Lukas 10,20), dass unsere Namen im Himmel aufgeschrieben sind. Das ist ein schönes Bild, finde ich. Mein Name ist in Gottes Handschrift aufgeschrieben. Mein Name, Ihr Name. Die Namen derer, die wir lieben und die Namen derer, von denen wir gar nichts wissen. In Gottes Handschrift geschrieben, schön und ausgeprägt, mit genug Raum und Klarheit. Und: Gut lesbar für alle!

Redaktion:Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 23.1.2022
  • Anke Prumbaum
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