Alles zurück

Kirche in WDR2 | 17.11.2022 | 00:00 Uhr

Sie haben

sie aufgenommen. Einfach so, weil sie den Platz haben. Und ein Anruf kam. Seit

Ostern schon wohnen Alina, Katharyna und Natalia, die alle Babuschka nennen, bei

Susanne und Holger unterm Dach. Großmutter, Tochter und Enkelin sind aus der Ukraine

geflüchtet. Wie so viele. Seitdem teilen sich Susanne und Holger mit ihren

Gästen das Bad und den Kühlschrank.

Das ist

nicht immer einfach. Sprachlich und kulturell. Für die Sprache hilft das Handy

als Übersetzer. Dass die Waschmaschine oft nur halbvoll läuft, ist für Susanne

schon ein Problem. Und dass die Drei lieber den eingeschweißten Salat im

Supermarkt kaufen, als den aus dem Garten zu ernten auch. Öfter ziehen sich die

drei Frauen komplett zurück. Vor allem wenn sie wieder schlechte Nachrichten

aus der Ukraine bekommen haben.

Trotzdem

ist Susanne überzeugt: „Es kommt alles zurück.“ Was sie damit meint? Dass eine

gute Tat irgendwann Früchte trägt. Das ist ihre Erfahrung. Zum Beispiel damals,

als sie dem jungen Mann aus dem Kosovo Geld geliehen haben. Keine Bank wollte

ihm einen Kredit geben. Und jetzt floriert seine Autowerkstatt. Das Gute für

Susanne: In Autofragen hat sie immer einen kompetenten Ansprechpartner. – „Es

kommt alles zurück.“

Zum

Beispiel bei Louisa. Als Jugendliche hatte sie eine Rücken-OP und durfte keine Treppen

steigen. Kurzerhand hat Susanne ihre damalige Schülerin für ein paar Monate

aufgenommen. Heute ist Louisa Ärztin und noch immer mit Susannes Töchtern

befreundet. Wenn sie krank sind, ist Louisa mit Rat und Tat zur Stelle.

„Es kommt

alles zurück.“ Das ist quasi die goldene Regel, ein alter und weitverbreiteter

Grundsatz der praktischen Ethik. In der Bergpredigt heißt das: Alles, was ihr

wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! (Matthäus 7,12,

Einheitsübersetzung)

Einfach

formuliert: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ Ich

kenne den Spruch aus meiner Kindheit – aus den Poesiealben. Allerdings ging der

genau anders rum: „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem

andern zu.“

Jetzt sind

wir keine Kinder mehr. Und wer weiß, ob wir uns damals immer an die goldene

Regel gehalten haben. Umso bewundernswerter finde ich die Haltung von Susanne

und Holger. Einfach zu helfen, jemanden aufzunehmen, sein Geld zu verleihen,

obwohl man nicht weiß, was dabei herauskommt. Ich bin gespannt, wie es mit

Babuschka und ihrer Familie weitergeht. Irgendwann kommt alles zurück.

Redaktion: Pastorin

Sabine Steinwender-Schnitzius

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  • 17.11.2022
  • Uta Garbisch
  • © Taylor Smith on Unsplash
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