Sie haben
sie aufgenommen. Einfach so, weil sie den Platz haben. Und ein Anruf kam. Seit
Ostern schon wohnen Alina, Katharyna und Natalia, die alle Babuschka nennen, bei
Susanne und Holger unterm Dach. Großmutter, Tochter und Enkelin sind aus der Ukraine
geflüchtet. Wie so viele. Seitdem teilen sich Susanne und Holger mit ihren
Gästen das Bad und den Kühlschrank.
Das ist
nicht immer einfach. Sprachlich und kulturell. Für die Sprache hilft das Handy
als Übersetzer. Dass die Waschmaschine oft nur halbvoll läuft, ist für Susanne
schon ein Problem. Und dass die Drei lieber den eingeschweißten Salat im
Supermarkt kaufen, als den aus dem Garten zu ernten auch. Öfter ziehen sich die
drei Frauen komplett zurück. Vor allem wenn sie wieder schlechte Nachrichten
aus der Ukraine bekommen haben.
Trotzdem
ist Susanne überzeugt: „Es kommt alles zurück.“ Was sie damit meint? Dass eine
gute Tat irgendwann Früchte trägt. Das ist ihre Erfahrung. Zum Beispiel damals,
als sie dem jungen Mann aus dem Kosovo Geld geliehen haben. Keine Bank wollte
ihm einen Kredit geben. Und jetzt floriert seine Autowerkstatt. Das Gute für
Susanne: In Autofragen hat sie immer einen kompetenten Ansprechpartner. – „Es
kommt alles zurück.“
Zum
Beispiel bei Louisa. Als Jugendliche hatte sie eine Rücken-OP und durfte keine Treppen
steigen. Kurzerhand hat Susanne ihre damalige Schülerin für ein paar Monate
aufgenommen. Heute ist Louisa Ärztin und noch immer mit Susannes Töchtern
befreundet. Wenn sie krank sind, ist Louisa mit Rat und Tat zur Stelle.
„Es kommt
alles zurück.“ Das ist quasi die goldene Regel, ein alter und weitverbreiteter
Grundsatz der praktischen Ethik. In der Bergpredigt heißt das: Alles, was ihr
wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! (Matthäus 7,12,
Einheitsübersetzung)
Einfach
formuliert: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ Ich
kenne den Spruch aus meiner Kindheit – aus den Poesiealben. Allerdings ging der
genau anders rum: „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem
andern zu.“
Jetzt sind
wir keine Kinder mehr. Und wer weiß, ob wir uns damals immer an die goldene
Regel gehalten haben. Umso bewundernswerter finde ich die Haltung von Susanne
und Holger. Einfach zu helfen, jemanden aufzunehmen, sein Geld zu verleihen,
obwohl man nicht weiß, was dabei herauskommt. Ich bin gespannt, wie es mit
Babuschka und ihrer Familie weitergeht. Irgendwann kommt alles zurück.
Redaktion: Pastorin
Sabine Steinwender-Schnitzius
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