Heute ist Silvester und dann Neujahr „und dann, und
dann fängt das Ganze schon wieder von vorne an!…“. (Rolf Zuckowski)
Einerseits neues Jahr neues Glück, andererseits wenn
ich auf 2021 schaue, dann doch eher: „Da fängt der ganze Mist schon wieder von
vorne an?“
Diese „Es-wird-schon-alles-gut-wir
müssen-nur-durchhalten“ – Sprüche ziehen bei mir irgendwie nicht mehr.
Ich bin misstrauisch geworden, ob wir Menschen
eigentlich wirklich noch zu retten sind.
Wir Christen behaupten das ja. Dass das Kind in der
Krippe wirklich retten kann.
Ein Retterbaby, das die Mächtigen zu Fall bringt, die
Traurigen tröstet, und die Schwachen stark macht. Das zu glauben, fällt mir
gerade schwer.
Ich habe zu viele ungetröstete Traurige gesehen, zu
viele Mächtige, die ungehindert ihrer Machtlust frönen und die Rechte ihrer
Mitmenschen mit Füßen treten.
Aber dann kommt mir mal
wieder, die Weihnachtsgeschichte dazwischen.
Ich stelle mir vor: Ich bin eine Hirtin. Ich sitze auf
dem dunklen, kalten Feld, deprimiert von Corona und den unzähligen Krisen, in
denen wir sonst noch so stecken. Ich schiebe meinen Dienst. Passe auf, dass die
Schafe nicht vom Wolf gefressen werden und drehe mich in Gedanken um mich
selbst. Und dann gehen plötzlich alle Lampen an, als hätte wer die Scheinwerfer
eingeschaltet. Aus dem Nichts tauchen lauter sprechende Engel auf. Sie
verkündigen die frohe Botschaft und reißen mich aus meinem schwarzen Loch. Die
glitzern und leuchten und sagen dann auch noch zu allem Überfluss: „Fürchte
Dich nicht!“
Ich widerspreche dem Engel: „Wie bitte. Äh, doch, ich
fürchte mich, so viel ich will. Schau Dich doch mal um, wie schrecklich das
hier auf der Welt alles ist. Wie soll das je besser werden? Durch einen Windelträger
in einem Stall! So ein Quatsch!“
Aber zu meinem Erstaunen lässt sich der Engel von mir
nicht aus dem Konzept bringen. Er macht seine schräge schrille „Es-ist-euch-heute-der-Heiland-geboren“-
Nummer einfach solange weiter, bis ich langsam doch neugierig werde.
Was, wenn er doch Recht hat. Was, wenn ich ihm
vertraue und mich dahin bewege, wo er mich hinschickt?
Und plötzlich bewegt sich was in mir an diesem
Silvestermorgen. Ich weiß nicht was, aber es bringt mich irgendwie dazu, von
meiner Position abzurücken.
Das neugeborene Jesuskind verändert
nichts daran, dass die Welt an vielen Stellen dunkel ist und bleibt, aber es
trägt das Versprechen in sich, dass mit jedem neuen Leben, die Karten wieder
neu gemischt werden. Vielleicht auch mit jedem neuen Jahr. Es besteht zumindest
die Chance und das ist eine wirklich gute Nachricht, finde ich.
Redaktion: Pastorin Sabine
Steinwender-Schnitzius
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