Vierzig

Kirche in WDR2 | 10.08.2022 | 00:00 Uhr

Dieses Jahr habe ich 20 Jahre Abi und in zwei

Wochen ist es soweit: Ich werde vierzig. Darüber mache ich schon seit ein paar

Monaten Scherze. Und ich frage mich warum. Mit ziemlich großer

Wahrscheinlichkeit werde ich in zwei Wochen nichts ändern, weder mein Verhalten

noch meine Meinung. Und mich wird aller Voraussicht nach auch nichts umpolenDass ich nicht mehr jung bin, spüre ich wöchentlich – ich arbeite in einer

JugendkircheDa bin ich ja schon länger die «Alte Frau», die

sich weigert, drei Dreizehnjährigen auf einmal zuzuhören – und auch noch zu

verstehen! Immer häufiger ist mir etwas zu laut, graue Haare habe ich auch

schon und an meinem Körper beobachte ich erste Spuren der Schwerkraft.

Ich bin eine Frau in den besten Jahren. Nicht

mehr jung, noch nicht alt. In der Mitte des Lebens, falls ich weitere vierzig

Jahren leben darf. Und in der Mitte, ja was macht man denn da? Genießen und

erhalten, was mir geschenkt ist und was ich mir bisher erarbeitet habe? Irgendwie

reicht mir das nicht. Der Volksmund sagt zu Männern: Bau ein Haus, pflanz einen

Baum und zeuge ein Kind. Abgesehen davon, dass ein Haus auch gereinigt, ein

Baum beschnitten und ein Kind geboren und ins Leben begleitet werden muss, bin

ich da bis auf die Mutterschaft ganz gut unterwegs. Und vielleicht würde ich

mir die Frage, was jetzt dran ist, auch nicht stellen, wenn ich Mutter wäre.

Aber ich bin ja nicht die einzige Singlefrau

mit Vierzig. So oder so – was das Sprichwort da sagt, zielt darauf, etwas im

Leben zu hinterlassen, was Bestand hat. Mein Problem ist, darum geht es mir

nicht. Ich wünsche mir eher, dass sich mein Leben auch jetzt weiterentwicklt.

Ich wünsche mir neue Projekte und Perspektiven, Aufgaben und Herausforderungen:

mehr Sinn und mehr Erfahrungen. Manche sagen: Die bekommst du so oder so. Ich

bin mir da nicht sicher. Ich meine Neues anderer Qualität. Und das muss ich wollen

und dafür offen sein. Vermutlich muss ich es sogar planen, denn sonst läuft es in

meinem Leben einfach so weiter. Ich werde auf jeden Fall sehr aufmerksam durch

die Welt laufen in nächster Zeit. Vielleicht geht es mir dann so wie Mose, der

auch schon in der Mitte des Lebens angekommen war. Wenn ich mit offenen Augen

und Herz durch mein Leben laufe, entdecke ich vielleicht auch einen

Dornenbusch, der brennt aber nicht verbrennt. Aus dem Gott sich ein

klitzekleines bisschen zu erkennen gibt. Vielleicht erhalte auch ich eine neue

Lebensaufgabe und Richtung. Wer weiß. Ich wünsche es mir zu meinem 40.

Geburtstag. Und ich weiß – ich muss es

mir schenken lassen und selber ermöglichen. Ich werde ja schließlich vierzig

und nicht vier.

Redaktion: Pastorin Sabine

Steinwender-Schnitzius

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  • 10.8.2022
  • Katrin Berger
  • © CCO Pixabay
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