Wir sind in die Jahre
gekommen – ich und meine Freundinnen. Die Kinder gehen aus dem Haus. Ihre
eigenen Wege. In´s Studium, in`s Ausland in`s Praktikum. Die Kinderzimmer
werden umgestaltet. Endlich habe ich jetzt einen Yogaraum, sagt eine Freundin.
Es klingt wenig überzeugend. Sie versucht das Beste aus ihrem Schmerz zu
machen. Streicht die Wände lila und stellt einen Buddha auf. Nicht etwa, weil
sie Buddhistin ist, sondern weil er sie beruhigt.
Meine Freundin und ihre
Tochter simsen viel. Wenn ihre Tochter ihr nicht sofort antwortet, ist sie traurig.
Mensch Maya, du musst deine Tochter jetzt loslassen, bekommt sie immer wieder
zu hören. Als würde das so einfach gehen. Das eigene Kind loszulassen.
Loslassen, das ist schwer.
Was heißt das eigentlich? Loslassen? Sich trennen, sich verabschieden, auf
Neues hoffen. Manchmal ist da einfach ein Loch. 20 Jahre hat man sich nur um
das Kind gekümmert. Natürlich neben all dem anderen. Dem Job, dem Haushalt, dem
Freundeskreis, der Verwandtschaft, den eigenen Hobbies. Und der Partnerschaft
natürlich – die ist ja auch kein Selbstläufer.
Aber das Wichtigste sind doch
immer die eigenen Kinder. Wenn die weg sind, ist da ein Loch.
Und aus dem Loch kriechen
dann plötzlich andere Probleme hervor. Die Eltern machen sich breit. Jetzt hast
Du doch Zeit, Dich endlich mal um uns zu kümmern, heißt es dann. Ja, ja. Aber
will man das? Ist die Beziehung zu den eigenen Eltern so gut? Manchmal ja,
manchmal nein. Oder die ersten Krankheiten melden sich. Die Hüfte, das Kreuz,
die Ohren.
Und etwas anderes schmerzt –
das Älterwerden. Es gibt einfach so viel Unwiederbringliches.
Das Schöne – es lässt sich
nicht wiederholen. Und mit den Fehlern muss man leben. Was habe ich in der
Erziehung falsch gemacht? Eine Frage, die quält – insbesondere, wenn Kinder
eigene Wege gehen. Keine vorgefertigten, abseits vom Mainstream, auf Sicherheit
pfeifend. Die Sorgen der Mütter – sie hören nicht auf.
Loslassen braucht Zeit. Deshalb
kann ich allen verlassenen Müttern nur raten, seid gnädig mit euch selbst.
Lasst die Anderen quatschen. Jede bestimmt ihr Tempo selbst. Jede Mutter ist
anders und jedes Kind auch. Manche Kinder brauchen noch mehr Begleitung. Das
hat nichts mit Helikoptereltern zu tun, sondern mit Liebe.
Loslassen, das heißt aber
auch sich verabschieden und auf das Neue hoffen – es erwarten. Im Vertrauen auf
Gott. Und deshalb wird ein Kind Vater und Mutter verlassen – heißt es in der
Bibel. Und die Mütter dürfen auf das Neue hoffen und es erwarten. Wo ein Loch
ist, bleibt kein Loch. Es schließt sich. Mit etwas Neuem. Auch das ist ein
Prozess. Und es wird schön.
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