Wem gehört mein Leben?

Kirche in WDR2 | 28.01.2023 | 00:00 Uhr

Nein, er sieht wirklich nicht

gut aus: Die Wangen eingefallen. Abgemagert. Die Haut grau. Ich habe ihn anders

in Erinnerung: Sportlich. Fit. Voller Tatendrang. Ein erfolgreicher Ingenieur

in leitender Position. Beruflich sehr engagiert. Und immer stolz auf seine

Leistung. Diesmal aber erzählt er nicht von großen Plänen. Nicht von Erfolgen.

Diesmal erzählt er von seiner Krankheit. Die hat ihn ohne Vorwarnung erwischt.

Direkt vom Schreibtisch ins Krankenhaus. Und es ist dramatisch: Lange ist

unklar, ob er überhaupt überlebt. Erst langsam wendet sich das Blatt. Er ist

wieder zuhause. Wird sogar wieder arbeiten können. Auch wenn es nie wieder wie

früher werden wird. „Also, irgendwie bin ich echt dankbar für diese

Erfahrung!“, sagt er. Ich stutze. Was hat er gesagt? Er erklärt: „Früher, da

habe ich ganz für meinen Job gelebt. Kaum zuhause, immer unterwegs, dienstlich.

Meine Frau hat die Kinder praktisch allein aufgezogen. Mein Leben hat der Firma

gehört. Natürlich habe ich auch etwas bekommen: Gutes Geld verdient. Das große

Auto in der Garage. Und das gute Gefühl: Ich kann es besser als die anderen.

Aber dann liege ich da in

meinem Krankenzimmer. Und merke: Erfolg haben und leben, das sind zwei

verschiedene Dinge. Mein Leben gehört nicht der Firma. Es gehört nicht der

Karriere. Leben ist viel mehr. Und oft habe ich an meine Frau gedacht. Sagt er.

Und an meine Kinder. Wie traurig sie sind meinetwegen. Habe gemerkt: Mein Leben

gehört noch nicht einmal mir selbst. Nicht allein. Es gehört auch den Menschen,

die mich lieben. Ja, sagt er, ich bin dankbar für diese Krankheit. Weil sie mir

die Chance gegeben hat, das zu erkennen. Ich nicke.

Ich muss an Jesus denken. An

diese eine Szene, wo er einmal vor den Leuten steht, eine Münze in der Hand.

Und sagt: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört. Und gebt Gott, was Gott

gehört. Auf der Münze sieht man das Bild vom Kaiser. Sie gehört ihm. Aber ein

Mensch ist das Bild Gottes: voller Leben, Liebe, Hoffnung. Er gehört keinem

Kaiser. Keiner Macht, keinem Staat. Keinem Beruf. Keiner Idee. Keiner Religion.

Nicht einmal allein sich selbst. Er gehört Gott. Er gehört dem Leben.

Ich gestehe: Dieses Gespräch

hat bei mir Spuren hinterlassen. Immer wieder kommt bei mir seit diesem Tag die

Frage hoch: Wem gehört eigentlich mein

Leben? Meiner Arbeit? Meinen vermeintlich so wichtigen Terminen? Dem, was „man“

so von mir erwartet? Wen lasse ich über mich herrschen? Und dann hoffe ich,

dass ich nie vergesse, dass ein Mensch letztlich Gott gehört und somit dem

Leben.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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  • 28.1.2023
  • Thomas Schrödter
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